Wintersport:Anreiz für den Anschieber

Lesezeit: 3 min

Der Freisinger Marc Rademacher startete bei der WM im Vierer-Bob - sein Sport kämpft in der Region ums Überleben

Von Christoph Leischwitz, München

Marc Rademacher wirkt gut trainiert, er hat in seinem Leben auch schon viel Mixed Martial Arts betrieben, Kampfsport, man darf also annehmen, dass er nicht allzu schnell aus der Puste kommt. Doch selbst drei Tage nach seiner Heimkehr von der Bob-Weltmeisterschaft in Winterberg, die am Sonntag zu Ende ging, sagt der Freisinger: "Ich bin ziemlich erledigt. Zum einen von der ganzen Saison. Aber die beiden Renntage allein - das zehrt schon ganz schön."

Rademacher, 24, ist einer von drei Anschiebern im Vierer-Bob von Pilot Christoph Hafer, und damit einer von ganz wenigen Sportlern aus der Region, die diesen Sport hochklassig betreiben. In Winterberg belegte das Team am Ende immerhin Platz 16 von 20 Teilnehmern. Damit waren sie zufrieden. Denn es ging darum, Erfahrung zu sammeln, den Sport auch mal mit vielen Zuschauern zu erleben. Darum, sich zumindest ein wenig als Profi zu fühlen.

Die WM-Teilnahme war eine Belohnung gewesen. Dafür, dass sie wenige Wochen zuvor in Altenberg etwas überraschend die Junioren-WM gewonnen hatten. "Es ist eine tolle Sache, dass der Verband den Junioren-Sieger zur WM schickt", findet Rademacher. Für ihn selbst war es erst das zweite Jahr in der Röhre, es ging alles sehr schnell, doch jetzt "bin ich total angeheizt", sagt Rademacher und lacht. Er würde gerne Profi werden.

Ab in die Röhre: Christoph Hafer lässt sich bei der WM von Marc Rademacher (Mitte hinten) anschieben (Foto: Getty)

Die Anstrengungen werden oft unterschätzt. Nicht nur, weil die knapp 30 Meter Anschub, mehrmals am Tag, mehr Körner kosten als der Zuschauer vor dem Fernseher ahnt. "In Winterberg hatten wir zum Glück eine Garage. Aber trotzdem muss man ja den Bob die ganze Zeit hin und her tragen", sagt Rademacher. Außerdem gehe man auch während der Wettbewerbe in den Kraftraum. Die mentale Anstrengung, die Konzentration auf die Bewegungsabläufe, sei ebenfalls sehr groß.

Angesprochen wurde Rademacher einst wegen seiner Statur. Ein Arbeitskollege dachte sich: Ein junger Mann mit 1,94 Meter Körpergröße und einem Gewicht von 110 Kilo, der kann bestimmt ganz gut anschieben. "Dann muss man ja erst einmal schauen, ob es einem gefällt", sagt Rademacher. Es gebe zum Beispiel nicht wenige, denen bei der Fahrt mit gesenktem Kopf regelmäßig schlecht werde.

Die Athleten-Zielgruppe ist klein, der Zeitaufwand sehr groß. So ist der Bobsport, nicht nur in und um München, kaum merklich in einen Winterschlaf verfallen, der freilich jetzt, da es wärmer wird, nicht aufhört. Normalerweise beginnt nun die Zeit, in der Leichtathleten und Kraftsportler in Olympiastützpunkten angesprochen werden, um an einem ersten Lehrgang in Berchtesgaden teilzunehmen. Doch das Interesse an einer Parallel-Karriere im Eiskanal hat in den vergangenen Jahren spürbar nachgelassen. So hat zum Beispiel die Bobabteilung der traditionsreichen SpVgg Unterhaching seit Herbst keinen einzigen Piloten mehr - dabei gibt es in Bayern ohnehin nur sechs Klubs, die Bobsport anbieten. "Unser Pilot Matthias Böhmer sagte uns, dass er sich für den Beruf entschieden hat", berichtet SpVgg-Abteilungsleiter Georg Wörle - er habe es nicht geschafft, in die absolute Weltspitze vorzufahren. Und damit seien auch die Anschieber bald nicht mehr da gewesen. Denn der Pilot ist meist auch eine Art Manager des Teams, wenn er aufhört, gibt es schlicht keines mehr.

Wörle sagt, dass der Weltverband FIBT schon seit längerem versucht, Anreize zu schaffen, um den Sport wieder beliebter zu machen. Doch einige Maßnahmen liefen ins Leere. So helfe es zum Beispiel wenig, wenn der Verband das Mindestalter für Piloten auf 16 Jahre senkt, dieser Pilot dann aber keinen Führerschein besitzt, um den Bob zu Wettkämpfen zu fahren.

Die bayerischen Funktionäre haben sich am vergangenen Montag noch einmal in München zusammengesetzt und beraten. Es würden nun in Bayern regionale Stützpunkte aufgebaut, einer auch in München. Außerdem sollen die Mitarbeiter an den Olympia-Stützpunkten nun wieder verstärkt Werbung machen. Wenn dann im Laufe des Sommers neue Teams gebildet werden sollten, besteht für Wörle als Vereinsvertreter die wichtigste Aufgabe darin, potenzielle Sponsoren zu finden, um sprichwörtlich Anschubhilfe leisten zu können. Diese belaufe sich auf 10 000 bis 15 000 Euro für eine Saison, weiß Wörle. Er ist zuversichtlich, das Geld zusammenzubekommen.

Marc Rademacher ist schon vergeben, er geht mit seinem Piloten Christoph Hafer für den südlich von Bad Aibling gelegenen BC Bad Feilnbach an den Start. "Ich hoffe, dass ich jetzt in die Sportförderung rutsche", sagt er - der Junioren-WM-Titel dürfte dabei ziemlich hilfreich sein. Die finanzielle Unterstützung wäre für ihn fraglos sehr wichtig. Denn wenn er dem Bobfahren verbunden bleiben will, könnte er seinen jetzigen Beruf als Fluggerätemechaniker kaum weiterführen. Er hat jetzt, Mitte März, nur noch fünf Urlaubstage übrig. Und die Saisonvorbereitung beginnt für Bobfahrer tatsächlich schon im Juni: Mit Anschub-Maschinen auf der Tartanbahn.

© SZ vom 14.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: