Volleyball:Zwei Verträge, keine Einigung

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Porca miseria! Christoph Marks träumt von Italien. Doch so einfach will Herrsching ihn nicht ziehen lassen. „Natürlich belastet mich diese Ungewissheit“, sagt der 21-Jährige. Das Verhältnis ist zerstört. (Foto: Oryk Haist/imago)

Nationalspieler Christoph Marks will nach Italien und hat in Ortona unterschrieben. Bundesligist TSV Herrsching pocht indes auf einen gültigen Kontrakt. Über einen Streit, in dem es um mehr geht als um Ablösesummen.

Von Julian Ignatowitsch

Momentan hält sich der Volleyballer Christoph Marks mit der deutschen Nationalmannschaft im olympischen Trainingszentrum Kienbaum nahe Berlin auf. Ein Ort mit Schullandheimflair, kleinen Sporthallen und einer Unterkunft im Stil eines Bauernhauses. Wer Freizeit hat, fährt in den Brandenburger Wald.

Verlockender klingt da doch dieses Szenario: Bald könnte Marks 1500 Kilometer südlich an der Adria liegen im beschaulichen Städtchen Ortona an der italienischen Ostküste. Seine neue Heimat, hofft er. Auch hier wird Volleyball gespielt, sehr gut sogar. Marks hat einen Vertrag beim ansässigen Volleyball-Zweitligisten Impavida Pallavolo Ortona unterschrieben. Er will sich dort weiterentwickeln, den nächsten Schritt zum internationalen Top- und Nationalspieler machen. Doch aktuell kann er sich nicht einmal sicher sein, ob er überhaupt irgendwo professionell Volleyball spielen wird. Wer es dramatisch mag, könnte sagen: Marks' Volleyball-Karriere steht auf dem Spiel.

Die Geschichte des Christoph Marks hat zwei Seiten, vielleicht auch zwei Wahrheiten und in jedem Fall zwei Verträge und zwei Vereine. Genau das ist das Problem. Ein Sportler kann nur einen Vertrag mit einem Verein abschließen. Eigentlich.

Bisher war Marks beim Bundesligisten TSV Herrsching angestellt. Dann unterschrieb er im Juni einen Vertrag in Ortona. Obwohl sein Vertrag in Herrsching verlängert worden sei, wie die Verantwortlichen dort behaupten. Weil sein Vertrag in Herrsching nicht rechtskräftig verlängert worden sei, behauptet Marks.

Es geht um Formalitäten, Klauseln und Fristen - Dinge, die Sportler und Vereine besser Juristen überlassen. So ist es nun auch. Marks und der TSV Herrsching reden nur noch über Anwälte miteinander. "Menschlich ist vieles schief gelaufen", sagt Marks. "Nicht schön, wie er da vorgegangen ist", sagt Herrschings Marketingmanager André Bugl.

Herrsching versichert, fristgerecht eine Option für eine einjährige Verlängerung gezogen zu haben, die in Marks' Kontrakt festgeschrieben war. Insofern hätten sie im Fall eines Wechsels einen Anspruch auf eine Ablösesumme. Der Spieler Marks ist davon überzeugt, dass die Verlängerung nicht rechtskräftig sei, weil der Schritt nicht schriftlich erfolgt und er auch nicht darüber informiert worden sei. Dass sich Marks in der Zwischenzeit sowohl einen neuen Berater als auch einen neuen Verein gesucht hat, macht die Sache noch komplizierter.

"Die Vereine sind nicht die Sklaven der Spieler", sagt André Bugl. Der Fall zeigt eine generelle Problematik im Volleyball, wo Vertragslaufzeiten eher kurz und ablösefreie Wechsel die Regel sind. Finanzschwächere Ausbildungsteams wie Herrsching haben es schwer, Spieler langfristig zu binden. Schafft einer wie Diagonalangreifer Marks den Durchbruch und spielt sich mit guten Zahlen in den Mittelpunkt, ist er im nächsten Jahr weg. Und der Verein steht mit leeren Händen da und muss sich nach Ersatz umsehen. Ein ganz ähnlicher Fall beschäftigt gerade den Volleyball-Bundesligisten TV Bühl. "Wir reden hier von einer Ablöse, die nicht mal bei 30 000 Euro liegt", erklärt Bugl. Fußballer lachen über solche Summen. Beim TSV Herrsching sind sie auf solche Beträge angewiesen. Außerdem sehen sie den Fall jetzt auch als "Exempel für die Zukunft", denn gleich mehrere Spieler im Kader besitzen, wie Marks, 1+1-Verträge mit einseitiger Option auf Verlängerung durch den Verein.

So auch der neue Diagonalangreifer Griffin Shields aus den USA. Shields kommt vom Carthage College an den Ammersee und ist wieder so ein Jungspund, der sich erstmals auf einer größeren Bühne beweisen soll. "Er bringt alle Anlagen dafür mit, ist noch größer und durchschlagskräftiger als Christoph Marks", sagt Bugl über dessen Nachfolger. Dass Marks noch mal für den TSV Herrsching auflaufen könnte, ist ausgeschlossen. Zu viel ist vorgefallen. "Sportlich war alles top", sagt Marks, auch der Teamgeist sei gut gewesen. "Aber mit einigen Personen hatte ich von Beginn an Meinungsverschiedenheiten." Schon am Ende der Saison sprach er ganz offen über seine Wechselabsichten, die auch mit einem Gehaltssprung im fünfstelligen Bereich verbunden sind.

Welcher Vertrag nun gültig ist, müsste im äußersten Fall der europäische Volleyball-Verband CEV entscheiden. Theoretisch könnte Marks sogar wegen seiner zwei Verträge für drei Jahre gesperrt werden. "Natürlich belastet mich diese Ungewissheit", sagt er, auch wenn er und sein Anwalt sich sicher sind: "Mein Vertrag in Italien ist gültig, der in Herrsching nicht."

Ende August beginnt in Italien und Deutschland die Vorbereitung auf die neue Saison, dann sollen alle Modalitäten geklärt sein. Falls nicht, bliebe Marks noch Zeit bis Ende Januar 2019, einen ganz neuen Verein zu suchen. Dann endet die Wechselfrist.

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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