Volleyball:Nichts als die Wahrheit

Lesezeit: 4 min

Job erledigt: Blocker Matthew Pollock, rechts, kam gegen Berlin (links Moritz Reichert) auch im Angriff auf 100 Prozent Erfolgsquote. (Foto: Amir Beganovic/Imago)

In kaum 80 Minuten fegen die Alpenvolleys über den Meister Berlin hinweg. Mit ihrem 3:0-Erfolg in Innsbruck beweisen sie ihren Fans und sich selbst, dass ihr Projekt auf einem ausgezeichneten Weg ist.

Von Sebastian Winter

Wer weiß das schon, aber vielleicht wird dieses Spiel einmal als jenes in Erinnerung bleiben, in dem die Alpenvolleys aus Tirol ihr Meisterstück abgeliefert haben; in dem sie endgültig in dieser für sie noch immer irgendwie fremden Bundesliga angekommen sind. Diese Tragweite hatte das Duell am Sonntagabend in der Innsbrucker Olympiahalle jedenfalls. Dort, wo die beste Stimmung herrschte, seit sich der österreichische Dauermeister vor eineinhalb Jahren per Wildcard und protegiert von seinem deutschen Projektpartner und Lizenznehmer TSV Unterhaching der höchsten deutschen Spielklasse angeschlossen hat.

Den sprachlich so sperrigen Hypo Tirol Alpenvolleys Haching war ja ein locker-leichter Coup gelungen, sie waren im Duell des ungeschlagenen Tabellenführers gegen den Meister einfach über die Berliner hinweggefegt, mit 3:0 (25:19, 25:22, 25:16), nach nicht einmal 80 Minuten. Wie ein Segelflugzeug bei Föhnwind. Es war ihr erster Sieg gegen ein Großkaliber, von denen es in Friedrichshafen und Berlin nur zwei gibt in der Liga - oder eben gab, wenn man die Leistung der Alpenvolleys vom Sonntag zugrunde legt. Das war ihrem Manager Hannes Kronthaler am wichtigsten - dass sie endlich einen der beiden Topklubs geschlagen haben. "Wir haben bewiesen, dass die Tabellenführung kein Zufall ist", sagte der Bauunternehmer Kronthaler, der fast platzte vor Stolz, als er nach dem Schlusspfiff die Spieler und das Trainerteam herzte. Nicht nur das: Sie hatten Berlins mächtigen Manager Kaweh Niroomand den Abend gewaltig verdorben, was auch erst mal einer schaffen muss. "Heute war null, nichts, da gibt es auch nichts schönzureden", schimpfte Niroomand schon kurz nach dem Schlusspfiff und holte zur Generalkritik aus: "Das ist noch keine Mannschaft, wir haben keine Verantwortlichkeiten, keine Führungsspieler, keine Hackordnung. Und ich sehe da leider auch keinen Fortschritt."

Fortschritte machten nur die Alpenvolleys, auch im Vergleich zu ihrem stark herausgespielten, aber unnötig knappen 3:2-Erfolg im CEV-Cup-Hinspiel vom Donnerstag gegen Novi Sad. Danilo Gelinski? Ist derzeit wohl der beste Zuspieler der Liga - und einer ihrer brachialsten Aufschläger. Wie er Berlin gleich zweimal mit frechen Finten am Netz bezwang, zeugte von seinem Spielwitz. Kirill Klets? Der anfangs so verschüchterte 2,10-Meter-Schlaks wurde gegen die Volleys zum wertvollsten Spieler gekürt, er entwickelt sich immer mehr zu dem Diagonalmann, der Spiele alleine entscheiden kann. Hugo da Silva und Pawel Halaba? Die Außenangreifer haben gerade noch Schwankungen von der Höhe des Patscherkofels, aber gegen Berlin überzeugten sie vollends. Auch die Blocker erledigten ihren Job, Matthew Pollock hatte selbst im Angriff eine 100-Prozent-Quote.

