Asylbewerber und Arbeit:"Die Situation ist dramatisch"

Lesezeit: 2 min

Georg Strasser vom Sprecherrat wartet zum Ausbildungsbeginn auf Arbeitsgenehmigungen für 100 Asylbewerber

Interview von Manuela Warkocz, Starnberg

Mehr als 250 ehrenamtliche Helfer bemühen sich im Landkreis Starnberg, dass Geflüchtete ein Praktikum oder eine Ausbildung machen können oder offiziell arbeiten dürfen. Der restriktive Kurs für Genehmigungen, den das Innenministerium den Landratsämtern vergangenen Herbst vorgeben hat, spiegelt sich auch in Starnberg. Zweidrittel weniger Asylbewerber erhielten seit Jahresbeginn Arbeitsgenehmigungen. Die erneute Öffnung der Genehmigungspraxis durch den Kabinettsbeschluss vom Mai lässt auf sich warten. Georg Strasser, Vorsitzender des Sprecherrates für ehrenamtliche Arbeitsvermittlung des Landkreises Starnberg und Betriebswirt aus Breitbrunn, bangt vor allem um junge Asylbewerber, die zum 1. September eine Ausbildung beginnen wollen.

SZ: Herr Strasser, etwa 100 Asylbewerber schließen jetzt im Juli ihre zwei Jahre in Vorbereitungsklassen für die Berufsschule ab. Sie wären gut vorbereitet für eine Ausbildung. Wie sieht es damit aus?

Georg Strasser: Die Situation ist dramatisch momentan. Die Leute haben Anträge auf Arbeitserlaubnis gestellt, zum Teil seit Jahresbeginn. Aber sie hängen in der Luft, die Firmen auch.

Woran hängt's?

Wir waren erst kürzlich in der Ausländerbehörde in Starnberg. Dort kannte man den Kabinettsbeschluss vom Mai noch nicht. Man hat uns vertröstet, konnte aber keinen Termin nennen, wann und wie die neue Linie umgesetzt wird.

Wer ist hauptsächlich betroffen?

Es geht um Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber trotzdem oft erst nach vielen Jahren abgeschoben werden können; im Landkreis vor allem Männer und Frauen aus Afghanistan, Nigeria und Pakistan. Weil fast alle vor dem Verwaltungsgericht München klagen, sind dort Unmengen an Klagen anhängig. Es dauert nach inoffiziellen Informationen schätzungsweise fünf, sechs Jahre, bis über eine Klage entschieden ist. Selbst wenn dann eine rechtskräftige Ausreisepflicht vorliegt, gibt es oft Abschiebehindernisse, weil die Betroffenen keine Einreisepapiere in ihr Heimatland haben.

Warum fehlen diese Papiere häufig?

In vielen Ländern ist es unüblich, einen Pass zu haben. In Afghanistan zum Beispiel gibt es bis heute keine Passpflicht. Die Meisten haben eine Tazkira, eine Art Geburtsbestätigung. Die wird aber bei uns nicht anerkannt.

Die Frage ist also, was mit den Leuten während der jahrelangen Wartezeit geschieht, bis Papiere beschafft sind.

Genau. Das Kabinett hat ja die Meinung vertreten, dass Geduldete arbeiten dürfen, wenn sie die lange Zeitdauer der eigenen Abschiebung nicht selber zu vertreten haben. Für uns, also die vielen Paten in den Helferkreisen, die Asylbewerber begleiten, ist daher jetzt das allerwichtigste Thema die Arbeitsfrage. Wer eine Beschäftigung hat, lebt doch mit fester Struktur im Alltag, liegt den Asylkassen nicht unnötig lang auf der Tasche, ist besser gewappnet gegen psychischen Stress, den ja ewiges Herumsitzen auslösen kann, und reduziert auch soziale Risiken, Sicherheitsrisiken.

Wenn die Geduldeten arbeiten, kann man sie dann nicht mehr abschieben?

Nein, das ist rechtlich kein Abschiebehindernis. Wir wissen ja, dass in den Flugzeugen durchaus Personen mit Arbeit waren. Das Abschiebehindernis ist in der Regel der fehlende Pass. Der wird nicht deshalb von einem Herkunftsland ausgestellt, weil wir der Person die Arbeit verweigern. Das hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann völlig richtig erkannt. Deshalb will die Bayerische Landesregierung umsteuern. Hoffentlich kommt das bald unten an. Denn jeder, der in Arbeit ist, braucht nur noch 20 Prozent des bisherigen Betreuungsaufwands. Für alle Haupt- und Ehrenamtlichen eine riesige Entlastung.

© SZ vom 19.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: