Volleyball:Ohne Mitleid

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Tom Strohbach, 24, wechselte nach zwei Jahren in Rottenburg zum TSV. Gegen seinen alten Klub war er der entscheidende Mann. (Foto: Haist/Imago)

Nach 2:18 Stunden setzt sich Herrsching in Rottenburg im Tiebreak durch. Matchwinner ist ein ehemaliger Rottenburger

Von Alexander Mühlbach, Rottenburg/Herrsching

Als Tom Strohbach seinen letzten Aufschlag verwandelte, wurde es still in der Rottenburger Arena. So still, wie Strohbach das Rottenburger Publikum noch nie erlebt hatte. Zwei Jahre lang hat es den Außenangreifer immer unterstützt, selbst an diesem Samstagabend war er freundlich begrüßt worden. Doch nun kippte die Stimmung. Schließlich hatte ausgerechnet er, der im Sommer von Rottenburg nach Herrsching gewechselt war, mit seinem Aufschlag den Rottenburgern die zweite Niederlage der Saison zugefügt. Im fünften Satz, nach zwei Stunden und achtzehn Minuten reinsten Abnutzungskampfes.

"Mitleid verspürt man da ehrlich gesagt nicht", so Strohbach nach dem 3:2 (18:25, 25:23, 22:25, 28:26, 15:12)-Sieg der Herrschinger ganz ruhig. Sicher sei er vor der Partie aufgeregt gewesen, sagte der 25-malige Nationalspieler. Sogar so sehr, dass er einige Nächte unruhig geschlafen habe. "Aber es wäre doch schrecklich, wenn ich mich nicht mit meiner Mannschaft freuen könnte, oder?", fragte Strohbach in die sich schnell leerende Halle hinein. Eine Antwort erwartete er nicht.

Ein paar Meter weiter stand Herrschings Trainer Max Hauser, der sich noch gar nicht so sicher war, ob er sich über den Sieg seiner Mannschaft freuen sollte. Vier Mal hatten die Herrschinger in der vergangenen Saison die Rottenburger besiegt, zweimal ohne Satzverlust. Aber am Samstagabend hatten die Schwaben sein Team zum ersten Mal seit anderthalb Jahren wieder an den Rand einer Niederlage gebracht. "Gefühlt haben wir in diesen fünf Sätzen nie wirklich geführt", sagte Hauser, der sich nach der Partie noch lange Notizen machte.

Tatsächlich trat der TV Rottenburg anders auf als noch in der vergangenen Saison. 14 Spiele verlor der Verein damals nacheinander und entging dem Abstieg nur, weil Coburg Insolvenz anmeldete. Es wurde über den Trainer diskutiert, die Fans blieben zu Hause, die Spieler waren frustriert. "So eine Saison wie die vergangene dürfen wir nicht mehr spielen", hatte der Rottenburger Manager Philipp Vollmer im Sommer erklärt. Stattdessen veränderte der TVR für seine zehnte Bundesligasaison einiges. Der langjährige Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger verordnete seinen Spielern Teambuilding-Maßnahmen und Einzeltraining. Die im Schnitt 23 Jahre alte Mannschaft sollte den "Reset-Knopf" drücken, die vergangene Saison vergessen und mit Zuversicht in die neue gehen. Auch am Spielfeld wurde einiges verändert: Es gibt nun Einlaufkinder, neue LED-Banden, dazu einen Volleyballboden, der zu jedem Spiel extra in der Halle verlegt wird. All das schien sich positiv auf das Spiel der Rottenburger auszuwirken: Sie verteidigten aggressiver und standen im Block besser als noch in der vergangenen Saison. Zudem rannten sie jedem noch so hoffnungslosen Ball hinterher. "Gegen die hast du keinen einzigen Ball auf den Boden gekriegt", erklärte Strohbach.

So tat sich Herrsching in den ersten drei Sätzen mit dem aggressiven Auftreten der Rottenburger schwer. Im ersten Satz lag die Mannschaft vom Ammersee nur einmal vorne. "Man hat heute einfach gesehen, dass wir doch noch nicht so eingespielt sind, wie wir dachten", sagte Hauser. Je länger die Partie dauerte, desto müder wurden jedoch die Rottenburger. Als sie im vierten Satz beim Stand von 21:18 einen ins Aus fliegenden Ball wieder zurück ins Feld pritschten und in der Folge den Punkt verloren, war ihr Widerstand gebrochen. Herrsching gewann den vierten Satz und zog durch sechs Punkte in Serie von Strohbach auf 6:2 davon. "Ehrlich gesagt ist das genau das, was ich von Tom sehen wollte", sagte Hauser. "Er soll verstehen, dass er sich vor niemandem mehr in der Liga verstecken muss. Bisher war er sich da noch nicht so sicher."

Dabei war der 24-Jährige schon im ersten Saisonspiel gegen Königs Wusterhausen mit elf Punkten Topscorer der Herrschinger gewesen. Gegen Rottenburg legte er nun mit 21 Punkten nach. "Ich denke, Tom musste da heute durch einiges durch", sagte Hauser. "Gegen den ehemaligen Verein zu spielen ist nicht so einfach. Vielleicht hilft ihm das, seine Unsicherheit abzulegen." Und vielleicht bleibt die Halle beim nächsten Mal dann auch nicht mehr so leise.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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