Volleyball:Leer im Kopf

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Nichts in den Händen: Das Mienenspiel von Herrschings Trainer Max Hauser und Außenangreifer Benedikt Doranth (re.) sagt alles nach der derben 0:3-Niederlage in Lüneburg. (Foto: Nordphoto/Imago)

Überraschend deutlich verliert der TSV Herrsching das Ligaspiel bei seinem Alter Ego Lüneburg 0:3

Von Sebastian Winter, Herrsching

Am Sonntagabend haben Herrschings Volleyballer ihre viertägige Deutschlandreise beendet, die sie über Berlin (Pokal-Halbfinale) und Lüneburg (Ligaspiel) führte, mit der Deutschen Bahn. Man kann sagen, es hat keine größeren Komplikationen gegeben, keinen gravierenden Wintereinbruch, keine ausgefallenen Züge oder Heizungen, aber irgendwie ließ diese Reise die Volleyballer doch recht ernüchtert wieder ankommen in München. Beide Spiele hatten sie mit 0:3 verloren, was hinsichtlich des Spiels beim deutschen Meister Berlin erwartet werden durfte, im Falle des Tabellensiebten Lüneburg eher nicht. "Wir waren mit dem Kopf nicht so ganz dabei und sind ziemlich schnell negativ geworden. Uns hat auch die Frische gefehlt", sagte Herrschings Trainer Max Hauser, dessen Mannschaft Lüneburg nun unmittelbar vor sich auf Tabellenplatz fünf vorbeiziehen lassen musste.

Eine Mischung aus mentaler und körperlicher Leere nach fünf Spielen binnen zwei Wochen sowie zu vielen Absenzen sah Hauser als Hauptursache für die Pleite vor 800 Zuschauern in Lüneburg. Immerhin hatte er - wie schon gegen Berlin - auf Mittelblocker Peter Ondrovic (Fingerbruch), Nicolai Grabmüller (Magen-Darm-Infekt) und Michael Wehl (berufliche Gründe) verzichten müssen. Florian Malescha und Roy Friedrich, die für das Spiel am Donnerstag in Berlin ebenfalls keine Freigabe ihres Arbeitgebers bekommen hatten, kamen erst am Samstag in Lüneburg an. Der Mittelblock war nach wie vor stark dezimiert, Zuspieler Tobias Neumann versuchte sich wie schon in Berlin auf dieser Position, mit eher bescheidenem Erfolg. Friedrich hatte auch keinen seiner besten Tage erwischt und wie einige Kollegen große Aufschlagprobleme. Im zweiten Satz erschwerten noch massive Annahmeprobleme Herrschings irgendwie blutleeres Spiel. Nach dem 19:25 und 18:25 kam zumindest bis zur 10:6-Führung im dritten Satz etwas mehr Schwung in Herrschings Spiel, doch dieser war schnell wieder vorbei - wie auch das Spiel nach dem 21:25. Und in Lüneburg waren sie am Ende schon auch etwas überrascht über die recht fade Vorstellung der Gäste. Sie selbst hätten "ein sehr gutes Spiel gemacht, kaum eigene Fehler und konzentriert bis zum Ende", sagte Lüneburgs Trainer Stefan Hübner.

Das Duell Lüneburgs gegen Herrsching war aus zweierlei Gründen spannend zu beobachten. Zum einen traten unmittelbare Tabellennachbarn gegeneinander an, die beide um Platz sechs und den direkten Playoff-Einzug kämpfen - Herrsching hat sein Saisonziel erst vor wenigen Tagen entsprechend korrigiert. Zum anderen stehen sie eben genau nicht für das verhältnismäßig reiche Establishment der Liga, wie Friedrichshafen und Berlin, sondern für den mit vielen Strukturproblemen kämpfenden ärmeren Teil.

Beide sind 2014 in die erste Liga aufgestiegen, beide Hallen entsprechen nicht den Anforderungen der Volleyball-Bundesliga (VBL) und dürfen daher nur mit Ausnahmegenehmigung bespielt werden. Lüneburg hat es 2015 immerhin ins Pokalfinale geschafft, die neue Halle soll außerdem in einem Jahr fertig sein. Das Gelände ist planiert, die Architektenpläne fertig, bei der Politik gibt es wohl noch Gesprächsbedarf. Herrsching hat bislang zwar fertige Pläne, aber kein Grundstück für eine neue Arena. Die Uhr tickt. Auch hat Lüneburg in Hamburg eine Ausweichhalle zur Hand, in die der Klub entsprechend der VBL-Vorgaben zum Playoff-Viertelfinale umziehen müsste. Eine solche Ersatzarena haben die Herrschinger bislang nicht benannt, weswegen sie bereits im Pokal-Halbfinale ihr Heimrecht an Berlin verloren - und der VBL einen markigen offenen Brief schrieben. Dessen Kern: Der 2014 verabschiedete Professionalisierungsplan der VBL funktioniert in Teilen nicht, ist zu ehrgeizig und führt zum Ausbluten der Liga.

"Herrsching wollte ein Zeichen setzen, wenn auch ein bisschen provokant nach außen", sagt Lüneburgs Geschäftsführer Andreas Bahlburg: "Ich hoffe dass, die Politik dort in der Region aufwacht. Der Masterplan muss außerdem durchleuchtet werden, um solche Probleme wie in Herrsching künftig besser abfedern zu können." Manager wie Berlins Kaweh Niroomand pochen hingegen wie die VBL auf strikte Einhaltung des Plans. Ende Januar finden am Rande des Pokalfinales in Mannheim wichtige Arbeitskreis-Sitzungen zur Vorbereitung der Bundesliga-Versammlung im Sommer 2017 statt. Auch die Evaluierung des Masterplans steht auf der Tagesordnung. Übrigens kommt am Samstag der VfB Friedrichshafen nach Herrsching in die Nikolaushalle. Es könnte, nach all den Briefwechseln und Zetereien, mal wieder ein sportlicher Höhepunkt werden.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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