Volleyball:Triumphierend in der Turmstube

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„Emotional, toll, wunderbar“: Grafings Volleyballer feiern mit goldenen Medaillen und silbernem Pokal ihren ersten Zweitligatitel. (Foto: Christian Endt)

Zweitligist TSV Grafing gewinnt auch die letzte Saisonpartie gegen Delitzsch mit 3:0 und feiert Saisonende und Meisterschaft.

Von Sebastian Winter, Grafing

Sie muss sehr spritzig gewesen sein, diese Nacht, in der Grafings Volleyballer feierten, bis die Sonntagssonne über der Stadthalle strahlte. Wer seinen Fans 300 Liter Freibier zum Saisonabschluss gegen Delitzsch - den Grafing, das nur nebenbei, im Vorbeigehen mit 3:0 gewann - spendiert, der kann ja bei seiner eigenen Sause auch schlecht mit Leitungswasser weitermachen. Vor allem, nachdem die Volleyballer vor 500 Zuschauern zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den silbernen Pokal für die Zweitliga-Meisterschaft in die Höhe gestemmt hatten. "Sie war emotional, toll, wunderbar", sagte Grafings Trainer Alexander Hezareh ganz beseelt von der Feier, die er selbst erst gegen 5 Uhr verließ.

Grafings Physiotherapeutin hatte das Fest organisiert, sie hatte Spieler, Fans, Freunde und Gönner in die Turmstube der Stadthalle geladen. Und sich die Mühe gemacht, den Treppenaufgang mit Siegerfotos von jedem erfolgreichen Spiel des TSV aus dieser Saison zu bekleben. Der kleine Walk of Fame beeindruckte auch lokale Größen wie Günther Schmidt, der 1969 beim TSV Grafing die Volleyballabteilung gegründet hatte. Mit bald 80 Jahren, fast 50 Jahre nach ihrer Entstehung, erlebte er nun den Höhepunkt der Abteilung.

Die Meisterschaft der Zweitliga-Volleyballer stand schon vor vier Wochen fest, damals schlugen sie ihren Verfolger Schwaig in eigener Halle mit 3:1 und lagen zwei Spieltage vor Schluss uneinholbar vorne. Doch erst am Ende dieser so eindrücklichen Saison wird ihnen die Dimension des Erfolges so richtig bewusst. Seit 2012 war Grafing nie besser als Neunter gewesen, oft genug war es eine Zitterpartie um den Klassenerhalt. Diesmal hat der TSV aber 23 seiner 26 Spiele gewonnen, mit fünf Punkten Vorsprung vor Schwaig sitzt er auf dem Thron. Grafing hat all seine sechs Tiebreaks gewonnen, was einiges über die Nervenstärke des Teams aussagt. In eigener Halle haben sie ganze fünf Sätze verloren. Ihr Kapitän und Zuspieler Fabian Wagner ist mit zwölf Medaillen Rekordhalter der Liga in der Kategorie "wertvollster Spieler". All das sind Bestwerte, die vielleicht nicht für die Ewigkeit gelten, aber doch schwer zu wiederholen sind für den TSV.

Die Auswärtspartie in Karlsruhe am 23. September, dem erst zweiten Spieltag, war für Hezareh "das Startsignal" für diese so glanzvolle Saison. Julius Höfer, der Erstligazugang aus Herrsching, der später mit seinen Angriffen und Blocks zu einem Schlüsselspieler werden sollte, war nicht dabei, die ersten beiden Sätze gingen jeweils 24:26 verloren. Dann verletzte sich auch noch der zweite Zugang, Tim Noack, schwer am Knöchel. Grafing aber kam zurück, gewann den dritten Satz mit 26:24, den vierten deutlicher und schoss Karlsruhe im fünften Satz mit 15:4 aus der Halle. Es war ein Erlebnis, was Team und Trainer gewaltig zusammenschweißte. Zumal Noack, der erst jetzt wieder mit der Mannschaft trainieren kann, fortan als Scout die Gegner analysierte, und das richtig gut.

Außerdem haben viele Spieler zum Erfolg beigetragen, die schon jahrelang im Verein sind. Wie Benno Voggenreiter, Dominik Dreyer, Daniel Kirchner, Michel Knörr oder Zeno Schmid. Dreyer ist für Trainer Hezareh ein Paradebeispiel für den Erfolg im Ehrenamt, der Spieler selbst coacht Frauen und Juniorinnen beim TSV, seine Mutter ist im Vorstand aktiv, die Oma managt den Verkauf bei Heimspielen. "Mich freut besonders, dass eine Mannschaft Meister geworden ist, bei der es noch so menschelt. Wir sind keine Legionärstruppe", sagt Hezareh. Er darf sich zugleich darüber freuen, dass er selbst und der umtriebige Manager Johannes Oswald gewaltigen Anteil am Erreichten haben.

Dass sie aus finanziellen und strukturellen Gründen (zum Beispiel der fehlenden Halle) nicht aufsteigen wollen, stört die Grafinger überhaupt nicht. Ein Aufstieg hätte einen großen Umbruch bedeutet, viel Geld hätte aufgetrieben und Profis hätten verpflichtet werden müssen. Viel lieber arbeiten sie nun Schritt für Schritt an der Professionalisierung. Die Gespräche mit Sponsoren laufen gut, an der Auslagerung der ersten Mannschaft in eine Spielbetriebs-gesellschaft wird gearbeitet. Am Sonntag sagte Trainer Hezareh vor allem erstmals offiziell: "Ich mache weiter." Und mit ihm der Großteil der Mannschaft. Julius Höfer habe als erstes zugesagt, "das ist ein super Zeichen", findet Hezareh. Und auch bei anderen Leistungsträgern wie Wagner, Zierhut oder Voggenreiter sehe es gut aus. Matthias Schütze, vergangene Saison mit Noack Scout, soll zudem neuer Co-Trainer werden. Grafing ist bereit für den nächsten Coup.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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