Ausstellung:Anleitung zum Glücklichsein

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Die Fotografin Johanna Schlüter zeigt im Gautinger Bosco ihre Bilder von der Künstlerkolonie Kathputli, für die sie mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet worden ist. Zu sehen sind Menschen, die nichts haben und trotzdem zufrieden wirken

Von Katja Sebald, Gauting

Das Studium mit Bestnote abgeschlossen und für die Bachelorarbeit auch gleich noch mit einem Preis ausgezeichnet: "Läuft bei mir", hieße das wohl auf Neudeutsch. Die 25-jährige Johanna Schlüter aus Starnberg, aktuelle Kultur-Förderpreisträgerin des Landkreises Starnberg, zeigt jetzt im Kulturzentrum Bosco in Gauting noch einmal die Fotodokumentation "Kathputli Colony", die ihr Glück brachte. Von ihrer Arbeit als Fotografin kann sie allerdings bis jetzt noch nicht leben.

Die Bilder, die noch bis zum Freitag, 24. Februar 2017, im Treppenhaus und im Foyer des Bosco zu sehen sind, zeigen die Bewohner einer Künstlerkolonie in Neu-Dehli. Johanna Schlüter, die bis 2015 an der Hochschule München Fotodesign studierte, war im Vorfeld zu ihrer Bachelorarbeit auf den Dokumentarfilm "Tomorrow We Disappear" gestoßen und hatte sich dazu entschlossen, nach Indien zu reisen und in der bedrohten Künstlersiedlung zu fotografieren.

Die "Kathputli Colony" ist freilich kaum mehr als ein Slum, in dem seit mehr als sechzig Jahren Straßenkünstler aus ganz Indien leben, insgesamt sind es mittlerweile mehr als 2800 Familien. Die wachsende Hauptstadt ist im Lauf der Jahre ganz nah herangerückt, im Jahr 2009 verkaufte die Regierung das Gelände deshalb an Bauunternehmer, die dort nun eine Shopping Mall und Luxusapartments errichten wollen. Seither ist die Existenz der Puppenspieler, Gaukler, Musiker und Akrobaten bedroht, sie leben in der ständigen Angst vor den Bulldozern, die praktisch jeden Tag kommen könnten.

Über Facebook gelang es Johanna Schlüter, mit einem der Bewohner der Siedlung Kontakt aufzunehmen. Insgesamt eine Woche lang ließ sie sich dann herumführen und fotografierte diesen besonderen Ort, den sie dokumentieren wollte, bevor er für immer verschwindet - tatsächlich ist ihr jedoch mehr gelungen: Ihre Bilder sind beinahe so etwas wie eine Anleitung zum Glücklichsein.

Sie alle strahlen eine große Würde und Zufriedenheit aus, obwohl sie ganz offensichtlich nichts besitzen und um ihr Zuhause, so notdürftig es auch ist, fürchten müssen: der Feuerspucker, der für die Fotografin auf einen Baum geklettert ist und seine Künste vorführt. Der Jongleur, der sein farbenfrohes Kostüm angelegt hat. Der Stelzengeher, dessen Kleider um den mageren Körper schlackern. Der kleine Junge, der sicher nicht älter als zehn Jahre ist und als Akrobat auftritt. Die Zauberer, Tänzer, Musiker und Puppenspieler mit ihren zerfurchten Gesichtern. Der Straßenhändler, der nichts als ein paar Bananen zum Verkauf anbieten kann. Oder die Frau in den bunten Kleidern, die in ihrer improvisierten Küche auf dem Boden sitzt, hinter sich ein erbärmliches Öfchen und vor sich zwei verbeulte Blechtöpfe. Johanna Schlüter zitiert einen der Bewohner, der sie durch die Künstlersiedlung führte, mit den Worten:

"If we have something, we are happy. If we have nothing, we are happy too. That's life."

Farben dominieren das Leben in Indien, auch hier bei den Ärmsten der Armen. Und Farben bestimmen auch die Bilder von Johanna Schlüter. Gekonnt weiß sie die bunten Künstler vor der oftmals bröckelnden Kulisse zu platzieren. Sie geht ganz nah heran, aber die Aufnahmen zeigen: Sie ist nicht respektlos.

Sie führt mit ihren Bildern nichts und niemanden vor, sie fotografiert nicht das Elend, sondern fokussiert sich auf das kleine Glück der Menschen, auf ihre Gesichter. Auch wenn ihre Dokumentation wohl eher dem Bereich der klassischen Reisefotografie zuzurechnen ist und auch wenn sie mit ihrer Umsetzung der überbordenden Farbigkeit solides handwerkliches Können demonstriert, auch wenn sie die Wahl des Ausschnitts und der jeweils richtigen Perspektive mit großer Sicherheit zu treffen weiß, so liegt doch ihre besondere Gabe ganz eindeutig bei der Portraitfotografie: Scheinbar ganz ohne Scheu blicken ihr die Menschen, für die sie eine gänzlich Fremde ist und mit denen sie sich nur über einen Dolmetscher verständigen kann, in die Kamera und lassen sie für einen Moment an ihrem Leben in dieser Kolonie teilhaben.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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