Volleyball:Zitternd ins Geschichtsbuch

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"Es ist bemerkenswert, dass wir in der Liga so weit gekommen sind": TSV-Steller Patrick Steuerwald (re.) jubelt mit Annahmeexperte Phillip Trenkler. (Foto: Imago)

Mit dem Einzug ins Playoff-Viertelfinale glückt Erstligist Herrsching ein historischer Erfolg - doch ihre Müdigkeit kann der 3:2-Sieg in Rottenburg kaum verdecken. Am Samstag ist das erste Duell mit Meister Friedrichshafen

Von Alexander Mühlbach, Rottenburg

Im wohl größten Moment seiner Karriere konnte sich Max Hauser nur noch ein müdes Lächeln abringen. Zu sehr war der Volleyballtrainer des TSV Herrsching vom zweiten Pre-Playoff-Spiel in Rottenburg gezeichnet. Von diesem mehr als zwei Stunden andauerndem Abnutzungskampf über fünf Sätze, der über alles entschied: über die nächste Woche, den Rest der Saison, über die Vereinsgeschichte. Von dieser Achterbahnfahrt, in der zunächst alles so aussah, als würde seine Mannschaft als sicherer Sieger vom Feld gehen, bevor sie plötzlich wie der sichere Verlierer aussah. "Die Rottenburger haben das gesamte Spiel auf den Kopf gestellt", sagte Hauser ein paar Minuten nach Spielende.

Noch immer versuchte er, dieses Spiel zu begreifen, in dem seine Mannschaft nicht nur einen 1:2-Rückstand in ein 3:2 (25:21, 26:28, 23:25, 25:18, 15:10) verwandelte, sondern sich damit auch zum ersten Mal in der Klubgeschichte für das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft qualifizierte. Gerade einmal fünf Jahre, nachdem er mit der Mannschaft aus der Bayernliga in die Regionalliga aufgestiegen war. Aber so kurz nach dem Spiel waren Hausers Sorgenfalten noch immer nicht der Freude über den Erfolg gewichen. "Phasenweise sah es wirklich so aus, als würden wir gegen Rottenburg verlieren", sagte er nachdenklich.

Dabei berührte ihn weniger, dass ausgerechnet die Rottenburger, die bis dahin nur drei Saisonspiele gewonnen hatten, seine Herrschinger in den fünften Satz zwangen. Sondern eher die Art und Weise, wie seine Spieler die Partie beinahe noch verschenkt hätten. Schließlich hatte alles so gut angefangen. Vieles erinnerte im ersten Satz an den 3:0-Auftakterfolg in der Best-of-three-Serie vom Donnerstag. Die Herrschinger dominierten das Spiel, was vor allem an Diagonalspieler Daniel Malescha lag, der insgesamt 27 Punkte erzielte und den Ball dabei so oft durch den Rottenburger Block drosch, dass die Gastgeber wohl noch länger Albträume vom 2,03-Meter-Mann haben werden. "Danach aber", sagte Herrschings Libero Ferdinand Tille später, "haben wir den zweiten Satz selbst verloren." Mehrmals verpasste es der TSV, seine Führung entscheidend auszubauen. Stattdessen verspielte Herrsching noch eine 24:21-Führung, gab den Satz ab und brachte Rottenburg zurück ins Spiel. Es war ein Lehrstück, wie man einen am Boden liegenden Gegner wieder aufbaut.

Plötzlich waren die Rottenburger wieder da, spielten offensiver, mutiger und vor allem entschlossener im Abschluss. Als sie auch noch den dritten Satz gewannen und in Führung gingen, war Hauser so sauer über die Leistung seiner Mannschaft, dass er die Hälfte der Spieler auswechselte. "Ich mache das sonst nie", sagte der Trainer. "Aber heute war es nötig."

Die Einwechslungen brachten neue Impulse und Stabilität in eine Mannschaft, die plötzlich unheimlich müde gewirkt hatte. Zu lang war diese Saison, in der viele Spieler neben dem Spitzensport auch noch ihren Beruf oder ihr Studium organisieren mussten. Auch deswegen wollte jeder eine Niederlage und ein damit verbundenes Entscheidungsspiel am kommenden Donnerstag in Herrsching unbedingt vermeiden. "Es ist bemerkenswert, dass wir das noch geschafft haben", sagte Tille. "Überhaupt, dass wir in der Liga mit solchen Voraussetzungen so weit gekommen sind."

Trotzdem muss sich die Mannschaft etwas einfallen lassen, wie sie die Müdigkeit bis Ostersamstag los wird. Dann steht schon das erste von mindestens zwei Viertelfinalspielen an. In Friedrichshafen, gegen die Profis des 14-maligen deutschen Meister. Dort hat erst vor ein paar Tagen der langjährige Erfolgstrainer Stelian Moculescu seinen Rücktritt zum Saisonende bekannt gegeben. Kein schlechtes Omen für den krassen Außenseiter Herrsching.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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