Wasserball:Ende der Flaute

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Die halbe Miete: Münchens langjähriger Torwart Viktor Sipos wird an diesem Wochenende noch einmal aushelfen. Eigentlich hat er aufgehört. (Foto: Claus Schunk)

Das Ziel der SG Stadtwerke München ist klar: der Erstliga-Aufstieg. Mit der Rückkehr ins Olympiabad stimmen für die Wasserballer nun auch die Rahmenbedingungen.

Von Sebastian Winter

Ivan Mikic hat gerade ein Problem. Es ist ein ziemlich großes Problem, jedenfalls in einer hierzulande verhältnismäßig kleinen Sportart wie Wasserball. Denn Mikic, der Spielertrainer des Zweitligisten SG Stadtwerke München, hat keinen Torwart. Nun ja, er hat eigentlich zwei, Philip Siebenhaar und David Dalic heißen sie. Aber erstens hat sich Dalic kürzlich bei einem Trainingsspiel an den Adduktoren verletzt, und zweitens hat Mikic kein so gutes Gefühl, sie an diesem Wochenende zum Liga-Saisonauftakt ins kalte Wasser zu werfen. Denn Siebenhaar und Dalic sind beide erst 15.

Wer weiß, wie hart es beim Wasserball mitunter zugeht, auf und unter dem Wasser, der kann sich ungefähr vorstellen, was die beiden erwartet. Am Samstag (18.30 Uhr) misst München sich in der ersten Runde des Süddeutschen Wasserballpokals auswärts mit Ligakonkurrent WSV Ludwigshafen, am Sonntag (12 Uhr) empfängt die SG im ersten Zweitligaspiel den VfB Friedberg. Schwere Gegner sind das, auch deshalb holt Mikic Viktor Sipos, den langjährigen Keeper der SG, vermutlich wieder zurück, wenn auch nur fürs kommende Wochenende.

Sipos ist eigentlich zurückgetreten, um seine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker voranzutreiben; später möchte er den Meister machen. "Meine größte Sorge ist im Moment die Torhüterposition", sagt Mikic: "Das ist ein Cut, weil wir mit den jungen Keepern auch taktisch ganz anders spielen müssen, wir dürfen nicht so viele Schüsse von außen zulassen." Hinzu kommt, dass Siebenhaar und Dalic eine Vierfachbelastung haben, in der U16, U18, in der zweiten Mannschaft und nun im Bundesliga-Team.

Schwierige Voraussetzungen sind das für Münchens Wasserballer, deren Ziel es ist, unter die Top drei der Liga zu kommen. Das ist die recht bescheidene offizielle Lesart, intern wird längst am Erstliga-Aufstieg gebastelt. Die Entwicklung spricht auch dafür, denn die Münchner, die über einen hervorragenden Nachwuchs verfügen (was sie vor allem den Trainern Sandor Szeleczkei und Geza Berekmery verdanken), wurden 2016 Dritter, 2017, 2018 und 2019 jeweils Zweiter. Nur der Zweitligameister steigt allerdings auf, und das auch nur dann, wenn er die folgenden Playoffs gegen die Meister der drei anderen Zweitligastaffeln und den Erstliga-Vorletzten erfolgreich bestreitet. Coach Mikic ist jedenfalls betont defensiv: "Komischerweise sieht uns jeder schon als Meister und Aufstiegsaspiranten, aber ich trete auf die Bremse. Auch weil der Torwart die halbe Miete ist. Das Haus rocken und aufsteigen, damit halte ich mich zurück."

Das Umfeld ist bereit für den Schritt ins Oberhaus, SG-Vorstand Andreas Füchsl, selbst Wasserballer, hat längst grünes Licht gegeben. Und der Schlüssel dafür ist auch wieder verfügbar, in einer Woche auch hochoffiziell. Am kommenden Freitag öffnet die Olympiaschwimmhalle die Pforten wieder nach ihrer jahrelangen Sanierung - die wichtigste Spiel- und Trainingsstätte nicht nur für die Wasserballer, sondern auch für die anderen Spitzensportler der SG, wie Schwimmer, Synchronschwimmerinnen, Wasserspringer.

In den vergangenen Jahren hatten die Münchner Wasserballer ja nicht einmal zweitligareife Bedingungen. Während der Sanierung mussten sie sich für all ihre Spiele und fast alle Trainings ins enge und eigentlich auch zu flache Becken des Anton-Fingerle-Bades zurückziehen. Das Bad im Untergeschoss in einem Giesinger Hinterhof strahlt sehr spröden Charme aus, aber sicher keinen Bundesliga-Glanz. "Wir haben uns jetzt gute drei Jahre einschränken müssen, letztes Jahr war das schwerste. Weil wir nur in kleinen Becken trainieren konnten, war auch taktisch irgendwann Flaute", sagt Mikic. Fünf der acht Ligaheimspiele dieser Saison werden von 2020 an im Olympiapark stattfinden, eingeweiht haben die SG-Männer das Becken schon. Am 19. Oktober verloren sie das Zweitrundenspiel im deutschen Wasserballpokal gegen Erstligist Düsseldorf 9:12. Schon dort haben sie gesehen, dass sie mithalten können mit den Großen.

Mikic ist allerdings gespannt, wie er das zweite Problem neben dem mit den Torhütern in den Griff bekommt - den großen Umbruch im Kader. In William Gorin, Henry Dietz und Marco Polunic hören neben Sipos drei weitere SG-Säulen auf, alle aus familiären Gründen. Dafür kehrt der Ägypter Ahmed Yasser nach München zurück, der zuletzt praktischer Weise beim kommenden Gegner Ludwigshafen spielte, seinen Cousin Omar Mohamed hat Yasser gleich zur SG mitgebracht. Der Georgier Ilia Butikashvili vom Ost-Zweitligisten Magdeburg ist auch neu, außerdem verstärken im Januar noch zwei Spanier und ein Italiener den Kader. Und aus der eigenen Jugend zieht Mikic nicht nur die beiden Torhüter hoch, sondern auch Luc Hirte und Thomas Perschthaler, beide Jahrgang 2004.

Apropos Jugend: Die U-18-Wasserballer der SG spielen künftig auch in der Olympiaschwimmhalle, und zwar in der Jugendbundesliga. Dort treffen sie auf den Nachwuchs von traditionsreichen Erstligisten wie dem deutschen Meister Spandau Berlin oder dem Zweiten White Sharks Hannover. Die Weißen Haie kommen schon am 16. November (16 Uhr) in die Olympiaschwimmhalle, einen Tag nach der feierlichen Eröffnung mit dem großen Bürgerfest. Auch das ist ein starkes Signal, das München an die Platzhirsche in der deutschen Wasserballlandschaft sendet.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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