Volleyball:Mief gegen Moculescu

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Das Duell mit Friedrichshafen ist für Herrschings Volleyballer nicht nur der bisherige Heimspiel-Höhepunkt. Es birgt auch Brisanz: Denn für semiprofessionelle Klubs, zu denen der TSV gehört, hat der Rekordmeister nichts übrig

Von Sebastian Winter, Herrsching

Man muss über Stelian Moculescu eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren, denn seine Titelsammlung sagt schon alles aus über den 64-jährigen Rumänen: 18 Meisterschaften und 20 Pokalsiege errang er als Spieler und Trainer, die meisten davon mit dem VfB Friedrichshafen, mit dem Moculescu 2007 sogar die Champions League gewann. Auch wenn er mit dem Kleinstadt-Klub vom Bodensee die vergangenen drei Meistertitel an Berlin verlor, ist Moculescu der mit großem Abstand erfolgreichste Volleyball-Trainer in Deutschland.

Seine Fluchtgeschichte ist mindestens ebenso spektakulär und gut ausgeleuchtet: Am 11. September 1972, dem Abschlusstag der Olympischen Spiele, setzte sich Moculescu in München frühmorgens von der rumänischen Nationalmannschaft ab, später führte er 1860 München, Milbertshofen und Dachau zu Titeln. Doch wenn Moculescu an diesem Donnerstag wieder in den Großraum München zurückkehrt, um mit Friedrichshafen beim Aufsteiger TSV Herrsching zu punkten (20 Uhr, Nikolaushalle), dann darf er sich schon mal auf einen frostigen Empfang einstellen - und nicht auf Huldigungen. Denn genauso bekannt wie Moculescus Geschichte sind seine Wortbeiträge, die nicht unbedingt in der Fibel für angehende Diplomaten zu finden sind.

Das jüngste Beispiel ist erst wenige Wochen alt: Da hat Moculescu vom "Turnhallenmief" in seiner Sportart gesprochen. Er forderte bessere Spielstätten und ein professionelleres Umfeld für Erstligaklubs, denen er zugleich mangelnden Ehrgeiz vorwarf: "Solange sich Vereine damit zufrieden geben, dass sie Fünfter oder Sechster werden, solange kommen wir nicht weiter", sagte Moculescu, dessen Temperament auch schon mal Kameraleute und Journalisten zu spüren bekamen.

Der Debütant Herrsching würde sich in dieser Saison schon damit zufriedengeben, Vorletzter zu werden und nicht abzusteigen. Er spielt mangels Alternative in einer ziemlich miefigen Sporthalle, die meisten Spieler sind Amateure und keine Profis. Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn Herrschings Trainer Max Hauser sagt: "Moculescu hat sich mit seinen Aussagen bei uns und anderen Klubs aus den unteren Bereichen viele Feinde gemacht, das kam nicht so gut an." Auch wenn Hauser im Grundsatz mit Moculescu darin übereinstimmt, dass vieles schief läuft in der Profiliga. Beim Duell Herrschings mit Friedrichshafen prallen jedenfalls ihre wohl größten Antagonisten aufeinander.

Jubler und Mahner: Erfolgstrainer Stelian Moculescu verlangt von den deutschen Volleyballklubs mehr Ehrgeiz - und verärgert so auch die Herrschinger. (Foto: imago/Conny Kurth)

Pokalsieger Friedrichshafen ist mit einem Etat von mehr als zwei Millionen Euro der reichste Klub der Liga, Herrsching mit knapp 300 000 Euro ihr Armenhaus. Während Herrsching im Australier Luke Smith nur einen einzigen aktuellen Nationalspieler im Kader hat, hat in Friedrichshafen fast jeder Profi Länderspielerfahrung - zusammengezählt haben die VfB-Spieler etwa 900 Länderspiele absolviert. Und die ZF-Arena am Bodensee fasst 4000 Besucher, viermal so viele wie die Herrschinger Halle. Doch Moculescu, dessen Mannschaft in der Liga schon gegen Düren verloren hat und in der Champions League schwächelt, weiß auch: "Herrsching hat nichts zu verlieren, und dann spielen die vermeintlich schwächeren Teams sehr befreit und ohne Druck auf."

Max Hauser sieht in der Partie gegen Friedrichshafen ein gutes Training für das bereits zwei Tage später folgende wichtige Spiel bei Chemie Volley Mitteldeutschland, dem punktgleichen Tabellensiebten. "Und dazu muss ich die Jungs nicht mal motivieren. Es ist ein absolutes Highlight, wenn zum ersten Mal der Rekordmeister an den Ammersee kommt." Fast 400 Tickets hat Herrsching Hauser zufolge bereits verkauft, weit mehr als vor dem Pokalachtelfinale gegen Meister Berlin.

Moculescus Polterei hat sicher dazu beigetragen, dass sich die Herrschinger noch mehr als sonst als David fühlen, der den Favoriten ärgern will - und dessen Schwächen sieht: "Ihr Block ist nicht überragend. Und im Sideout machen sie auch Fehler", sagt Hauser: "Wir werden jede Chance nutzen, die wir bekommen. Friedrichshafen muss sich die Punkte schon erspielen." Nur vor einem Friedrichshafener Element fürchtet sich Hauser ein wenig: "Wenn sie die Aufschläge treffen, hilft nicht viel."

Helfen wird den Herrschingern auch Thomas Ranner nicht können, der Mittelblocker fällt wegen Knieproblemen aus. Für den zweiten Zuspieler Fabian Breinbauer, dessen Bänderriss noch nicht verheilt ist, hat Hauser aber Ersatz gefunden: den früheren Lohhofer Philipp Heckmann. Er war gerade im Urlaub in Griechenland, als Hauser ihn anrief. Nun ist er wieder zurück - und hat derzeit sonst nicht viel zu tun, außer am Ammersee Volleyball zu spielen. Es ist der Herrschinger Weg, neue Spieler zu finden. Aber Heckmann wird schnell eines spüren: dass seine unter semiprofessionellen Bedingungen arbeitenden Kollegen den Mief durchaus mögen.

© SZ vom 27.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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