Volleyball:Treffen mit dem Nebenbuhler

Lesezeit: 2 min

Bärtiges Trio: Mit Frankfurts Kapitän Christian Dünnes (li.) und Lukas Bauer (re.) verhandelte auch Herrsching. Mittendrin: Jan Klobucar. (Foto: imago)

In Frankfurt reist das derzeit spannendste Volleyballprojekt in Deutschland zum TSV Herrsching. Pikant: Beide Klubs warben hefig um dieselben Spieler

Von Sebastian Winter, Herrsching

Ferdinand Tille ist verschnupft. Ziemlich sogar, viel trainiert hat der Libero von Herrschings Erstliga-Volleyballern nicht in dieser Woche. Am Samstag (19 Uhr) möchte er aber unbedingt spielen, aus gutem Grund: Der Tabellenführer kommt in die Nikolaushalle - und jener Klub, der auch Tille heftig umworben hatte vor dieser Saison. Es handelt sich nicht um Berlin oder Friedrichshafen, obwohl Tille auch von diesen Topvereinen der Liga Angebote erhalten hat: An den Ammersee reist der Aufsteiger United Volleys aus Frankfurt. "Für mich ist es keine Überraschung, dass sie Erster sind", sagt Tille.

Die Frankfurter sind im Frühjahr nach einer Lizenzübertragung aus dem Aufsteiger TG Rüsselsheim hervorgegangen, mit einem neuen Konzept wollen sie nun die deutsche Volleyball-Landschaft erobern. Im Rhein-Main-Gebiet soll eine Art B-Nationalmannschaft entstehen, mit jungen, deutschen Spielern, die von alten Haudegen angeleitet werden. Der Mäzen des Klubs heißt Jörg Krick, IT-Unternehmer aus Eschborn - und zugleich Vater von Frankfurts Mittelblocker Tobias Krick. Ihre Heimspiele tragen die United Volleys in der 5000 Zuschauer fassenden Fraport-Arena aus, die auch Heimat des Basketball-Bundesligisten Frankfurt Skyliners ist. Zu guter Letzt hat sich die Mannschaft auch noch einen sozialen Anstrich verpasst. Sie hat die Patenschaft für Kinder in Ghana übernommen, im Rahmen einer Kooperation mit der - nicht gerade unumstrittenen - Hilfsorganisation World Vision.

Ob das alles so nachhaltig ist, wie gewünscht, muss sich erst noch zeigen. Es sei jedenfalls "das spannendste Projekt der letzten 15 bis 20 Jahre im deutschen Volleyball", sagte Frankfurts Kapitän Christian Dünnes zum Saisonstart. Der ehemalige Hachinger Dünnes hatte sich im vorvergangenen Sommer auch mit Herrschings Verantwortlichen getroffen, aber nicht über ein Engagement einigen können. Über die Berlin Recycling Volleys führte sein Weg dann nach Frankfurt, wo der 31-Jährige einen der Haudegen geben soll. Mittlerweile hat Frankfurt vier seiner fünf Spiele gewonnen, den Heim-Auftakt gegen Friedrichshafen verloren die United Volleys vor 3000 Besuchern knapp mit 2:3.

Konzeptionell sind die Frankfurter im ersten Aufstiegsjahr schon dort, wo Herrsching langfristig auch sein möchte. Die große Halle, der große Sponsor, all das sind am Ammersee noch Visionen. "Die machen das richtig gut", sagt Herrschings Teammanager Fritz Frömming. "Sie sind finanziell besser aufgestellt als wir, haben ein gutes Konzept und eine Arena, die die Spieler reizt. All das zeigt die Professionalität dieses Vereins."

Neben Diagonalspieler Dünnes, dessen Duell mit seinem Herrschinger Gegenüber Daniel Malescha am Samstag mit über Sieg und Niederlage entscheiden dürfte (sie sind zurzeit die Topscorer der Liga), gibt es weitere interessante Bande zwischen diesen beiden aufstrebenden Klubs. Sie stritten sich im Sommer um mehrere vielversprechende deutsche Spieler, auch weil sich ihre Strategien ähneln. Die Nationalspieler Lukas Bauer und Moritz Reichert entschieden sich für Frankfurt und gegen Herrsching, außerdem verpflichtete der Klub Friedrichshafens Zuspieler Jan Zimmermann. "Auch ich habe viel mit dem Manager dort gesprochen", sagt TSV- Libero Tille, den das Konzept überzeugt hatte - nicht aber der nächste Wegzug aus München nach vielen Profijahren im Ausland. Es gibt sogar Verwandtschaften in diesem Duell: Frankfurts Libero Florian Ringseis ist der Cousin von Herrschings Chefscout Michael Mattes, der ihn auch nicht an den Ammersee locken konnte.

Herrsching gegen Frankfurt, das ist zugleich Talenttreffen und Vergleich zweier Frischlinge, der eine mit starkem Marketing und reichem Umland ausgestattet, der andere mit einigem Geld und einer riesigen Metropolregion. Herrsching ist gerne Außenseiter, "Angst haben wir nicht, weil wir nichts zu verlieren haben", sagt Teammanager Frömming. Laut dürfte es in der Halle schon vor dem Spiel werden. Die Liga hat anlässlich der Anschläge von Paris die Initiative #clapforpeace gestartet. In allen Volleyball-Hallen soll mit Klatschpappen und tosendem Applaus für Frieden geworben werden.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: