Arbeitswelt:Lernen, üben, Spaß haben

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325 junge Menschen haben heuer im Landkreis Starnberg eine Ausbildung begonnen. Aber mehr als 180 Stellen sind immer noch unbesetzt. Dabei hat eine Lehre viele Vorteile

Von Simon Axund Daniela Kreck, Starnberg

325 Jugendliche und junge Erwachsene haben im Landkreis Starnberg im September eine Ausbildung angetreten. Aber immer mehr junge Leute entscheiden sich für ein Studium. 2005 waren das laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung etwa 18 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 25 Prozent, Tendenz steigend. Wie Jens Christopher Ulrich, Pressesprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern, berichtet, leiden Handwerk und Mittelstand unter dem Run auf die Hochschulen. 2017 konnten 1600 Lehrstellen im oberbayerischen Handwerk nicht besetzt werden und das quer durch alle Ausbildungsberufe. Positiv sei zu bewerten, dass mehr Abiturienten einen handwerklichen Beruf erlernen. Vor zehn Jahren hatten nur etwa drei Prozent der angehenden Handwerker Abitur, heute sind es fast zehn Prozent. Laut der Bundesagentur für Arbeit waren Stand 31. August im Landkreis Starnberg 183 von 508 Ausbildungsplätzen nicht vergeben. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. Insbesondere Fachverkäufer im Lebensmittelbereich und Metzger werden gesucht.

Viele junge Leute studieren, weil sie sich dadurch bessere Chancen auf einen Job versprechen, stellt die Handwerkskammer Oberbayern fest. Oft sei aber das Gegenteil der Fall. Immer mehr Studiengänge würden nicht zielgerichtet auf einen Beruf vorbereiten. Das sei bei einer Berufsausbildung mit bundesweit einheitlichen Ausbildungsordnungen anders. Auch sei längst nicht jeder für ein Studium geeignet. Deshalb appelliert die Handwerkskammer an Gesellschaft und Politik, praktische Arbeit wieder mehr wertzuschätzen.

Die Krankenpflegerin

(Foto: Nila Thiel)

Dass auf das Abitur nicht unbedingt ein Studium folgen muss, zeigt Paula Walsemann. Die 20-Jährige aus Gräfelfing hat im Oktober 2017 nach ihrem Abitur mit der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Starnberg begonnen. Später will sie zwar Medizin studieren, doch zuerst will sie praktische Erfahrungen sammeln. "Außerdem ist die Pflege und die Arbeit von Krankenschwestern ja auch ein wichtiger Teil der Medizin", sagt sie. Der Beruf mache ihr Spaß, weil man sehr viel Kontakt mit den Patienten hat und sehr viel für sich selbst lernen könne. Außerdem erfahre man viel Freude und Dankbarkeit während der Arbeit. Die Berufsfachschule für Krankenpflege bietet jedes Jahr 25 Ausbildungsplätze an. Das Klima sei sehr gut, und die Ausbildung sei so aufgebaut, dass sich praktische und theoretische Lerninhalte in Blocks von jeweils vier bis sechs Wochen abwechseln. Zum Ausgleich gehe sie in ihrer Freizeit viel klettern. Auch der soziale Kontakt dürfe nicht zu kurz kommen, obwohl sie in ihrem Beruf natürlich schon sehr viel mit Menschen zu tun habe. Die Berufsfachschule setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Realschulabschluss für eine Aufnahme voraus.

Der Kaufmann

(Foto: Nila Thiel)

Auch Mahmoud Alkhatib hat in seiner Ausbildung viel mit Menschen zu tun, allerdings hauptsächlich telefonisch. Der in Weßling lebende Syrer macht eine Ausbildung zum Kaufmann für Dialogmarketing bei 3M in Seefeld. Der 18-Jährige ist vor knapp drei Jahren mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen. Seine Deutschkenntnisse seien inzwischen sehr gut, so seine Ausbildungsleiterin. Über die Bundesagentur für Arbeit kam er an ein Schnupperpraktikum bei 3 M und hat sich schließlich dazu entschlossen seine Ausbildung dort zu machen. Als Kaufmann für Dialogmarketing habe er später viel mit Kunden zu tun, er wird sich unter anderem um Lieferungen und Leihgeräte kümmern.

