Volleyball:Verbotene Schwelle

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Trainer Jürgen Pfletschinger setzt auf Lohhofs Talente. Vom aktuellen Zweitliga-Kader wird nach Saisonende voraussichtlich nicht viel übrig bleiben. (Foto: Robert Haas)

Bei Lohhofs Frauen zeichnen sich zahlreiche Weggänge ab. Wohl oder übel verabschieden sie sich vom Gedanken, zeitnah in die erste Liga zu streben - die Jugendarbeit soll künftig noch wichtiger werden

Von Sebastian Winter, Unterschleißheim

Wenn der Schlusspfiff ertönt und die Saison vorbei ist, beginnt die Zeit der Abschiede. Es gibt dann Tränen, Reden, Blumensträuße. Und eines ist sicher, wenn Lohhofs Volleyballerinnen am Samstag ihre Spielzeit mit dem Heimduell gegen Offenburg (19.30 Uhr, Südliche Ingolstädter Str. 1) beenden: Es wird ganze Gewächshäuser voller Blumensträuße geben. Und vermutlich bächeweise Tränen. Denn Lohhof, das gegen die Badenerinnen nur noch einen Satz gewinnen muss, um Zweitliga-Zweiter zu bleiben (was sie sich selbst nicht mehr zugetraut haben) muss einen gewaltigen Schnitt verkraften.

Von der Stammsechs hören nach SZ-Informationen auf: Inga Vollbrecht, Susanne Pfeiffer (berufliche Gründe), Marion Elsasser (geht nach Stuttgart) und Maja Hammerschmidt (gesundheitliche Probleme). Wahrscheinlich beendet auch Carolin Herrmann ihre Karriere, sie liebäugelt damit, Lohhofs Physiotherapeutin zu werden. Die lange verletzte Christin Hölzel hat schon längst angekündigt, nicht mehr weiterzuspielen. Und auch hinter Christina Kock und Marion Mirtl stehen wegen ihrer Jobs Fragezeichen. So viele Fragezeichen sind das, dass man sich fragt, wer denn künftig überhaupt noch bei Lohhof spielt.

Immerhin haben Außenangreiferin Tamara Zeller, die noch immer wegen eines Kreuzbandrisses nicht spielen kann, die Stellerinnen Lisa Keferloher und Stefanie John sowie Linda Damerau dem Zweitliga-Team ihre Zusage für die nächste Saison gegeben. Aufgefüllt werden soll die Mannschaft von Trainer Jürgen Pfletschinger mit eigenen Talenten, wie Theresa Schieder, Cornelia Pantelic oder Laura Gentner.

Genau diese Philosophie soll künftig wieder stärker ins Zentrum rücken, nachdem Lohhof zuletzt versuchte, den Spagat zu schaffen zwischen vorbildlicher Jugendarbeit und Streben in die erste Liga. "Wir werden unsere Ausrichtung verändern", sagt Lohhofs Managerin Richarda Zorn, "wir haben erkannt, dass die erste Liga nicht so einfach zu erreichen ist." Lohhof stehe seit jeher für Stabilität und Sicherheit, "daher werden wir uns noch mehr die Jugendarbeit auf die Fahne schreiben", sagt Zorn, auch wenn man sich der ersten Liga nicht gänzlich verschließen wolle.

Es ist ein krasser Richtungswechsel, ein Eingeständnis auch, dass Lohhof es in nächster Zeit nicht in die erste Liga schaffen wird - und auch nicht will. Und es ist eine Abkehr vom ursprünglichen Plan, spätestens nach der Saison 2016/17 aufzusteigen. Kein Risiko, lautet nun die vorherrschende Meinung, "es sind auch die finanziellen Aspekte, die dazu beigetragen haben", sagt Zorn. Obwohl Lohhof in diesem Bereich gar nicht einmal schlecht dasteht - für einen Volleyballverein. Knapp 400 000 Euro hat die Abteilung zur Verfügung, Herrschings Volleyball-Männer haben in der ersten Liga weniger. Doch von diesem Geld fließen Zorn zufolge rund 100 000 Euro in die Jugend, ein mittlerer fünfstelliger Betrag in die Regionalliga-Männer, außerdem müssen Zorns Vollzeit-Stelle, zwei Teilzeit-Kräfte und diverse Honorartrainer-Positionen finanziert werden. Und eben die Zweitliga-Frauen.

Bei einem Erstliga-Aufstieg bräuchte Lohhof nach eigenen Berechnungen zumindest eine halbe Million Euro, um dort überleben zu können. Das Geld flösse zum Großteil ins Profiteam, die Jugend und die Männer müssten empfindliche Einbußen hinnehmen. Genau das wollen sie in Lohhof nicht. Sie wollten nie wie Unterhachings Männer werden, die ihren Etat ins Profiteam steckten, aber weder in Unterbau noch professionelles Management - und dann untergingen. "Wir wollen unsere jungen Spielerinnen fördern und keine auswärtigen Profis holen", sagt SVL-Trainer Pfletschinger, "ich mag es nicht, wenn nur Spieler zusammengekauft werden."

Es ist eine Mischung aus Enttäuschungen bei Sponsoren-Gesprächen, Frust wegen der schwierigen Lage am Rande der fußball- und basketballdominierten Großstadt München, aber auch Besinnung auf die ureigene Stärke, die Lohhof überregional auszeichnet: die Talentförderung. Das könnte sich noch als kluger Schachzug erweisen, denn in eineinhalb Jahren soll in Milbertshofen die neue Sportschule samt Internat entstehen, in dem dann vielleicht auch junge Volleyballerinnen wohnen werden. Lohhof wäre nicht weit entfernt.

In diesem Sommer möchte sich Zorn aber erst einmal auf die Suche nach einem Markenkern machen, denn so etwas hat Lohhof nicht. Sie sind noch keine Roten Raben, wie Vilsbiburgs Erstliga-Frauen, oder ein Geilster Club der Welt, wie die Herrschinger. Das wollen sie auch nicht sein. Zorn möchte sich bald Profis ins Haus holen, die Lohhofs Profil schärfen. Um auch mehr Zuschauer in die neue Halle zu locken als jene im Schnitt 450 aus dieser Saison. Auch das hätte besser sein können.

Aber jetzt möchten sie erst einmal das Spiel gegen Offenburg hinter sich bringen, die Blumen, die Abschlussparty, die Tränen. Es wird ein fröhliches Fest werden. Denn bei allem Verletzungspech, das Lohhof hatte: die Saisonbilanz mit Platz zwei - oder doch drei - ist letztlich sehr, sehr gut. "Ich hätte nie gedacht, dass wir dort stehen, wo wir stehen", sagt Zorn. Sie fühlen sich gerade ziemlich wohl an dieser Schwelle zur ersten Liga, die sie nicht überqueren.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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