Volleyball:Verlorene Linie

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Geht’s da lang? Auch Lohhofs Zuspielerin Veronika Kettenbach ist in diesen Wochen nach dem abrupten Saisonabbruch auf Richtungssuche. (Foto: Claus Schunk)

Lohhofs Zweitliga-Volleyballerinnen sind nach Platz fünf und dem plötzlichen Rücktritt ihres Trainers Patrick Sprung auf Orientierungssuche.

Von Katrin Freiburghaus, Unterschleißheim

Die Stimmungslage ist vielerorts ähnlich: Sorgen um die Zukunft, Unsicherheit in der Gegenwart, hier mehr, dort weniger Trauer um die nahe Vergangenheit. Das ist bei Lohhofs Zweitliga-Volleyballerinnen nicht anders. Sie hätten ihre sportlich gute Saison, die durch den pandemiebedingten Abbruch auf Platz fünf endete, wie viele andere Teams gerne zu Ende gespielt. Sie stehen zudem ohne Trainer und tragfähigen Haushaltsplan in der Gegenwart. Und: Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll - weil sämtliche Kriterien, die bislang als brauchbare Indikatoren taugten, außer Kraft gesetzt sind.

Lohhofs Teammanagerin Martina Banse sagt: "Man kann sich auf nichts einstellen." Sie befürwortet den Saisonabbruch, ihre Aussagen sind keine Kritik am Krisenmanagement. Aber es habe momentan nicht einmal Sinn, ein Worst-case-Szenario zu erarbeiten, "denn wenn ich jetzt plane und die Beschränkungen in zwei Wochen gelockert werden, ist das sofort alles wieder hinfällig". Eine Prognose darüber, wie das Team oder die Abteilung in der kommenden Saison aussehen werden, ist deshalb aus ihrer Sicht noch nicht möglich. Niemand weiß, ob und unter welchen Bedingungen im Herbst gespielt werden kann. "Es ist nicht seriös, sich an den Zahlen des Vorjahres zu orientieren", sagt sie. Doch andere Zahlen hat sie nicht.

Die Sponsorensituation ist auch in Lohhof nicht nur schwierig, sondern vor allem unklar: Die großen Geldgeber haben mit den Folgen der Corona-Krise zu tun, der Kontakt ist entsprechend eingeschränkt. Der Fristaufschub der Volleyball Bundesliga für den Antrag auf Erteilung der Zweitliga-Lizenz bis zum 15. Mai helfe da wenig. Die nötigen Unterlagen, um eine Lizenz zu beantragen, habe sie auch jetzt schon zusammen, sagt Banse. Das Problem sei vielmehr, "einen Haushaltsplan aufzustellen, der vernünftig ist und einer Prüfung Stand hält". Derzeit könnte sie dort ohne schlechtes Gewissen nur jene Verträge hineinschreiben, "unter denen ich schon Unterschriften habe", sagt sie, und fügt hinzu: "Das reicht bei weitem nicht."

Momentan will sie sich deshalb nicht einmal darauf festlegen, ob in Lohhof in der kommenden Saison zweitklassig gespielt wird. "Ich sehe noch keine zweite Liga", sagt sie, und meint damit nicht Lohhof, sondern die gesamte Staffel. Denn die Probleme beträfen ja alle gleichermaßen. Mit Minimal-Etats ließe sich der Spielbetrieb "mit Sicherheit aufrechterhalten", wie sinnvoll das sportlich sei, müsse man indes diskutieren. Keine zweite Liga zu spielen, sei der Vollständigkeit halber "andiskutiert" worden. Für Lohhof komme eine Zweitliga-Saison mit deutlich reduziertem Budget allerdings "grundsätzlich in Frage". Entscheidend abhängen würde das davon, ob die Spielerinnen mitmachen wollten und könnten. Ein Grundsatzgespräch mit dem Team dazu ist geplant - natürlich per Videokonferenz.

Dass sich Trainer Patrick Sprung vor anderthalb Wochen aus beruflichen Gründen relativ überraschend verabschiedete, "macht es nicht einfacher", sagt Banse. Es sprengte vielmehr eine der wenigen verbliebenen tragenden Wände des ohnehin wackligen Zukunftskonstrukts. Banse äußert dennoch Verständnis für Sprungs Entscheidung. Der 32-Jährige hat das, wovon in der Krise in Sportkreisen selten die Rede ist: zu wenig Zeit. Es steht ja nicht alles still - man sieht nur weniger. Die allgemeine Betroffenheit, das zeigt sich im Mikrokosmos Sportverein anschaulich, ist kein homogenes Ereignis. Während die einen Videos für die Jugendteams aufnehmen, damit denen zu Hause nicht die Decke auf den Kopf fällt, wissen andere dieser Tage nicht, was sie zuerst machen sollen. Martina Banse beschulte drei Wochen lang ihre Kinder und ist froh, "dass jetzt Ferien sind und ich wieder ein bisschen Zeit für den Verein habe".

Sprung hatte sich bereits seit dem Jahreswechsel mit Bedenken getragen, weil er seinem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht geworden war. Durch größere Beanspruchung im Hauptjob hatte er wenig Zeit für Aufgaben zwischen den Einheiten und Spieltagen gehabt: Gespräche, Extra-Trainings, individuelle Betreuung. Sportlich war auch er nach holprigem Start mit seiner zweiten Saison zufrieden. "Wir haben mit wenig Aufwand viel rausgeholt", sagt er. Dass ein noch größerer Erfolg weder am eigenen Potenzial noch an dem des Teams scheiterte, sondern mangelnder Zeit geschuldet war, sei jedoch "schwierig" für ihn gewesen.

Für die Neubesetzung von Sprungs Position gilt nun dasselbe wie für alles andere: Es muss zunächst eine grundsätzliche Linie her, die den Lohhoferinnen in diesem Frühjahr niemand anders vorgeben kann als sie selbst.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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