An der Orgel:Harmonische Komplexität

Lesezeit: 2 min

Geistliche Musik spielten die Sopranistin Elsa Kodeda und Organist Bernard Texier in der Starnberger Stadtpfarrkirche St. Maria vor wenigen Zuhörern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Organist Bernard Texier und die Sopranistin Elsa Kodeda überzeugen bei ihrem Konzert in der Starnberger Stadtpfarrkirche durch intime Spiritualität

Von Berthold Schindler, Starnberg

Wenn man irgendetwas Gutes daran finden möchte, dass sich nur ein mehr als bescheidenes Publikum bei der "geistlichen Musik in der Fastenzeit" in der weiträumigen Stadtpfarrkirche St. Maria einfindet, so könnte man sagen: Es war ein von intimer Spiritualität geprägter Musikabend, den der Kirchenmusikdirektor Bernard Texier an der Orgel mit der russischen Sopranistin Elsa Kodeda gegeben hat. Mit vereinzelt Menschen um sich herum, kann man das Gotteshaus als Steinmonument besser auf sich wirken lassen. Des weiteren trug zur andächtigen Stimmung die Programmauswahl bei, die mit Orgelstücken von Buxtehude, Jan Pieter Sweelinck und Johann Sebastian Bach sowie Vokalwerken von Händel, Vivaldi, Caccini und Carl Philipp Emmanuel Bach einen Schwerpunkt in der Barockmusik hatte; charakteristisch für diese Epoche, vor allem im deutschen Barock, sind gerade in der Sakralmusik Regelmäßigkeit und in seiner Kompositionsanlage architektonische Strenge, die es dem Zuhörer ermöglicht, Ruhe beim Rezipieren zu empfinden; Tonsprache und Rhythmik sind vertraut, bieten eine klangliche Heimat.

Dramaturgisch interessant ist der Aufbau von Johann Sebastian Bachs großem Vorbild Buxtehude, mit dessen Chaconne über den älteren Sweelinck hin zum Leipziger Meister selbst, die steigende technische und harmonische Komplexität innerhalb dieser Trilogie bildet Texier an der Zeilhuber-Orgel plastisch ab. Das vierte Stück ist wiederum eine freie Improvisation über ein Skalenmotiv in einem hohen Manual, wie Vogelgezwitscher klingen die fingerfertig präsentierten Tonreihen. Es tut sich die Assoziation zu Texiers Landsmann Olivier Messiaen, Kompositionslehrer, Komponist und Organist, auf, der auf zahlreichen Weltreisen Vogelgezwitscher aufnahm, um mit deren Klangfarben interpretatorisch zu arbeiten.

Zwischen den solistischen Beiträgen tritt Texier zurück als sensibler Begleiter der Sängerin. Elsa Kodeda, erfahren auf der Opernbühne und als Gesangspädagogin, legt viel Gefühl in Händels "Süße Stille" oder die Passionslieder des Bachsohns Carl Philipp Emmanuel "In Todesangst" und "Erforsche mich". Technisch sind die Arien sauber gesungen, in der Tongebung jedoch verzichtet sie völlig darauf, auch mal eine Note gerade, also ohne Vibrato, zu singen. Der Effekt ist, dass sie einerseits immer warm klingt, das Timbre gefällt. Andererseits ist ein Dauervibrato für die Alte Musik stilistisch nicht angemessen, neben streitbaren Geschmacksgründen vor allem deswegen, weil die Intonation, gerade im Zusammenspiel mit der puristischen Registrierung und Spielart des Organisten, nicht rein klingt. Am anschaulichsten ist dies in der Zugabe zu hören, Händels berühmtem "Ombra mai fu" aus der Oper "Serse", in dem Texier ein sparsames Secco im Vorspiel anbietet, das Kodeda mit Belcanto-Phrasierung beantwortet. Zudem spricht die Emotionalität bereits aus Text und der Harmonie, etwa in den Passionsliedern, ohne dass eine besondere Stimmgebung noch zusätzlich nötig wäre. Folgerichtig glänzt Kodeda am meisten in Faurés "Pie Jesu" aus dessen Requiem, leidenschaftlich und kraftvoll schimmern die Bitten an den Sohn Gottes, den Verstorbenen die ewige Ruhe zu geben; die obertonreiche Akkordmusik im von der Orgel abgedeckten Orchester fordert hier auch das entsprechende Schwingen in der menschlichen Stimme. Der Höhepunkt schließlich kommt im Schlusslied, Caccinis "Ave Maria": Das verspielte Duett zwischen Orgelsopran und dem menschlichen wird mit langem Klatschen gewürdigt.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: