Architektur:"Liebe zum Detail"

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Bauherr und Bürgermeisterin verteidigen das umstrittene Wohn- und Geschäftshaus mitten in Gauting. Kritik kommt aus dem Büro, das den Bebauungsplan entworfen hat

Von Michael Berzl

Kein Neubau in Gauting ist so umstritten wie das Wohn- und Geschäftshaus, das jetzt in zentraler Stelle am Hauptplatz steht. Zwei Jahrzehnte hinweg haben die Kommunalpolitiker über das Baurecht auf dem sogenannten Grill-Grundstück gestritten. Bürgermeisterin Brigitte Kössinger hat schließlich mit einer Mehrheit im Gemeinderat jene Dimensionen ermöglich, die nun Form annehmen. Viele Gautinger sind der Ansicht, dass auch dieser Neubau dazu beiträgt, den Ort weiter zu verschandeln. Prompt läuft nun ein Bürgerbegehren gegen das nächste Großprojekt im Ort. Der Unmut über beide Bauten war zuletzt auf der Bürgerversammlung am Montag deutlich zu hören Die SZ befragt dazu Bauherr, Planer, Mitwirkende und Kritiker.

Brigitte Kössinger

Als Bürgermeisterin von Gauting haben Sie zusammen mit einer satten Mehrheit im Gemeinderat den Neubau am Hauptplatz in den jetzigen Ausmaßen ermöglicht. War das ein Fehler?

Die Ermöglichung des Neubaus halte ich nicht für einen Fehler, eher halte ich die jetzige Diskussion für verfrüht. Zunächst muss den Bauherren Zeit gegeben werden, den Bau fertigzustellen und zu beleben, bevor man sich abschließend ein Urteil bilden kann. Ein Bau, an dem noch die Fassadenelemente fehlen, vermittelt wenig Eindruck über das zukünftige Gebäude. Mit dem Baderhof ist eine brachliegende Baulücke im Zentrum Gautings geschlossen worden. Über 18 Jahre hinweg gab es verschiedene Entwürfe und Prüfungen von Möglichkeiten. Der gesamte Prozess wurde von Experten und insbesondere von Professor Fritz Auer begleitet, der vergleichbare und größere städtebauliche Projekte weltweit betreut. Ziel der beteiligten Gremien war es bereits 2008, einen Entwurf für einen markanten Platz auf den Weg zu bringen. Mit dem derzeitig entstehenden Bauvorhaben wurde die Voraussetzung dafür geschaffen. Dadurch kann der Hauptplatz wieder ein attraktives und belebtes Zentrum werden. Letztendlich hat der derzeitige Gemeinderat kurz nach Amtsantritt den bereits in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan abschließend beschlossen. Dieser berücksichtigt sowohl den gemeindlichen Bedarf, Anforderungen an die Nutzung als auch städteplanerische Aspekte. Das Abstimmungsergebnis kam demokratisch, durch eine breite Mehrheit des Gemeinderates zustande.

Udo Köhler

Als Geschäftsführer der Baderhof-GmbH errichten Sie gerade einen Bau, dessen Größe und Gestaltung im Ort sehr umstritten ist. Gefällt er Ihnen?

Der Neubau am Hauptplatz in Gauting setzt städtebaulich Akzente. (Foto: Arlet Ulfers)

Wie Sie sich selbst überzeugen können, haben wir in den ungewöhnlich engen Schranken des Bebauungsplans mit großem persönlichen und finanziellen Aufwand ein Ergebnis erzielt, welches das Zentrum Gautings deutlich aufwertet. Wir sind zurecht stolz auf das Geschaffene. Zugegeben, ich selbst war nie von den Vorstellungen der Planverfasserin Brigitte Henning überzeugt. Dank des Einsatzes von Bürgermeisterin Brigitte Kössinger und dem damit verbundenen Sinneswandel im Gemeinderat, aber auch dank unserer Kompromissbereitschaft, konnte eine Bebauungsvariante erarbeitet werden, die akzeptabel ist. Wir haben unseres Erachtens das Beste daraus gemacht, wenn auch von den einst versprochenen 4200 Quadratmetern Geschossfläche nur etwa 3000 übrig geblieben sind, sind wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es hat sich gezeigt, dass mit architektonischem Geschick, gepaart mit persönlichem Geschmack und Liebe zum Detail ohne Rücksicht auf die Kosten ein Ergebnis möglich ist, welches offensichtlich immer mehr Zuspruch findet. Letztlich sind es vornehmlich Gautinger und Würmtaler, die sich für den Kauf einer Immobilie im Baderhof entschlossen haben. Das befriedigt mich und bestätigt meine Erwartungen. Der Bau an dieser zentralen Stelle des Ortes war eine große Herausforderung, letztendlich aber kann ich ohne Einschränkung sagen: Ja, er gefällt mir.

Christian Kühnel

Das Kreisbauamt in Starnberg, das Sie leiten, hat ein Wohn- und Geschäftshaus genehmigt, das schon in der Planungsphase heftig kritisiert wurde und jetzt angesichts seiner Wirkung noch viel mehr. Warum ist so etwas zulässig?

Auf die Frage, wieso wir das Wohn- und Geschäftshaus in Gauting auf dem sogenannten Grill-Grundstück genehmigt haben, gibt es eine einfache Antwort: Es entspricht den Vorgaben des Bebauungsplans. Bebauungspläne werden von den Gemeinden eigenverantwortlich aufgestellt, haben nach Inkrafttreten den Charakter einer Norm und sind daher von Bauherren und Behörden gleichermaßen zu beachten.

