Es klang fast wie eine Entschuldigung. "Wir haben nicht danach gesucht", versicherte Reinhold Hettrich am Dienstagabend dem Kraillinger Gemeinderat. Der Landschaftsarchitekt vom Münchner Büro PAN hat für die Kommune das Waldgebiet rund um das bestehende Altenheim Maria Eich artenschutzrechtlich geprüft. Hier will die Schober-Stiftung auf knapp 5000 Quadratmetern 38 seniorengerechte Wohnungen für Betreutes Wohnen bauen, die Caritas soll die Einrichtung betreiben. Doch wie sich herausgestellt hat, ist das von Fichten dominierte Waldstück wider Erwarten bereits bewohnt - nämlich von der Haselmaus.
"Das hat so niemand erwartet", sagte Hettrich. Mit geschützten Vogelarten habe man eher gerechnet, doch "brüten tun hier nur Allerweltsarten", fasste Hettrich die ornithologischen Untersuchungen zusammen. Dafür habe der Vogel-Gutachter die kleinen Nagetiere beobachten können, deren Bestand in Bayern als ungefährdet gelte. Europaweit aber ist der Lebensraum der Nager aus der Familie der Bilche bedroht, die Haselmaus deshalb wie Wildkatze oder Apollofalter durch die Habitatrichtlinie streng geschützt. Im Klartext heißt das: Bevor das Betreute Wohnen in Krailling gebaut werden kann, müssen die "sehr schönen Tiere" wie Hettrich sie anhand von Fotos beschrieb, umziehen. Dafür werde man alles tun, versicherte er. Unter anderem vor der Rodung Sträucher in den Grenzstreifen pflanzen, im angrenzenden Wald mindestens zehn Haselmaus-Nistkästen aufhängen und ausschließlich im Januar und Februar die Rodungsarbeiten durchführen, wenn die Haselmaus in den Wurzelhöhlen Winterschlaf hält. Die Wurzelstöcke der gefällten Bäume würden dann erst im Frühjahr entfernt, wenn die nachtaktiven Nagetiere samt Nachwuchs ihre Nester verlassen haben. Trotz all dieser Vorhaben müsse die Gemeinde dennoch eine Ausnahmegenehmigung der Regierung von Oberbayern erwirken: "Denn die Wirksamkeit unserer Anstrengungen werden wir unmöglich nachweisen können."
Soviel Tamtam für ein paar kleine Haselmäuse? Er habe die Viecher auch am Hof, erzählte Landwirt und Gemeinderat Rudolf Heidrich (FBK). "Meine Katzen machen keinen Unterschied", kommentierte er trocken. Silvia Roelcke von der Bürgerinitiative (BI) Bannwald indes freute sich. Sie hatte mit einer Petition an den Landtag vergeblich versucht, den Wald vor einem Eingriff zu schützen. Insgeheim hatte sie gehofft, dass die Gutachter Fledermaushöhlen finden oder aber ein Nest des Grauspechts, dessen Gesang man immer mal wieder aus der Ferne hören kann. Erst im Juli hatte Roelcke eine Waldohreulen-Familie entdeckt, die allerdings keinen besonderen Schutzstatus hat. "Wenigstens die Haselmaus hat kooperiert", sagte sie nach der Sitzung mit einem Lächeln.
Auch wenn sich neben der BI diverse Vereine und Institutionen sowie 15 Kraillinger Bürger mit Einwendungen an die Gemeinde gewandt hatten: Gebaut wird das Betreute Wohnen wohl dennoch. Den "massiven Einwendungen" habe man mit diversen Umplanungen Rechnung getragen, so Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Christian Ufer. "Ich verstehe die Bürger, dass so ein Eingriff schmerzt", sagt er. Schließlich würde in einen Bannwald gebaut, der obendrein Teil eines Landschaftsschutzgebietes und als Erholungswald der Stufe eins deklariert ist. In der veränderten Planung, welcher der Gemeinderat mehrheitlich zustimmte, habe man deshalb südlich des Baugrundstücks eine ebenso große Waldfläche festgelegt. Hier soll zusätzlich zu der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsfläche nach einem Waldkonzept ein hochwertiger Naturraum mit Teich und Totholzbäumen geschaffen werden. Und mit Haselnusssträuchern an den Rändern für die Haselmaus.