Adventsbräuche:Weihnachten zum Anfassen

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Das Warten gehört dazu: der Starnberger Willi Großer beim Aufbauen seiner Krippe. (Foto: Arlet Ulfers)

Nach und nach bestückte Krippen prägten einst das Fest. Willi Großer aus Starnberg hält an der Tradition fest, das Marienmünster zeigt das eindrucksvollste Exemplar im Fünfseenland

Von Katja Sebald, Starnberg

Ende August liegen die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen, Ende September werden die neuen Trendfarben für den Weihnachtsschmuck ausgerufen. Und Ende Oktober gibt es die ersten Christkindlmärkte. Kein Wunder, dass in unseren eiligen Zeiten der modische Weihnachtsbaum oft schon im Advent aufgestellt wird. Früher war der heimlich hinter verschlossen Türen am Nachmittag geschmückte Christbaum, den die Kinder erst nach einem Glöckchenzeichen sehen durften, der Höhepunkt des Heiligen Abends - längst steht er im Schatten der drumherum immer höher angehäuften Geschenke.

Wenn Willi Großer aus Starnberg, Jahrgang 1934, sich an die Weihnachtsfeste seiner Kindheit erinnert, dann ist ihm besonders die Krippe seines Urgroßvaters in Erinnerung geblieben, die geheimnisvoll und feierlich von einem "Hindenburglicht", dem kriegstauglichen Vorläufer des Teelichts, hinter einer roten Glasscherbe illuminiert wurde. Im Erwachsenenalter wurde Großer zum echten "Kripperlnarr", wie er selbst sagt. Die ersten Krippenfiguren kaufte er Anfang der Sechzigerjahre für 22,50 Mark in Oberammergau, später leistete er sich anstatt eines Sommerurlaubs lieber kunstvolle Schnitzfiguren aus der Werkstatt von Benno Gantner in Percha.

Tatsächlich ist das Aufstellen einer Weihnachtskrippe zumindest in Bayern eine deutlich ältere Tradition als der Christbaum, der wohl erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit den protestantischen Königinnen Caroline und Therese am Münchner Hof eingeführt wurde. Zunächst bekam wohl jeder Beschenkte sein eigenes geschmücktes Bäumchen mit darunter liegenden Geschenken. Auch Franz von Pocci berichtet 1859 in seiner Geschichte von "Kasperles Weihnachten" von diesem Brauch. Vom Adel übernahm das aufstrebende Bürgertum den neuartigen Christbaum, es sollte jedoch noch einige Jahrzehnte dauern, bis er auch in den ländlichen Regionen im katholischen Bayern heimisch wurde.

Die Krippe hingegen kam als Mittel der Volkserziehung im Zuge der Gegenreformation nach Bayern. 1562 berichten die Prager Jesuiten in einem Brief nach Rom von einer "sehr wirklichkeitsgetreuen Darstellung des Geschehens der Heiligen Nacht", die sie in ihrer Kirche aufgebaut hatten. 1607 stand dann in der jesuitischen St. Michaelskirche erstmals eine Krippe in München: Mit großen, sehr lebensechten Gliederpuppen machten die Jesuiten für die Gläubigen das Weihnachtsgeschehen begreifbar.

Teile dieser ältesten Krippe haben sich bis in unsere Zeit erhalten. Ein eindrückliches Beispiel für die aus der Gegenreformation entstandene barocke Prachtentfaltung ist das Dießener Marienmünster mit seinem "Theatrum Sacrum", seinem heiligen Theater. Der Hochaltar, einer der größten Deutschlands, geht auf einen Entwurf von Francois Cuvilliés zurück und verfügt über einen komplizierten Mechanismus, der es erlaubt, das eigentliche Altarbild mit der Himmelfahrt Mariens zu versenken und wie auf einer Bühne ein zu den jeweiligen hohen Feiertagen passendes Heiligen-Personal zu zeigen: An Weihnachten verwandelt sich diese Mysterienbühne, die bayernweit als einzige ihrer Art erhalten ist, in eine riesige Krippe.

Ob nun aber in der Stube der Familie Großer, in der Michaelskirche in München oder im Dießener Marienmünster: Gemeinsam ist allen Krippen, dass sie erst am Weihnachtsfest das Jesuskind in der Krippe zeigen. Auf dem Dießener Altar ist jetzt noch eine Verkündigungsszene zu sehen, in St. Michael verbirgt ein Vorhang, was dahinter derzeit in vielen Stunden aufgebaut wird. Und Willi Großer fertigt in der Adventszeit zunächst einen feinen Moosteppich, richtet alles her und stellt nach und nach erst Ochs und Esel, dann vielleicht einen Hirten auf. Für ihn ist eine lebendige, ja sprechende Krippe der Mittelpunkt von Weihnachten - das geduldige Warten gehört unbedingt dazu.

Am Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar werden die Figuren der Heiligen Drei Könige dazu gestellt, danach bleibt die Krippe bis zum Ende der Weihnachtszeit stehen. Diese hört keineswegs mit dem Dreikönigstag auf, wenn überall die nadelnden Christbäume aus den Wohnzimmern fliegen, sondern erst an Lichtmess am 2. Februar. In den Supermärkten wird es dann schon Ostereier geben.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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