Mehr und mehr kristallisiert sich heraus, dass die vielen neuen und wenigen alten Spieler zu einer Einheit werden. "3:0 gegen den deutschen Meister, das passiert selten. Es gibt nicht viel, was wir schlecht gemacht haben", sagte selbst Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky, ansonsten ein kritischer Geist.

Die "Wochen der Wahrheit" hatten sie ausgerufen Mitte der vergangenen Woche. Das klang recht dramatisch, andererseits ist es ja tatsächlich so, dass dieser Dezember ihnen aufzeigen wird, wo sie wirklich stehen. In der Liga treffen sie auf sämtliche starken Gegner, Novi Sad im CEV-Cup ist auch alles andere als ein einfaches Los. Die Serben waren erst in der letzten Qualifikationsrunde zur Champions League gescheitert. Zwei dieser richtungsweisenden Spiele haben die Alpenvolleys nun schon gewonnen, das zweite auf eine beeindruckende Art und Weise. Wobei man natürlich einschränkend hinzufügen muss, dass das seit Saisonbeginn ohnehin kriselnde Berlin ein Schatten seiner selbst war.

"Wie stark die Alpenvolleys wirklich sind, wird man erst sehen, wenn sie auf eine Mannschaft treffen, die Widerstand leistet", sagte der angesäuerte Niroomand. Das war aber eher als ein weiterer verbaler Niederschlag gegenüber seiner Mannschaft zu verstehen denn als Kritik am Gegner. Düren, Frankfurt, nun die Alpenvolleys - drei verlorene Ligaspiele und Platz fünf sind weit weg vom Anspruch dieses Klubs. Und nun kommt auch noch ein Konkurrent, den man von Berlin aus nur erreicht, wenn man nach München fliegt und dann weiter mit dem Bus durch die Berge zuckelt. Und dem man dann innerhalb einer guten Stunde unterliegt.

"Ich glaube, diese Mannschaft und der Standort tun der Bundesliga gut", hatte Berlins Trainer Cedric Enard trotzdem noch vor der Partie gesagt. "Völlig zu Recht befinden sich die Alpenvolleys in der Spitzengruppe." Das ist leicht untertrieben. Sie führen die Tabelle mit makellosen 18 Zählern an, drei Punkte vor Friedrichshafen. Verrückte Welt.

Im Sommer 2017 waren die Alpenvolleys mit dem Dreistufenplan angetreten, im ersten Jahr Fünfter zu werden, im zweiten Dritter und im dritten am liebsten Meister. Idealerweise. Nun sind sie im ersten Jahr Dritter geworden und im zweiten noch immer ungeschlagen - bis auf dieses unpassende 0:3 im DVV-Pokal in Düren. "Man sieht, wir reden hier nicht von heißer Luft. Wir können auf diesem Niveau mitspielen", sagte Kronthaler, dem endlich auch die Atmosphäre in der Olympiahalle gefiel. "Die Stimmung war perfekt. Klar, es könnten mehr als 1200 Zuschauer sein, aber sie werden wiederkommen. Heute kann man nix finden in der Suppe." Nicht das kleinste Haar. Kronthaler hatte zuletzt ja schon leise Zweifel geäußert, ob sein Projekt denn irgendwann auch bei den Fans zünden würde.

Und nun, kapert Österreich erstmals den Bundesliga-Titel? "Die deutsche Meisterschaft ist noch ein weiter Weg. Aber wir nehmen alles mit, was geht", sagte Trainer Chrtiansky. Er scherzte nicht, was den anderen Klubs Sorgen machen sollte. Für seine eigenen Spieler hatte Chrtiansky noch ein Wellnessprogramm auf dem Plan: "Fitness, Sauna, Regeneration" am Montag. Einen Tag später reisen die Alpenvolleys schon mit dem Flieger über Wien nach Belgrad, und dann weiter mit dem Bus nach Novi Sad. In den serbischen Hexenkessel, den sie kaum erwarten können nach ihrer gelungenen Feuertaufe.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: