Wirtschaft:Unter grüner Flagge an die Börse

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Da jubelt die Belegschaft in Seefeld: Es ist der Moment, als an der Wall Street der Börsengang der neuen Aktiengesellschaft Solventum gefeiert wird. Ein Grund zum Feiern ist das auch für Bettina Richter vom Leitungsteam und die Standortleiterin Sarah Hinrichs (rechts im Bild) (Foto: Nila Thiel)

Neue Farbe, neuer Name, neue Aktiengesellschaft: Aus dem Gesundheitsbereich von 3M wird Solventum. Die Abspaltung betrifft auch den Standort in Seefeld mit etwa 850 Beschäftigten.

Von Michael Berzl, Seefeld

Alles grün: Hemden und Blusen, Krawatte und Schal, die Papiertischdecken und Servietten in der Firmenkantine in Seefeld, selbst eine Säule wurde dort im letzten Moment neu gestrichen, damit sie ins Bild passt. Grün ist die Zukunft, es ist die Farbe der neuen Firma Solventum, eine Abspaltung von 3M. Die Aktien werden seit dieser Woche an der Börse in New York gehandelt, und dieses Ereignis wurde am Mittwoch mit großem Bohei gefeiert; an der Börse, in Betrieben auf der ganzen Welt und auch in Seefeld, wo nun 850 Mitarbeiter bei Solventum beschäftigt sind und nicht mehr bei 3M Espe. Die bisherige Signalfarbe rot wird nun nach und nach verschwinden.

Warum das Ganze? Etwas vereinfacht ausgedrückt, hat der international tätige Konzern 3M mit Tausenden Produkten und Patenten seinen Gemischtwarenladen etwas aufgeräumt. Da gehört bisher ein Artikel dazu, den wohl jeder kennt: die gelben Klebezettel, die Post-its, außerdem Reflektorfolien und diverse Industrieprodukte, auf der anderen Seite der Gesundheitsbereich, in dem unter anderem Spezialgeräte für Zahnärzte entwickelt und hergestellt werden. Dieser Bereich, zu dem auch der Standort in Seefeld mit etwa 850 Beschäftigen gehört, ist nun abgespalten und hat einen neuen Namen. Investoren mögen das so lieber, meint Bettina Richter aus dem Leitungsteam.

Der Technologiekonzern 3M mit Hauptsitz in Saint Paul in Minnesota hat zwei Jahre auf die Aufteilung in zwei Unternehmen hingearbeitet. Das kleinere davon widmet sich den Bereichen Wundversorgung, Gesundheits-IT, Mundpflege und biopharmazeutische Filtration und hat an diversen Standorten weltweit insgesamt etwa 22 000 Mitarbeiter. Der neue Name setzt sich aus den Wörtern Solving und Momentum zusammen. Assoziationen an Problemlösungen und schnelle Innovation sollen darin anklingen. Das dazugehörige Logo ist ein grünes S.

In Seefeld ist es Mittwochnachmittag, als der Neuling an der New Yorker Börse groß gefeiert wird. Dort ist es früher Vormittag, der Handel beginnt gerade erst. Mehr als hundert Solventum-Mitarbeiter sind in der Firmenkantine in Seefeld versammelt, um auf einem großen Bildschirm den feierlichen Moment live mitzuverfolgen, wie ihr oberster Chef Bryan Hanson zu Tränen gerührt eine Ansprache hält, von einem emotionalen Moment spricht und dann die Glocke zur Eröffnung des Handels läuten darf. Das ist eine Tradition an der New Yorker Börse, der mit einigem Pomp inszeniert wird.

Der Neuzugang eines Unternehmens an der Börse in New York ist etwas Besonderes. Am Mittwoch wird dort der Start von Solventum gefeiert. (Foto: Peter Morgan/AP)

In Seefeld bricht Jubel aus, Standortleiterin Sarah Hinrichs und ihre Mitarbeiter schwenken grüne Fähnchen. Lach-Smileys schwärmen über die Leinwand, die ebenfalls jubelnden und Fähnchen schwenkenden Kollegen an anderen Standorten weltweit werden eingeblendet. Abspaltung und Börsengang scheinen für die Belegschaft ein Grund zum Feiern zu sein.

Es ist eine Firma mit treuen Mitarbeitern, die lange bleiben. Bettina Richter etwa ist schon 27 Jahre bei dem Unternehmen, beschreibt es als besonders attraktiven Arbeitgeber und hofft nun unter dem neuen Namen auf Wachstum. Oder Chemiker Robert Peez, der in Seefeld den Bereich Forschung und Entwicklung leitet und schon mehr als 20 Jahre dabei ist. Er gerät ins Schwärmen, wenn er von dem Einfallsreichtum in der Zahnmedizin spricht. Mit einer Tasse, Zuckertütchen und kleinen Kaffeesahne-Döschen demonstriert er, wie ein Spezialkleber für Zahnkronen funktioniert und nach Bestrahlung mit blauem Licht aushärtet. "Einfacher, schneller, besser, langlebiger", das sei die Devise bei der Entwicklung neuer Produkte. Dafür arbeite man mit Universitäten und Zahnärzten zusammen, beobachte intensiv die Arbeit in Praxen, um die Bedürfnisse dort zu ergründen.

Bettina Richter vom Leitungsteam in Seefeld bei der Verleihung des Wirtschaftspreises in Tutzing vor eineinhalb Jahren. (Foto: Arlet Ulfers)
Das Firmengelände oberhalb von Seefeld. Espeplatz 1 lautet die Adresse. (Foto: Espe-Fotos)

"Das neue Unternehmen Solventum verkörpert unsere Mission, das Gesundheitswesen besser, intelligenter und sicherer zu machen, um so Leben zu verbessern", hatte noch vor dem Börsengang Bryan Hanson angekündigt, der als Chief Executive Officer den Geschäftsbereich Gesundheitswesen von 3M leitet. Bisherige 3M-Aktionäre haben für jeweils vier Aktien von 3M eine Aktie von Solventum ins Depot eingebucht bekommen. Der Kurs ging laut dem Wirtschaftsportal Bloomberg an der Wall Street aber erstmal nach unten.

Bei der Umstellung hat es in den Standorten wohl auch etwas geruckelt. "Neue Hardware, neue Passwörter, verschwundene E-Mails und fehlende Zugänge zu wichtigen Anwendungen", so klagt der Landsberger Produktionsleiter Andreas Lechner rückblickend in der Mitarbeiterzeitschrift. Der Übergang von 3M zu Solventum habe den Arbeitsalltag nicht gerade erleichtert.

Mit der Solventum-Gründung ist nun im Landkreis Starnberg ein weiteres börsennotiertes Unternehmen vertreten. Viele davon gibt es dort nicht, nur etwa eine Handvoll. Dazu zählen die Hönle AG in Gilching, DCI in Starnberg, Mensch und Maschine in Weßling, die Firma Intertainment des Filmrechtehändlers Felix Petri in Feldafing und das auf Laser-Kommunikation spezialisierte Technologieunternehmen Mynaric mit Sitz auf dem Gelände des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen.

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