Volleyball:Spektakel ohne Paukenschlag

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So knapp: Herrschings Zuspieler Patrick Steuerwald ärgerte sich nach dem Schlusspfiff über die Schiedsrichter und eigene Fehler. (Foto: Johannes Simon)

Herrsching bringt Bundesliga-Spitzenreiter Berlin an den Rand einer Niederlage - Trainer Hauser mahnt trotzdem

Von Sebastian Winter, Herrsching

Am Ende drehten die Herrschinger Volleyballer ihre Ehrenrunde, sie bedankten sich bei den 1000 lauten Fans in der ausverkauften Halle, die Band der örtlichen Realschule spielte "Auf uns" von Andreas Bourani, das inzwischen über alle Sportarten hinweg zur Begleitmelodie für Erfolge geworden ist. Viele Zuschauer blieben, sie applaudierten ihrer Mannschaft, vor Weihnachten wird es ja auch bei solchen Anlässen besonders feierlich.

Erfolg hatten Herrschings Volleyballer aber gar keinen. Doch wenn der Außenseiter vom Ammersee gegen den Tabellenführer Berlin, den derzeit dominierenden Klub der Bundesliga, mehr Glück und Ausdauer gehabt hätte, dann hätten die Hauptstädter ihre ersten Punkte der Saison verloren. So bleibt von diesem Samstagabend für die Mannschaft von Max Hauser ein zweistündiges Spiel, in dem sich der TSV in den ersten beiden Sätzen an sich selbst berauschte - aber die Partie dann doch mit 1:3 (32:30, 23:25, 17:25, 20:25) verlor und die Nikolaushalle mit leeren Händen verließ. "Es ärgert mich, dass wir nicht zumindest einen Punkt geholt haben", sagte Hauser, sein Kapitän und Zuspieler Patrick Steuerwald war auch einige Zeit nach dem Schlusspfiff noch wütend: "Ich kann mich nicht freuen."

Der 29-Jährige, dem die Unparteiischen Richtung Ende des zweiten Satzes ein angeblich unsauberes Zuspiel abgepfiffen hatten, machte eine Mischung aus zweifelhaften Schiedsrichter-Entscheidungen, Pech und fehlender Erfahrung für den verlorenen Durchgang verantwortlich, in dem Herrsching schon 16:12 gegen völlig verunsicherte Berliner geführt hatte - und der mit einem direkten Annahmefehler des TSV endete. Danach gingen die beiden Kontrahenten in die übliche Zehn-Minuten-Pause, aus der Berlin erstarkt herausging, im Gegensatz zu Herrsching, das mehr und mehr Energie verlor.

Zuvor hatten Steuerwald und seine Kollegen den Champions-League-Teilnehmer immer wieder in Verlegenheit gebracht. Der Zuspieler hatte gewitzt die Fäden gezogen, Herrschings Hauptangreifer Daniel Malescha zeigte sich erneut in Topform und erzielte insgesamt 24 Punkte, mit Abstand die meisten aller Akteure auf dem Feld. Herrschings Mittelblocker Peter Ondrovic und Roy Friedrich spielten stark, die Annahme um Ferdinand Tille und Phillip Trenkler war sehr stabil, und was Libero Tille in der Abwehr alles herauskratzte, war eines Nationalspielers würdig. Der Schlüssel für ihr starkes Spiel lag in ihren riskanten Flatteraufschlägen, mit denen sie Berlins Annahme immer und immer wieder in Verlegenheit brachten.

Kurzum: Die Herrschinger hatten einen dieser Tage, an denen alles möglich scheint. Das sah man bereits im fast 40 Minuten dauernden ersten Satz, den der TSV mit dem siebten (!) Satzball in der Verlängerung gewann. "Hätten wir auch den zweiten Satz gewonnen, wäre alles drin gewesen", sagte Daniel Malescha. Doch vor allem Berlins Zuspieler , der ehemalige Hachinger Tsimafei Zhukouski, hatte etwas dagegen. Mit seinem brachialen Aufschlag brachte er Berlin wieder ins Spiel, auch im dritten Satz, als Berlin anfangs erneut zurücklag. Der deutsche Meister von 2012, 2013 und 2014 fand seine Sicherheit zurück, Herrsching glitt das Spiel zusehends aus den Händen.

Mit drei Siegen aus neun Spielen ist Herrsching vor der dreiwöchigen Weihnachtspause Achter, ziert also den letztmöglichen Playoff-Platz. Im neuen Jahr kommt es dann gleich zu den Duellen mit Königs Wusterhausen und Mitteldeutschland, die direkt hinter dem TSV stehen und ihm sein Ziel streitig machen wollen. "Wir müssen gegen sie punkten, um auch nicht mehr hinten reinzurutschen", sagte Hauser, der noch Abstiegsängste hat trotz sechs Zählern Abstand. Zudem mahnt er seine Spieler an, nicht nur in Highlight-Spielen alles zu geben, sondern auch wieder im Training: "Unsere Philosophie ist ein bisschen abhanden gekommen, auch dort positive Emotionen zu erzeugen."

Herrschings Nationalspieler dürfte das nicht betreffen. Steuerwald, Tille und Malescha reisen am Montag nach Berlin. Der Einsatz von Steuerwald und Tille beim dortigen Olympia-Qualifikations-Turnier, das am 4. Januar beginnt, ist ziemlich sicher, auch Malescha hat gute Chancen, in den finalen Kader zu rücken. Sie haben anstelle einer Pause eine große Mission: "Wir hoffen, dass wir in Rio dabei sind", sagt Steuerwald. Die Vorfreude darauf hat ihn nun ein wenig beruhigt.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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