Volleyball:Zu große Last

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Erstligist Herrsching verliert Pre-Playoff-Auftakt 1:3 gegen Mitteldeutschland, das um seinen Libero trauert

Von Sebastian Winter, München

Am Ende schien alles wie immer zu sein, aber natürlich war es das nicht. Max Hauser, der Trainer von Herrschings Volleyballern, schob einen Einkaufswagen in der Nikolaushalle herum und sammelte Dinge ein, die von der Partie seiner Mannschaft gegen Chemie Volley Mitteldeutschland übrig geblieben waren, seine Spieler räumten Netzpfosten, Werbebanden und Tische auf. Das Team des Erstligisten packt nach seinen Heimauftritten immer selbst mit an, um die ehrenamtlichen Helfer zu entlasten. Doch nach der 1:3 (21:25, 17:25, 30:28, 18:25)-Niederlage im ersten Pre-Playoff-Duell gegen den Klub aus Sachsen-Anhalt war nichts normal. Es war still, zu still, trotz des verlorenen Spiels. Der Sport war schon vor dem Anpfiff in den Hintergrund gerückt und hatte tiefer Betroffenheit Platz gemacht.

Vergangene Woche war Mitteldeutschlands Libero Dennis Hefter tödlich verunglückt, ein beliebter, fröhlicher Spieler, den auch mancher Herrschinger in dieser kleinen Volleyball-Welt einen Freund nennen durfte. Der TSV-Zuspieler Tobias Neumann kannte ihn gut, Diagonalspieler Daniel Malescha aus gemeinsamen Zeiten in der Junioren-Nationalmannschaft noch besser. Mitteldeutschland, der in Leuna beheimatete Klub, hatte sich entschieden, für Hefter weiterzuspielen. Seine Familie hatte diesen Schritt ausdrücklich unterstützt. Malescha rannen vor dem Spiel während der Schweigeminute, die in heftigen, rhythmischen Applaus der 850 Zuschauer für Hefter mündete, Tränen über die Wangen. "Was ist schon normal, wenn den Spielern bei der Begrüßung Tränen in die Augen treten", fragte Herrschings Trainer Max Hauser nach dem Spiel: "Bei uns gibt es keinen, der das bisher so erlebt hat."

Mitteldeutschland spielte in schwarzen Trikots, die Herrschinger trugen Trauerbinden, ihr für gewöhnlich lautstarker Fanklub war an diesem Abend still. Auf einem Banner stand: "In den Farben getrennt, in der Trauer vereint. R.I.P. Dennis Hefter." R.I.P. ( requiescat in pace, rest in peace) steht für Ruhe in Frieden. All diese Dinge hinterließen einen großen Eindruck auf die Herrschinger, auf ihr Spiel legte sich in den ersten beiden Sätzen eine bleierne Schwere - während Mitteldeutschland extrem konzentriert und fokussiert begann. Es schien, als würden die Gäste auch für ihren verstorbenen Kollegen spielen. "Dennis hätte mit Sicherheit gewollt, dass wir antreten. Er war ein Kämpfer, aufgeben kam für ihn nie in Frage", hatte Cheftrainer Ulf Quell vor der Partie betont. Quell hatte am Spieltag Geburtstag, er hätte gern mit Hefter angestoßen, denn sein Libero wäre am selben Tag 22 Jahre alt geworden.

So aber wurde dieser unendlich schwierige Abend in Herrsching ein Abend der Trauerbewältigung für Mitteldeutschland. Die Spieler und ihr Trainer hatten sich bereits in der Vorwoche intensiv mit den Ereignissen auseinandergesetzt. Die Herrschinger hatten das nicht getan, die meisten von ihnen betraf diese traurige Geschichte ja nicht unmittelbar. Und doch fanden sie erst im dritten Satz zu ihrem kämpferischen, emotionalen Spiel.

Die Außenangreifer Luke Smith und Julius Höfer wirkten verunsichert, auch Zuspieler Tobias Neumann. "Es war kein normales Spiel. Selbst wenn es nur unterbewusst ist: In manchen Situationen bist du gehemmt", sagte Neumann. Ausgerechnet Daniel Malescha, emotional am stärksten berührt, machte mit 21 Punkten so viele wie niemand sonst auf dem Feld. Seine wuchtigen Angriffe bewirkten, dass Herrsching den dritten Satz knapp gewann und im vierten lange Zeit mithielt. Doch am Ende riss der Faden wieder komplett.

Dieses Spiel wird Spuren hinterlassen bei den Herrschingern, die zurzeit auch körperlich erschöpft wirken. Viele Spieler plagen Malaisen, sie zollen der ersten Erstligasaison Tribut. Zugleich müssen sie sich auf das zweite Spiel der Best-of-three-Serie am Samstagabend in Leuna vorbereiten. Sie müssen das Spiel gewinnen, um noch eine Chance auf das Playoff-Viertelfinale gegen Friedrichshafen zu haben. Die entscheidende dritte Partie gegen Mitteldeutschland würde am kommenden Mittwoch wieder in Herrsching stattfinden. Doch in der Jahrhunderthalle werden sie wieder erinnert werden an die traurigen Begleitumstände dieser Serie. "Das alles nimmt einen mehr mit, als man grundsätzlich denkt", sagte TSV-Trainer Hauser noch und schnappte sich den Einkaufswagen. Es war Zeit, ein wenig aufzuräumen.

© SZ vom 06.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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