Volleyball:Wurstig am Main

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Nach dem 0:3 in Frankfurt reisen Herrschings Volleyballer zwiegespalten zu ihrem "Heimspiel" nach Österreich.

Von Sebastian Winter

Im zweiten Satz, Herrsching hatte bei drei Punkten Rückstand eine Auszeit genommen, sagte TSV-Trainer Max Hauser etwas, das als Titel über dem gesamten Spiel stehen könnte. "Ich will, dass wir anders dastehen, mit mehr Aggressivität auf dem Feld." Die Erstliga-Volleyballer vom Ammersee blieben aber lethargisch, selbst als sie zum Gleichstand aufgeholt hatten. Und so verloren sie ihr erstes Spiel der Best-of-three-Serie im Playoff-Viertelfinale bei den United Volleys Rhein-Main mit 0:3 (22:25, 20:25, 16:25). Die ziemlich düstere Kulisse von nur 1019 Zuschauern in der Frankfurter Fraport-Arena, die ein fünfmal so großes Fassungsvermögen hat, passte zu Herrschings schwachem Spiel gegen den Favoriten. TSV-Zuspieler Patrick Steuerwald übte deutliche Kritik: "Ich verstehe das einfach nicht. Es sind Playoffs, da kann es nicht sein, dass es an Aggressivität mangelt." Und weiter: "Elf Fehler im Angriff in drei Sätzen sind einfach zu viel."

Nach dem 0:3 in Frankfurt wirkt nicht nur Flips, das Maskottchen der Herrschinger Volleyballer, nachdenklich. (Foto: imago/Oryk Haist)

Während bei den United Volleys neben Hauptangreifer Christian Dünnes (15 Zähler) zwei weitere Spieler zweistellig punkteten, gelang dies bei den Gästen nur US-Diagonalspieler Matt Tarantino (10). Julius Höfer hatte einen schwarzen Tag, der Block funktionierte nur im Ansatz, die Herrschinger kamen nie richtig ins Spiel. Nachdem sie in den ersten beiden Sätzen immerhin Rückstände aufgeholt hatten, um den Gegner gleich wieder ziehen zu lassen, gaben sie sich im dritten Satz entnervt auf.

Der TSV braucht in Tirol einen Sieg, um ins Entscheidungsduell ums Playoff-Halbfinale zu gehen

Die Voraussetzungen für das zweite Playoff-Viertelfinalspiel am Mittwoch (20 Uhr) sind also nicht gerade berauschend. Herrsching braucht nun unbedingt einen Sieg für ein mögliches Entscheidungsspiel am Sonntag in Frankfurt. Realistisch betrachtet war das auch nicht anders zu erwarten gewesen. Die United Volleys gelten inzwischen als dritte Kraft hinter Berlin und Friedrichshafen, vor ein paar Tagen haben sie sich für das Halbfinale des europäischen CEV-Cups qualifiziert. Ihr Budget liegt deutlich über dem der Herrschinger, die aber weiterhin angriffslustig sind: "Ich bin trotz allem zuversichtlich für Mittwoch, so viel Unterschied war da nicht", sagte Hauser.

Außerdem haben sie abseits des Feldes mal wieder einen Coup gelandet, aus der Not heraus. Da sie ihr Heimspiel bekanntlich wegen der zu niedrigen Nikolaushalle nicht in ihrer Heimat austragen können, ziehen sie kurzerhand zu ihren Volleyballfreunden nach Innsbruck um (siehe Kasten). Es ist eine Premiere im deutschen Volleyball, noch nie ist eine Mannschaft für ein Playoff-Spiel ins Ausland gegangen. In dieser Saison häuft sich das, bei den Frauen trägt Aachen parallel zu Herrsching aus denselben Gründen sein Viertelfinal-Heimspiel im nicht weit entfernten belgischen Maaseik aus. Ein gutes Zeichen für die Volleyball-Bundesliga (VBL) ist das einerseits nicht, zeigt es doch, dass selbst Erstligisten noch weit von jenem Grad der Professionalität entfernt sind, den sich die Liga wünscht. Ohnehin hat die VBL mit den typischen Problemen des Randsports zu kämpfen: kein Ligasponsor, zu wenige Fernsehzeiten, stagnierende Zuschauerzahlen.

Abteilungsleiter Fritz Frömming zeigt sich ebenso nachdenklich. (Foto: imago/Oryk HAIST)

Andererseits hat es für sie - allen damit verbundenen Schwierigkeiten zum Trotz - auch gute Seiten, wenn sich nun Klubs wie Herrsching gar ins Ausland trauen. Auch deshalb, weil ihr das schlicht Aufmerksamkeit beschert. Die zweite, nicht sehr förderliche, Möglichkeit wäre für den TSV ja gewesen, sein Heimspielrecht an die United Volleys abzutreten - wie im Herbst im Pokal-Halbfinale gegen Berlin geschehen, als die Nikolaushalle ebenfalls den Liga-Kriterien nicht genügte. Die damalige Lösung schmeckte allerdings weder Herrsching, noch Berlin und der Liga besonders.

Die Reise des selbst ernannten "geilsten Clubs der Welt" in die - regelkonforme - Innsbrucker Universitätssporthalle begleitet die VBL nun offenbar außerordentlich wohlwollend. "Ich muss jetzt auch mal eine kleine Lanze für die Liga brechen, es waren sehr angenehme und unkomplizierte Gespräche", sagte jedenfalls Herrschings Marketing-Manager André Bugl, der die Fahrt nach Innsbruck in diesen Tagen natürlich qua seines Amtes auf allen sozialen Kanälen ausschlachtet. Über fehlende Rückmeldungen der Öffentlichkeit kann sich der Klub - und auch das dürfte der Liga gefallen - jedenfalls nicht beschweren. Die ARD hat vor, in ihrem Morgen- und Mittagsmagazin über Herrschings ungewöhnliche Reise zu berichten, die BR-Rundschau plant eine Vorschau.

Übrigens ist die Partie in Innsbruck auch für den Trainer der United Volleys, die auch einen österreichischen Libero haben, eine besondere: Denn Michael Warm betreut im Zweitjob die österreichische Nationalmannschaft. Auch Herrschings Mittelblocker Nicolai Grabmüller ist Österreicher, zumindest für dieses Trio fühlt es sich also wie eine Art Heimspiel an.

Sollte Herrsching auch dieses Spiel verlieren und damit im Viertelfinale scheitern, kann der Klub dennoch sehr zufrieden sein mit dieser Saison. Er hat seine ursprünglichen Ziele alle erreicht. Und im April finden die nächsten Gespräche im Gemeinderat statt bezüglich der neuen Arena, die die Volleyballer in Herrsching bauen wollen. Bis 2020 haben sie ohnehin die Liga-Erlaubnis, weiter in der Nikolaushalle zu spielen - jedenfalls in der Hauptrunde. Und für künftige Playoff-Spiele kommen sie bestimmt wieder auf eine Idee, die die Liga noch nie gesehen hat.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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