Volleyball:Super Vision

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Undurchsichtige Lage: Ob die Hachinger Volleyballer, hier nach dem Pokal-Triumph 2013, in die erste Liga zurückkehren, wird gerade geprüft. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Unterhachings Volleyballer streben mit Wildcard und Innsbruck als Partner zurück in die erste Liga. Nun entscheidet der Lizenzierungsausschuss.

Von Sebastian Winter, Unterhaching

Sie ist: kompliziert. Und die Geschichte reicht mittlerweile weit über bayerische und deutsche Grenzen hinaus. Es geht um Unterhachings Volleyballer, die per Wildcard zurück in die erste Liga streben. Sportlich ist der einstige viermalige Pokalsieger, der sich 2014 mangels Hauptsponsors aus der ersten Liga zurückziehen musste, in der abgelaufenen Saison in die zweite Liga aufgestiegen. Durch die Wildcard, die die Volleyball-Bundesliga (VBL) für die kommende Saison erstmals vergibt, könnte Haching früher als gedacht ins Oberhaus zurückkehren. Fristgerecht beantragt wurde diese durch Hachings ehemaligen Trainer Mihai Paduretu, der als Geschäftsführer die Geschicke des Vereins leitet, und seine Mitstreiter Anfang April. Josef Köck, Mitglied des TSV-Managementboards, sagte in einer Stellungnahme der VBL: "Wir sind jetzt wieder in der Lage, in einem gesunden Rahmen Erstliga-Volleyball zu präsentieren. Genauere Details werden wir Ende April nach Rücksprache mit dem VBL-Vorstand bekannt geben."

Das Problem ist nur: Bislang wurde rein gar nichts bekannt gegeben, Liga und Verein hüllen sich seither in Schweigen. Ganz im Gegensatz zum Österreichischen Volleyballverband: Dessen Präsident plauderte drei Wochen, nachdem Haching die Wildcard beantragt hatte, säuerlich über das auflagenstärkste Boulevardmedium des Alpenlandes aus, dass sein Vorzeigeklub und Dauermeister Hypo Tirol Innsbruck in die deutsche Bundesliga flüchtet. Mit welchem Plan, war bislang nur Bestandteil wilder Spekulationen. Wie Innsbrucks Manager Hannes Kronthaler nun der Süddeutschen Zeitung bestätigt, plant der Klub eine Kooperation mit den Hachingern. "Wir sind relativ weit, es geht noch um ein paar Genehmigungen", sagt Kronthaler. So einen Fall gab es im deutschen Volleyball bisher noch nicht.

Die Unsicherheit ist Gesprächen mit potenziellen Spielern oder Sponsoren sicher nicht dienlich

Der Bauunternehmer Kronthaler hat schlicht keine Lust mehr auf die österreichische Liga, wo Innsbruck seit langer Zeit als Alleinherrscher ohne Konkurrenz firmiert. "Ich sehe hier keine Vision mehr, aber wenn es mit der Wildcard klappt, ist das für drei Jahre eine super Vision." Auf drei Jahre nämlich soll die Kooperation mit Unterhaching angelegt sein, und nicht nur Innsbruck zu neuer Strahlkraft verhelfen, sondern die Hachinger wieder zu einem deutschen Spitzenteam formen. "Das Training und die Vermarktung sind zunächst einmal größtenteils in Innsbruck, die Spieler teilen wir 50:50 auf. Und eine Nachwuchs-Kooperation gibt es auch", sagt Kronthaler, der auch viel Geld zuschießt.

Wer Trainer werden soll, ist ebenso unklar wie die künftigen Mehrheitsverhältnisse. Kronthaler sagt: "Ich fange neu an als Mitbesitzer eines deutschen Klubs." Es gibt auch interessante Parallelen. Kronthaler macht beruflich oft in München Geschäfte, sein Sohn Niklas spielt im Innsbrucker Profiteam. Paduretus Filius Eric strebt ebenfalls ins Profigeschäft. Die Väter kennen und schätzen sich sehr.

Unterhaching ist übrigens dem Vernehmen nach gerade dabei, eine neue Spielbetriebs-Gesellschaft zu gründen. Zugleich haben sie im Klub offenbar unterschätzt, was für einen Rattenschwanz an Prüfungen ihr Wildcard-Antrag nach sich ziehen würde - Ende April war ja nur die erste Vorstandssitzung der VBL, die sich mit dem Thema beschäftigt. Der Ausgang: ergebnisoffen. "Es hat sich alles ein bisschen verzögert", sagt Köck. Viel mehr wollen er und Paduretu auch weiterhin nicht sagen. Aber die Situation ist nicht gerade befriedigend. Denn die Unsicherheit lähmt die Verantwortlichen auch bei jedem Gespräch mit potenziellen Spielern und Sponsoren.

Fest steht bislang nur, dass an diesem Mittwoch und Donnerstag der wirtschaftliche Lizenzierungsausschuss der Liga tagt, auch das meinte Kronthaler mit "Genehmigungen". Der Ausschuss seziert, auf Basis der Analyse unabhängiger Wirtschaftsprüfer, auch Unterhachings Antrag. Er hebt oder senkt gewissermaßen den Daumen. Am kommenden Montag werden dann die Lizenzbescheide an die Klubs verschickt. Ohne oder mit Auflagen. Dass die Liga dem Klub hierbei ganz genau auf die Finger schaut, macht VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung deutlich: "Die Wildcard-Geschichte muss Bestand haben. Das Ding kann uns nicht nach einem Jahr wieder um die Ohren fliegen."

So etwas gab es ja auch noch nie: Dass ein Verein sich einfach mal für gut 50 000 Euro Gebühr einen Platz im Oberhaus erkaufen kann. Auch deshalb ringt die VBL bei ihren Erstligisten um Zustimmung. Die großen Klubs stehen offenbar eher aufseiten Unterhachings, so sagte beispielsweise Friedrichshafens Geschäftsführer Sebastian Schmidt der SZ: "Wenn ein qualitativ hochwertiges Team dazustößt, kann das eine gute Sache sein." Manch kleinerer Klub, der in der unteren Ligahälfte mit wenig Geld herumkrebst, sieht die Wildcard-Erteilung naturgemäß eher skeptisch. Die Causa hat also auch eine politische Komponente. Letztlich entscheidet der VBL-Vorstand alleine. Aber sollte sich die Mehrheit der Klubs gegen Unterhaching und Innsbruck stemmen, wird es auch für den Vorstand schwer, für das Projekt zu stimmen. Und was ist, wenn nächste Saison manch anderer Verein aus dem Ausland auf den Wildcard-Zug aufspringen will?

Einen Präzedenzfall fürchtet VBL-Funktionär Jung nicht. Überhaupt gebe es "nichts einzuwenden, mit Unterhaching hat ein deutscher Klub die Wildcard beantragt. Und das Projekt ist darauf angelegt, Jahr für Jahr öfter in Unterhaching oder München zu spielen". Wie man hört, haben die Unterhachinger auch die geforderten Unterlagen schnell geliefert und auch Nachfragen zuverlässig beantwortet. Trotzdem müssen sie bis Montag weiterzittern in dieser komplizierten Geschichte.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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