Die Friseurin

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die 17-jährige Andrea Höll hat diesen September mit ihrer Ausbildung zur Friseurin im Starnberger Friseursalon Haarartist begonnen. Die Gautingerin hat sich unter anderem für den Friseurberuf entschieden, weil sie es klasse findet, Menschen durch eine neue Frisur zu mehr Selbstbewusstsein zu helfen. "Das kenne ich zumindest von mir", sagt sie. Zuerst wird an Puppen geübt, dann müssen Verwandte und Freunde herhalten, bevor am Kunden gearbeitet wird.

Der Einzelhandelskaufmann

(Foto: Arlet Ulfers)

Bastian Reinhoff aus Pöcking hat gerade mit seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann beim Hagebaumarkt in Starnberg begonnen. Besonders gefalle dem 18-jährigen, dass die Ausbildung sehr vielseitig ist. In der Verwaltung geht die Ausbildung los, darauf folgen unter anderem Baustoffe und die Gartenabteilung. Seine Eltern seien schon langjährige Kunden, das habe ihm die Entscheidung, dort zu lernen, leicht gemacht. In seiner Freizeit betreibt er neben Kampfsport und Parkour auch Turmspringen.

Die Fleischerin

Die Auszubildende Kitti Krujbert-Kocsis. (Foto: Nila Thiel)

Stefan Kandler von der Metzgerei Kandler in Starnberg klagt, dass er seit fünf Jahren schon keinen Azubi mehr hatte, obwohl der Betrieb Verstärkung gut gebrauchen könnte. Vom kommenden Jahr an will er dem Mangel an Auszubildenden entgegenwirken, in dem der Betrieb in Zukunft erst um 5.30 Uhr mit der Produktion beginnt und nicht wie bisher um ein Uhr nachts. Seiner Meinung nach ist das frühe Aufstehen für viele ein großes Hindernis. Auch Otto Ruf, der eine Metzgerei in Seefeld betreibt, ist mit der aktuellen Situation mehr als unzufrieden. "Keiner will sich mehr die Hände schmutzig machen", moniert er. Dieses Jahr hat er Glück gehabt. Gleich zwei Auszubildende haben sich für eine Ausbildung zum Fleischer gemeldet.

Metzgermeister Stefan Kandler. (Foto: Nila Thiel)

Eine davon ist die 17-jährige Kitti Krujbert aus Drößling. Sie findet es toll, dass der Betrieb noch selber schlachtet. Hemmungen dürfe man dabei keine haben. "Das gehört halt einfach zum Beruf dazu", sagt sie. Als ihre Familie vor ein paar Jahren nach Drößling gezogen ist, sei ihr die Metzgerei aufgrund ihrer Qualität gleich aufgefallen.

Glück hatte dieses Jahr auch die Bäckerei Boneberger in Gilching. Ein Bäcker und eine Konditorin haben diesen September eine Ausbildung begonnen. Die letzte ernsthafte Bewerbung sei 2010 gewesen, so der Inhaber. Obwohl die Ausbildungsvergütung für Bäcker angehoben wurde, ist sie mit 500 Euro im ersten Jahr vergleichsweise sehr niedrig. Auch das frühe Aufstehen muss man mögen oder zumindest in Kauf nehmen. Wer unter Siebzehn ist, darf aufgrund des Jugendschutzgesetzes erst um fünf Uhr morgens anfangen. Ab 17 Jahren geht es um vier Uhr los, ab 18 teilweise schon um ein Uhr nachts.

Der Bankkaufmann

(Foto: Nila Thiel)

Matthias Aigner aus Gauting will in Richtung Wirtschaft und hat eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg begonnen. Sein Abitur hat er dieses Jahr im Gymnasium Kempfenhausener gemacht und war schon in der Schule an wirtschaftlichen Themen interessiert. "Meine Mutter und mein Großvater sind auch Richtung Banklehre gegangen. Ich glaube, da haben sie mir ein bisschen den Weg geebnet", erklärt der Gautinger. Er hofft darauf, dass ihm die Ausbildung genauso viel Spaß machen wird, wie seinen Verwandten. "Ich will mit Menschen arbeiten, Kunden beraten und somit Praxiserfahrungen machen", so Aigner. Sein Ziel ist es, seine Ausbildung auf zwei Jahre zu verkürzen und dann mit einem Studium zu beginnen, ebenso Richtung Wirtschaft. "Entweder mache ich ein externes Studium oder eines mit der VR-Bank zusammen", erklärt der 19-Jährige.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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