Städtebau in Pasing:Pasinger Alternative zum Marienplatz

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Massive Eingriffe in Pasing: Der Bezirk wird vollständig rundumerneuert. (Foto: SZ-Grafik)

Im Münchner Westen findet ein beispielloser Umbruch statt: Das Pasinger Zentrum wird vollständig rundumerneuert - und soll eine echte Konkurrenz zur Münchner Innenstadt werden.

Von Alfred Dürr

Wer erleben will, wo und wie München seine Gestalt am stärksten verändert, muss sich an die Peripherie der Stadt begeben. Buchstäblich auf grünen Wiesen, auf ehemaligen Industriebrachen, Kasernenarealen, früheren Flächen der Bahn und auf dem einstigen Gelände des Flughafens sind moderne Siedlungen entstanden. Das Weiterbauen, Renovieren und Umstrukturieren geht in München immer weiter - etwa am westlichen Stadtrand, auf der riesigen Fläche Freihams. Hier wird ein ganzes Quartier völlig neu geplant.

Gar nicht weit entfernt davon, im Zentrum von Pasing, findet ein beispielloser Umbruch statt, jedoch nicht auf freiem Feld. München wandelt sich deutlich in Pasing - innerhalb bestehender Strukturen. Städtebauliche Verbesserungen und Neubauten gibt es in anderen Traditionsvierteln auch, aber nirgends sind die Eingriffe in das Vorhandene so massiv wie in Pasing. Dieser Bezirk erhält weit mehr als eine Schönheitskur, er wird vollständig rundumerneuert.

All das ist mit Umbaustress, Veränderungen bei den gewohnten Wegen sowie mit neuer Architektur verbunden. In Pasing ist schon viel geschafft, aber noch immer bestimmen die Baustellen das Bild. Den Anwohnern und auch Geschäftsleuten machen solche Übergangsprozesse vom Alten zum Neuen verständlicherweise keinen Spaß. Für jede Menge Diskussionsstoff ist gesorgt. Verbesserungs- und Veränderungsvorschläge im Detail gibt es in Hülle und Fülle.

"Im Prinzip ", zieht der Vorsitzende des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing, Christian Müller (SPD), Bilanz, "ist das Projekt Pasing gelungen." Was an neuen "räumlich Qualitäten" geschaffen wurde, sei außergewöhnlich und bemerkenswert.

Autos aus Pasinger Zentrum verbannen

Auch Thomas Rehn, der im städtischen Planungsreferat unter anderem für Pasing zuständig ist, wehrt sich gegen Bedenkenträger und Skeptiker: "Der Bezirk hat unglaublich gewonnen." Die Planer müssen einen schwierigen Balanceakt vollziehen: Was kann man dem Stadtteil an Neuem zumuten, ohne dass das Alte und Charakteristische zugrunde geht?

Der starke Verkehr auf der Landsberger Straße, die mitten durch das Zentrum führt, hat Pasing jahrzehntelang beeinträchtigt. Das bezog sich nicht nur auf die Lebensqualität, sondern auch auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Geschäftswelt. Pasing hatte alteingesessene und attraktive Läden, aber die Kundschaft schätzte dann doch eher das Shoppen in der Kaufingerstraße oder an anderen Stellen in der Münchner Innenstadt mit dem vielfältigen Angebot. Der Niedergang wurde immer greifbarer, die alten Läden in Pasing sind verschwunden.

Wichtigstes Ziel war es also, die Autos weitgehend aus dem Pasinger Zentrum zu verbannen und sie über eine Umgehungsstraße entlang der Bahngleise zu leiten. Das wiederum wurde möglich, weil die Bahn ihre Grundstücke für neue Nutzungen freigab. Der Effekt für das Stadtteilzentrum um den Marienplatz, die Gleichmannstraße und die Bäckerstraße war klar: Es sollte Raum fürs Flanieren und Verweilen geschaffen werden. Der Bahnhofsplatz soll trotz aller Geschäftigkeit und Hektik ein "stressfreier Ort" sein.

Es war ein durchaus mutiger Schritt, mit den "Arcaden" direkt neben den denkmalgeschützten Bahnhof des Architekten Georg Friedrich Christian Bürklein aus dem Jahr 1847 ein lang gestrecktes, mächtiges Einkaufszentrum zu setzen. Das Münchner Architektenbüro Allmann Sattler Wappner hat einen Multifunktions- oder Hybridbau entworfen, den es in dieser Form in München noch nicht gibt. Einkaufen, Gastronomie und auf dem "Oberdeck" auch Wohnungen: Das setzt einen ungewöhnlichen Akzent, der weit über den gestalterischen Einheitsbrei in manchen Neubausiedlungen hinausgeht.

Nicht jedem gefallen aber die langen Fluchten und das glatte, moderne Erscheinungsbild, das sich deutlich von anderen Shopping-Malls abhebt. "Wir hatten Sorgen, ob das funktioniert", sagt Rehn. Diese Gedanken seien inzwischen widerlegt. Die Geschäfte seien hochwertig, sie öffneten sich teilweise über Schaufenster nach außen. Die Mall sei kein isolierter Ort, sondern mit der Umgebung verbunden.

Die Frage ist nach wie vor, ob diese schöne neue Einkaufswelt am Bahnhof nicht ein Aufblühen neuer Geschäfte im gewachsenen Zentrum blockiert. Immer wieder kommt das Argument, dass man dem Shopping-Riesen nur mit besonderen Läden und gastronomischen Betrieben etwas entgegensetzen könne. "Mit einer einfachen Eisdiele, einem Handyladen oder noch einer Filiale einer großen Firmenkette ist es nicht getan", sagt Christian Müller, der BA-Vorsitzende.

Entlastung durch sogenannte Subzentren

Die Perspektive für die neue urbane Erlebniswelt ist beachtlich. Über den Bahnhof war Pasing schon immer bestens erschlossen. Bis Ende des Jahres wird wohl auch die Verlängerung der Tram 19 zum Bahnhofsplatz fertig sein, damit man besser von der Straßenbahn zur S-Bahn und zu den Fernzügen umsteigen kann.

Mit dem umgestalteten Zentrum wird es noch attraktiver, in Pasing zu wohnen. Wo jahrelang nichts voran ging, entstehen auf ehemaligen Gewerbeflächen Quartiere, deren Bewohner sich nicht mehr weit bewegen müssen, um städtisches Flair zu genießen. Dass nun in der Diskussion ist, ob an die Offenbachstraße möglicherweise ein Kino kommt, gilt als weiteres Zeichen für die gestiegene Attraktivität Pasings.

Nicht nur die Bewohner eines traditionell eigenständigen und selbstbewussten Stadtteils sowie der weitere Einzugsbereich profitieren von dieser Entwicklung. München ist sehr stark auf seine Altstadt und die Fußgängerzone hin orientiert. Ein wenig Entlastung durch sogenannte Subzentren kann da nicht schaden. Und wenn sie dann noch so schön werden wie im umgekrempelten Westen - umso besser: Der Pasinger Marienplatz als Alternative zum Marienplatz in München.

© SZ vom 18.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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