Volleyball:Lobeshymnen aus Bayerisch-Tirol

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Die Alpenvolleys schlagen Lviv und treffen im Viertelfinale des CEV-Cups auf St. Petersburg mit seinem Angreifer Georg Grozer - inmitten einer Woche der Entscheidung.

Von Sebastian Winter, Unterhaching

Niklas Kronthaler knetete seine Finger, als er sich den Fragen stellte, er knetete und knetete, dann sah er, dass ein Finger blutete. Er nahm ihn in den Mund, versuchte, die kleine Blutung zu stillen, aber es wollte nicht so recht funktionieren. Woher die Verletzung denn stamme? "Ach, nicht schlimm, das ist mir beim Tape abwickeln passiert", sagte der Alpenvolleys-Außenangreifer, der diesmal in der Annahme nicht so sicher spielte wie üblich. Das Tape hält die Finger beim Angriff und beim Block stabil, es ist bei Kronthalers Teamkollegen Paulo da Silva schon fast zu einem Markenzeichen geworden. Denn der brasilianische Topscorer der Volleyball-Bundesliga umwickelt all seine Finger der rechten Hand mit den weißen Klebestreifen. Außer den Daumen.

Das Tape haben die Hypo Tirol Alpenvolleys am Dienstagabend gebraucht im Rückspiel des CEV-Cup-Achtelfinales gegen den ukrainischen Meister Barkom-Kazhany Lviv - zumindest in den ersten beiden Sätzen. Denn dort hatte der wegen des Sturms erst nach einem 24-Stunden-Horrortrip am Dienstagmorgen um 4.30 Uhr in Unterhaching angekommene Gegner die Alpenvolleys sehr unter Druck gesetzt, auch mit fiesen Aufschlägen. Das Spiel gewannen aber die Alpenvolleys mit 3:2 (25:23, 24:26, 25:14, 21:25, 15:11).

"Wir haben so viel Charakter gezeigt, im Angriff, Block, Service. Dort haben wir sie gebrochen."

Das Viertelfinale des zweithöchsten europäischen Wettbewerbs hatten sie ohnehin schon nach dem erfolgreichen dritten Satz erreicht. Denn nach dem 3:0-Erfolg im Hinspiel reichten ihnen der Europapokal-Arithmetik entsprechend zwei gewonnene Sätze. Vor allem auf diesen dritten Satz war Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky später besonders stolz: "Wir haben sooo viel Charakter gezeigt, alle waren aggressiv, im Angriff, im Block, im Service. Dort haben wir sie gebrochen."

In der nächsten Runde spielen die Alpenvolleys nun also tatsächlich gegen Georg Grozer, der Deutschland nach der gescheiterten Olympia-Qualifikation im Januar in Berlin tief enttäuscht verlassen hatte. Es war zugleich sein letzter Auftritt als Nationalspieler. Doch nun kehrt er mit dem russischen Spitzenklub Zenit St. Petersburg zurück, um sich bereits in knapp zwei Wochen am Faschingsdienstag in Unterhaching mit den Alpenvolleys zu messen. Stelian Moculescu, Grozers früherer Trainer in Friedrichshafen, hat sich angekündigt, und Alpenvolleys-Sportdirektor Mihai Paduretu schickt schon mal Lobeshymnen Richtung St. Petersburg. "Im Vergleich zu dem Team, das in zwei Wochen kommt, war Lviv eine Jugendmannschaft. Und dass Georg Grozer hierherkommt, wird ein Highlight. Er ist nicht nur der beste deutsche Spieler und einer der stärksten Profis der Welt, sondern spielt mit seinen 35 Jahren auch noch besser als mit 25."

Ein Sieg gegen St. Petersburg, das zurzeit in der russischen Liga, die als hochwertigste der Welt gilt, Sechster ist, ist Paduretu zufolge illusorisch. "Wenn sie normal spielen, haben wir keine Chance." Dem Sportdirektor geht es eher darum, mal wieder ein Starensemble zu Gast in Unterhaching zu haben - und in Grozer einen Publikumsmagneten, der die Halle füllt.

"Wir haben ein Jahr gebraucht, um die Zuschauer von diesem Projekt zu überzeugen."

Der Publikumszuspruch in Unterhaching steigt ohnehin. Das hängt auch mit dem derzeitigen Erfolg der Alpenvolleys zusammen, die in der Liga Zweiter sind und inklusive CEV-Cup seit Anfang Dezember zwölf ihrer 13 Spiele gewonnen haben. Paduretu sagt zugleich, dass sein Team in Unterhaching im Hintergrund mehr arbeite: "Wir haben ein Jahr gebraucht, um die Leute hier von dem Alpenvolleys-Projekt zu überzeugen. Es ist ein Kampf um jeden Zuschauer, und man sieht, dass Mund-zu-Mund-Propaganda das Beste ist."

Manager Hannes Kronthaler hatte in der SZ Anfang Februar erstmals explizit erklärt, das Projekt fortsetzen zu wollen, auch die Liga möchte den Deutsch-Österreichern, die zurzeit der erste Verfolger von Meister Berlin sind, keine Steine in den Weg legen. Allerdings müssen die restlichen Erstligisten dem eigentlich auf drei Jahre angelegten transnationalen Projekt, das nach dieser Saison enden würde, vor der nächsten Spielzeit ein zweites Mal grünes Licht geben.

Die Spieler der Alpenvolleys sind nach ihrem dichten Terminplan seit Mitte Januar erst einmal froh über die zehntägige Pause, die sie wegen des DVV-Pokalfinales am Sonntag nun haben. "Wir haben heute die letzte Restenergie herausgeholt", sagte Niklas Kronthaler am Dienstag noch. Neue Energie benötigen sie in der folgenden Woche, die auch als Standortbestimmung dient. Am 22. Februar treffen die Alpenvolleys auswärts auf Friedrichshafen, eine Woche später in Innsbruck auf Frankfurt, die beiden unmittelbaren Verfolger. Und zwischendrin kommt Grozer nach Unterhaching. "Wir wollen Georg noch mal die Chance geben, sich ordentlich in Deutschland zu verabschieden", sagte Alpenvolleys-Libero Florian Ringseis. Sein Flachs passt zur selbstbewussten Stimmungslage, die sich gerade breitmacht in Bayerisch-Tirol.

© SZ vom 13.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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