Stadtrat:Mehr als ein 40-Stunden-Job

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Mit 23 Jahren ist die Grüne Clara Nitsche die Jüngste im neu gewählten Gremium

Von Anna Hoben

Wie sie gewesen sind, die ersten knapp acht Monate als Stadträtin? Da atmet Clara Nitsche am Telefon erst einmal tief durch. Es sei schon schwierig, sagt sie dann, unter diesen Bedingungen in so ein neues Amt hineinzuwachsen. Politik lebt von Austausch; das gegenseitige Kennenlernen in der Fraktion, aber auch im gesamten Stadtrat gestaltete sich schwierig. Zu den Corona-Beschränkungen kam, dass der Umzug der Grünen-Fraktion im Rathaus noch nicht beendet ist. "Wir hatten keinen Raum, in dem wir uns treffen konnten." Auch dass der Stadtrat gleich mit einer durch die Krise verursachten schwierigen Haushaltslage konfrontiert war, sei "eine sehr besondere Situation" gewesen. Statt zu überlegen, wofür sie Geld ausgeben möchten, mussten die Stadträte überlegen, wofür sie überhaupt noch Geld ausgeben können - und sich dazu hauptsächlich in Videokonferenzen besprechen.

Auf der anderen Seite waren da viele positive Erlebnisse: Nitsche, 23, wurde in den Fraktionsvorstand gewählt, "ein echter Vertrauensvorschuss", sagt sie. Auch inhaltlich ist sie zufrieden, die Grünen hätten viele Schwerpunktthemen setzen können. Nitsche spricht über künftige Wohngebiete, über Vorgaben für Investoren, über Schanigärten und Radwege. Für manches sei die Krise ein Beschleuniger gewesen. Aber auch im Sozialbereich, in dem sie hauptsächlich tätig ist, sei viel geschafft worden. Besonders freut sie sich über die Spendenkampagne für die Seenotrettung, die der Stadtrat in der letzten Sitzung vor Weihnachten beschlossen hat. "Dafür haben wir so lange gekämpft, da hätte ich mir mehr Aufmerksamkeit gewünscht."

An ihren ersten Redebeitrag im Plenum kann sie sich noch gut erinnern. Das war im Oktober im Löwenbräukeller, es ging darum, wie junge Menschen durch die Krise kommen. "Schon ziemlich aufgeregt" sei sie da gewesen, aber das sei schnell verflogen. Es half, dass sie direkt vor ihrer eigenen Fraktion stand und in vertraute Gesichter blickte. Im Stadtrat ist Nitsche mit Abstand die Jüngste - negative Erfahrungen wegen ihres Alters habe sie bisher aber nicht gemacht, sagt sie. Eher komme so etwas mal von außerhalb. Da heißt es dann etwa: Das machen wir schon seit 20 Jahren so. Oder: Sie können ja nicht wissen, wie das läuft. Am meisten Spaß macht ihr der Austausch, etwa mit den freien Trägern im Sozialbereich. Weniger begeistert ist sie davon, wie viel Zeit für organisatorische Dinge draufgeht. Gerade hat die Studentin der Sozialen Arbeit ihre Bachelorarbeit abgegeben. Jetzt ist sie für Jura eingeschrieben. Langweilig dürfte ihr nicht werden, denn die Stadtratsarbeit sei schon "mehr als ein 40-Stunden-Job", sagt sie. "Aber ich mache es aus Überzeugung."

© SZ vom 30.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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