Volleyball:Zahme Gorillas

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Hängende Köpfe, leere Blicke: "Mir hat nicht gefallen, mit welcher Einstellung wir gespielt haben", tadelte TSV-Trainer Max Hauser sein Team. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Bei der 1:3-Heimniederlage gegen Rottenburg, dem nächsten Rückschlag im Kampf um die direkte Playoff-Qualifikation, vermisst Herrschings Trainer Max Hauser die emotionale Standfestigkeit seines Teams

Von Philipp Jakob, Herrsching

Mitten im vierten Satz sank Peter Ondrovic auf die Knie, die Aufmunterungsversuche der Kollegen blieben erfolglos. Die Miene des Mittelblockers des Volleyball-Bundesligisten TSV Herrsching sprach Bände: Diese Partie würde auch der selbsternannte "Geilste Club der Welt" nicht mehr gewinnen. Wenige Sekunden zuvor war Ondrovic eine Annahme missglückt, der TV Rottenburg nahm die Einladung mit einem krachenden Schmetterball durch die Mitte dankend an. Kurz darauf scheiterte ein Herrschinger Angriffsversuch am starken Rottenburger Block - 11:14 aus Sicht der Gastgeber, der Satz und auch das Spiel waren entschieden.

Es war jedoch nicht die 1:3 (19:25, 22:25, 25:22, 20:25)-Niederlage allein, ein erneuter Rückschlag im Kampf um den direkten Playoff-Platz sechs, die Herrschings Trainer Max Hauser zu schaffen machte. Viel mehr noch ärgerten ihn die hängenden Köpfe seiner Spieler. "Mir hat nicht gefallen, mit welcher Einstellung wir heute gespielt haben", sagte Hauser nach einer langen Kabinenansprache im Anschluss an die Partie. "Auch wenn du einen schlechten Tag hast, ein Volleyballer ist ein Schauspieler." Von positiven Emotionen oder mentaler Stärke war bei Hausers Team jedoch wenig bis gar nichts zu sehen. Stattdessen reihte sich Fehler an Fehler. "Das war erschreckend", fand auch Außenangreifer Tom Strohbach. Statt mit guten Aktionen Selbstvertrauen zu tanken, hämmerte aber auch der mit 13 Punkten immerhin zweitbeste Angreifer seines Teams fast die Hälfte seiner Aufschläge (acht) ins Netz oder ins Aus.

Apropos Aufschläge: Einst ein Schlüsselelement im Herrschinger Spiel, verkam die eigene Angabe gegen Rottenburg fast schon zum Genickbrecher: 21 Aufschlagfehler wurden im Spielberichtsbogen vermerkt. Hauser bemängelte vor allem fehlendes Risiko. Selbst nach einem Fehler dürfe man nicht vorsichtiger werden. "Denn dann gibt es nur noch zwei Sachen: Fehler und schlechte Aufschläge." Dementsprechend schaffte es Herrsching nicht, die Gäste aus Rottenburg unter Druck zu setzen. Und die vielen Patzer höhlten das eh schon angekratzte Herrschinger Selbstvertrauen weiter aus.

Gerade wenn es nicht so läuft, müsse man sich an einer guten Aktion hochziehen und sich "wie ein Gorilla auf die Brust hauen", forderte indes Hauser. Zur Not eben schauspielern. "Dann gibt es die Chance, dass ich aus so einer Spirale herauskomme." Das Stichwort lautete: Emotionen. Die zeigte an diesem Abend aber vor allem der Gegner. An der Seitenlinie trieb Rottenburgs Trainer Hans-Peter Müller-Angstenberger sein Team wild gestikulierend zu Höchstleistungen an, er genoss sichtlich die Atmosphäre in der mit 1000 Zuschauern ausverkauften Nikolaushalle. "Bei so einer Stimmung ist es leichter, sich treiben zu lassen", sagte er. "Erst recht, wenn man auch noch so gut spielt. Für uns war es ein perfektes Spiel."

Alles andere als perfekt war der Auftritt der Herrschinger, doch auch Max Hauser sah positive Aspekte in der Niederlage. Da war zum einen Matt Tarantino. Der US-amerikanische Diagonalangreifer überzeugte im Angriff, hielt Herrsching im ersten Satz mit sieben Punkten quasi im Alleingang im Spiel. "Er hat mir gut gefallen", sagte Hauser. Ab Mitte des zweiten Satzes stand dennoch Julius Höfer anstelle Tarantinos auf dem Feld. Mit Höfers emotionaler Spielweise wollte Hauser sein Team anstacheln. Die Auswechslung machte sich bezahlt, dank Höfer (17 Punkte) gewann Herrsching den dritten Satz. Doch für ein Comeback gegen stark aufspielende Rottenburger reichte es nicht mehr.

Besonders Ferenc Németh erwischte mit 19 Punkten einen Sahnetag. Gegen den Ungar sah der Herrschinger Mittelblock immer wieder schlecht aus. "Wir müssen in der Mitte mehr dagegenhalten und den Kampf annehmen", zeigte sich Hauser unzufrieden. Gerade das Fehlen von Roy Friedrich machte sich dabei bemerkbar. Nach überstandener Bänderverletzung war der Mittelblocker im Abschlusstraining erneut umgeknickt. Sein Einsatz bei den wichtigen Auswärtsspielen am kommenden Wochenende bei den Netzhoppers und in Berlin ist fraglich, Hauser sprach von einer "Seuche, die uns dieses Jahr verfolgt". Einen Grund, den Kopf hängen zu lassen, sieht er darin nicht.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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