Aus dem Amtsgericht:Stress im Kopf

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Flüchtling wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafe verurteilt

Von Christian Deussing, Starnberg

Der schmächtige Mann hatte sich in der Container-Asylunterkunft im Landkreis von Mitbewohnern bedroht und unterdrückt gefühlt. Die Situation eskalierte im Dezember 2016 in der Küche: Dort warf er laut Anklage einem Zimmergenossen eine Keramiktasse an den Kopf, wobei der 24-Jährige Schnittverletzungen erlitt. Der Angeklagte hatte kurze Zeit nach dem Vorfall laut Polizei unter Alkoholeinfluss zudem eine Passantin in München und Tage später 18 Frauen in der S-Bahn nach Herrsching sexuell belästigt. Dafür wurde er bereits zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Nun musste sich der 25-Jährige vor dem Schöffengericht Starnberg auch wegen der gefährlichen Körperverletzung in der Unterkunft verantworten. "Ich war dort der einzige Christ und hatte mit anderen aus religiösen Gründen Probleme", sagte der anerkannte Flüchtling im Prozess. "Ich hatte Angst um mein Leben und wollte in eine andere Unterkunft ziehen." Das sei aber leider zunächst nicht möglich gewesen, sagte der Angeklagte. Er habe die Tasse in der Küche geworfen, weil er gedacht habe, dass der Mitbewohner ihn "mit einer Gabel erstechen wollte". Der Aufprall der Tasse am Ohrbereich war so heftig, dass sie zerbrach. Der 25-Jährige verwies auch auf einen Vorfall am Tag zuvor in seinem Zimmer, wo er bei einem Gerangel von "einem Messer am Bauch gestreift" worden sei.

Er habe damals "Stress im Kopf gehabt" und sich in einer Ausnahmesituation befunden, betonte der Angeklagte und entschuldigte sich für sein Verhalten. Womöglich hatte sich der Mann seinerzeit deswegen in München betrunken und war in der S-Bahn so schlimm ausgerastet. Jedenfalls bestätigte sein ehemaliger Betreuer, dass der Flüchtling in seiner früheren Unterkunft gemobbt worden sei und eine "angespannte Situation" geherrscht habe. Das Wurfopfer erzählte von "Problemen mit dem Putzplan", aber nicht von religiösen Konflikten.

Nach Ansicht des Staatsanwalts habe sich die Lage in der Unterkunft zugespitzt, die für den Angeklagten bedrohlich erschien. Der Verteidiger sprach von einer "feindseligen Haltung" und dem Druck, unter dem sein Mandant gelitten habe. Der Anwalt verwies auch auf die zunächst vergeblichen Anträge, die Unterkunft deshalb wechseln zu dürfen. Der Tassenwurf sei zwar keine Notwehrreaktion gewesen, doch der Bewohner habe sich damit einer "Bedrohung entziehen wollen", sagte der Verteidiger. Das fand auch die Richterin glaubhaft und verurteilte den Mann wegen gefährlicher Körperverletzung nur zu weiteren sechs Monaten - also nun zu einer eineinhalbjährigen Haftstrafe auf Bewährung und mit 120 Sozialstunden.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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