Georg Grill

Als Sprecher einer Erbengemeinschaft und Angehöriger einer alteingesessenen Gautinger Familie liegt Ihnen bestimmt die Entwicklung ihres Geburtsortes, dem Sie ja noch sehr verbunden sind, am Herzen. Mit dem Haus, das jetzt auf dem ehemaligen Grundstück Ihrer Familie steht, machen Sie sich nicht beliebt, oder?

Das merke ich nicht so, ich bin ja nicht mehr oft in Gauting. Was jetzt rausgekommen ist, ist ein Kompromiss; das hat die Gemeinde unbedingt so haben wollen. Da waren im Lauf der Zeit sechs Planer damit beschäftigt. Wir haben alle möglichen Kröten schlucken müssen. Jetzt wird bis ins Detail genau so gebaut, wie die uns das vorgegeben haben. Die Nase vorne raus hat mich schon immer geärgert, das war die Idee der Planerin. Aber Schönheit ist eben Geschmackssache. Da gewöhnt man sich schon dran. Das schaut auch bestimmt besser aus, wenn das Haus einmal belebt ist und die Straße daneben endlich asphaltiert ist.

Brigitte Henning

Aus Ihrem Büro "Zwischenräume" stammt der Bebauungsplan für das Grill-Grundstück und damit die Vorgaben, was dort möglich ist. Dazu gehört die sogenannte Stadt-Loggia, die eher wie ein Klotz wirkt. Gefällt Ihnen das?

Die Frage beschränkt sich auf einen einzigen Aspekt in einem sehr langwierigen Verfahren mit einer komplexen Ausgangslage, einem langjährigen Ringen um sehr hohes Baurecht in einer sehr empfindlichen Lage. Angesichts der teils verfahrenen Ausgangslage und Entstehungsgeschichte ist uns stadtplanerisch doch einiges gelungen. Zum Beispiel der Fußweg an der Würm mit Sicht- und Wegeverbindungen quer zur Würm, der Abstand der Hauptbaukörper zur Würm und damit die Chance für die Auenlandschaft, sich wieder fast bis zur Brücke zu etablieren. Ein positiver Aspekt ist auch die festgesetzte Geländemodellierung, die trotz nötiger Hochwasserrückhaltekapazität eine schroffer aufragende Wand zum Fluss hin unterbindet. Schließlich der gedeckte kleine Platzbereich der Stadtloggia als Vorbereich der das Ortszentrum aktivierenden Nutzung mit Biomarkt und Café und als Ausblick auf die Würm ebenso wie die geschützte Arkade entlang der stark befahrenden Grubmühlfelderstraße. Im Prinzip als gelungen betrachte ich auch die ausgebildete Torsituation zur Ortsmitte am Hauptplatz, wenn uns auch die Materialität des Kopfbaus durch die gewählten Fassadenplatten zu hart erscheint und das ausladende Erdgeschoss zur Würm hin dem Nutzungswunsch geschuldet ist.

Es entzieht sich aber meinem Verständnis wie man entgegen dem ausdrücklichen Anliegen der Gemeinde die papieren wirkende Haut der Fassade zur Würm im Erdgeschoss sowie andere hell verputzte Fassadenbereiche durch eine derartige Großinszenierung mit nahezu schwarzen Entwässerungselementen verunstalten kann. Bedauerlich ist auch, dass die beiden Stützen des Kopfbaus statisch nicht schlank optimiert erscheinen, sondern eher wie Brückenpfeiler wirken, die Loggia verstellen und vermuten lassen, dass hier womöglich zusätzlich Installationen mit untergebracht sein könnten.

Jan Rudolf Chylek

Von Ihnen stammt der erste Entwurf für das Grill-Grundstück, der damals noch vergleichsweise dezent war, aber nicht umgesetzt wurde. Hätten Sie gedacht, dass gut 18 Jahre später so etwas rauskommt, wie jetzt zu sehen ist?

Es liegt mir fern, die Arbeit von Kollegen zu kritisieren, aber aus langjähriger Erfahrung als Architekt und Stadtplaner berichte ich gerne, welche Zutaten für ein gelungenes Projekt unerlässlich sind und welche man gar nicht gebrauchen kann. Es gehören dazu: ein Architekt mit einer genialen Idee, mit einer riesigen Portion Begeisterung und der Fähigkeit, auch andere begeistern zu können, Wohlwollen und gegenseitiges Vertrauen zwischen allen Beteiligten, ein Gemeinderat, der an einem Strang zieht, der das Ortsbild im Auge behält und den Bauherrn und Architekten nicht als Gegner, sondern als Verbündete betrachtet. Was es nicht braucht: Bürgerinitiativen, die lediglich verhindern wollen, aber nichts zur Harmonisierung des Planungsprozesses beitragen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man mit Reduzierung des Maßes der baulichen Nutzung automatisch eine bessere Architektur bekommt. Dass so etwas herauskommt, was jetzt zu sehen ist, hätte ich zwar nicht gedacht, aber es überrascht mich auch nicht.

Architekt Jan Rudolf Chylek. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Bürgerforum, das stets kritisch die städtebauliche Entwicklung in der Gemeinde Gauting beobachtet, hat auf eine E-Mail mit der Bitte um eine Stellungnahme nicht reagiert.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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