Amtsgericht:Selbstjustiz auf offener Straße

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Zwei Brüder wegen Attacke auf einen Schuldner verurteilt

Von Christian Deussing, Starnberg

Es waren Szenen wie in der Bronx: Zwei Männer stoppen in Starnberg ihr Auto, steigen aus und schlagen einen Fußgänger nieder, den sie noch am Boden liegend mit Tritten traktieren. Das Opfer blutet aus Nase und Mund und erleidet Prellungen. Mit der brutalen Attacke an einem Januarnachmittag im vergangenen Jahr in der Leutstettener Straße sollte der Mann abgestraft werden, der einem der Täter 80 Euro schuldete und eigentlich mit ihnen befreundet ist. Der Hausmeister hatte sich nicht mehr blicken lassen und den Betrag nicht zurückgezahlt. Die einschlägig vorbestraften Angreifer, Brüder im Alter von 29 und 31 Jahren, wurden am Dienstag vom Amtsgericht Starnberg wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Während der ältere Angeklagte mit einer dreijährigen Bewährungszeit davonkam und 3000 Euro an die Tabaluga-Stiftung zu zahlen hat, muss der jüngere Bruder ins Gefängnis. Denn der 29-jährige Starnberger hatte zur Tatzeit noch zwei Bewährungsstrafen offen - wegen Drogendelikten und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Damit droht diesem Angeklagten nun eine Haftstrafe von gut drei Jahren. Der junge Mann, der in der Gastronomie tätig ist, nahm das Urteil regungslos auf. Er wird wohl in Berufung gehen.

Er hatte sich im Prozess erst spät teilweise geständig gezeigt. Das sei auch eher "taktisch" gewesen, sagte Amtsrichter Franz von Hunoltstein und sah keine Chance mehr, dem 29-Jährigen nochmals eine Bewährung zu gewähren, auch wenn beim Täter-Opfer-Ausgleich 3200 Euro gezahlt worden seien. Erschüttert zeigte sich der Richter über die "brutale Selbstjustiz auf offener Straße mitten in Starnberg". Er fragte sich, was die Brüder erst mit Leuten machen würden, die nicht ihre Freunde seien. Das Gericht ging davon aus, dass die Angeklagten "gemeinsam zugeschlagen und gestiefelt haben". Es beruft sich vor allem auf die Aussagen eines unbeteiligten Zeugen vor der Polizei.

Auch der Staatsanwalt sprach von einem "Akt der Selbstjustiz" und forderte für beide Brüder eine jeweils zehnmonatige Haftstrafe ohne Bewährung - auch wenn womöglich der Jüngere bei der Attacke "weniger aktiv" gewesen sei. Der Verteidiger des 29-Jährigen verwies auf die Vorgeschichte des Vorfalls, denn sein Mandant sei von seinem "besten Freund gelinkt" worden, der sich verleugnen ließ und auch über Whatsapp nicht mehr zu erreichen war. Dann habe sich zufällig die Chance ergeben, den Schuldner zur Rede zu stellen, der sich aber widerwillig verhalten habe, betonte der Anwalt. Leider habe sich dann die Sache "aufgeschaukelt".

Auch der Anwalt des älteren Bruders versuchte, eine Freiheitsstrafe zu verhindern. Denn man müsse den "erheblichen Vertrauensbruch und die menschliche Enttäuschung" durch den Freund als Motiv berücksichtigen. Nach dem Vorfall habe es außerdem Gespräche zwischen den Familien gegeben, um sich zu einigen und auszusöhnen. Der Verteidiger plädierte daher auf einen "minder schweren Fall" der gefährlichen Körperverletzung.

Bei ihrem letzten Wort erklärten die Brüder abermals, dass ihnen die Attacke von damals leid tue. Sie baten das Gericht darum, nochmals "eine Chance zu bekommen".

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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