Volleyball:Kühl bis frostig

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Herrsching fegt im Pokal-Viertelfinale mit 3:0 über Giesen hinweg, darf nun vom Endspiel träumen - und ärgert sich erst einmal über die Liga.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Es ist schon seltsam, durch den Notausgang in eine Halle zu kommen, die mangels funktionierender Heizung nicht gerade heimelige Wärme ausstrahlt. Viele Menschen waren ja auch nicht zugegen, die die Temperatur mittels ihrer Körperwärme hätten ansteigen lassen können. Zwei Volleyball-Mannschaften samt Trainer- und Betreuerstab, Schiedsgericht, Ballrollerinnen, ein halbes Dutzend Fotografen und Journalisten, ein paar Mitarbeiter der WWK Volleys Herrsching auf der Tribüne: Vielleicht 50 Leute verloren sich am Donnerstagabend beim DVV-Pokal-Viertelfinale gegen die Helios Grizzlys Giesen in der Nikolaushalle. Dort also, wo normalerweise 1000 ziemlich laute Fans ihre Mannschaft unterstützen. Draußen im Nebel vor der Halle wurde Fieber gemessen, drinnen wurden Plastiküberzieher für die Straßenschuhe verteilt - das Hygienekonzept verlangt auch das.

Immerhin: Herrschings König war da, in voller Montur, mit goldener Krone und samtrotem Umhang, und kämpfte mit Musik und Geklatsche gegen die Leere an. Aber auf die sonst übliche kleine Theatereinlage vor Spielbeginn verzichtete das Oberhaupt, alias Laiendarsteller Alexander Tropschug, in diesen humorlosen Zeiten. Für wen hätte er sich auch inszenieren sollen?

Die Herrschinger haben sich ohnehin längst daran gewöhnt, dass sich gerade alles auf den reinen Sport konzentriert. Manchmal schadet das auch nicht, wie an diesem Abend. Denn der Klub vom Ammersee gewann sein erstes K.-o.-Spiel dieser Saison gegen Giesen, das jüngst in der Liga das bis dato ungeschlagenen Bühl bezwungen hatte, 3:0 (27:25, 25:17, 25:15).

Gaudi in Krachleder-Optik: Herrschings Volleyballer freuen sich über die vier Asse ihres kanadischen Außenangreifers Jori Mantha (vorne), die den 3:0-Erfolg in der Nikolaushalle gegen Giesen besiegelten. Ihr Trainer Max Hauser fand, dass der Aufschlag generell "der Schlüssel" zum Weiterkommen gewesen sei. (Foto: Oryk Haist/imago)

Mit dem durchaus beeindruckenden, weil mit viel Power im Aufschlag und Angriff herausgespielten Erfolg haben die Volleys die Tür zum erstmaligen Finaleinzug nun sehr weit aufgestoßen. Denn weil der Meisterschaftsfavorit Berlin Volleys in seinem Viertelfinale überraschend 2:3 gegen Königs Wusterhausen verlor, spielt Herrsching nun am 10. Dezember in Königs Wusterhausen ums Endspiel in Mannheim. Am 28. Februar würden sie dort - in normalen Zeiten - vor mehr als 10 000 Zuschauern auflaufen. Auch wenn das unwahrscheinlich erscheint: Durch die großflächige TV-Übertragung hätten sie in jedem Fall so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. "Wenn ich ein Finale spiele, möchte ich auch den Pokal gewinnen", sagte Herrschings Trainer Max Hauser, der von der Deutlichkeit des Sieges überrascht war: "Wir haben sehr, sehr stark aufgeschlagen, das war der Schlüssel." Libero Ferdinand Tille hatte noch eine weitergehende Erklärung: "Wir spielen als Team, nicht als Individuen." Bei der Heimniederlage gegen Friedrichshafen vor drei Wochen habe es "ein bisschen negative Stimmung auf dem Feld gegeben", sagte Tille, der gerade Vater geworden ist: "Wir haben das angesprochen, und jetzt läuft es einfach gut."

Selbst im ersten Satz, in der einzigen kritischen Phase, als Herrsching eine 23:20-Führung leichtfertig verspielte, bogen das Zuspieler Johannes Tille mit einem starken Aufschlag und ein Dreierblock wieder zum 27:25 zurecht. Das Ende war dann fast schon demütigend für Giesen. Ein Ass vom starken Kanadier Jori Mantha, ein Block von Dorde Ilic, ein zweites Ass von Mantha, ein drittes, ein Block von Tim Peter, Manthas viertes Ass. Alles in Serie, zum 24:15 im dritten Satz. Beim Matchball stolperte dann auch noch Giesens Zuspieler Merten Krüger über seine eigenen Beine, der Ball fiel auf den Boden, Herrsching stand im Halbfinale.

Sollte Herrsching das DVV-Pokalfinale erreichen, kann Libero Ferdinand Tille schon mal die Sektkorken knallen lassen. Dreimal stand er im Endspiel, 2009, 2010 und 2011, dreimal gewann er den Cup - damals noch mit Unterhaching. (Foto: Marcel Lorenz/Imago)

Den Gegner kennen sie inzwischen gut, vor einer Woche erst hat Hausers Mannschaft in der Liga in Königs Wusterhausen vorbeigeschaut und 3:2 gewonnen. Allein das - und dass die Netzhoppers die Über-Mannschaft aus Berlin in deren Halle aus dem Wettbewerb geworfen haben - sollte den Herrschingern Warnung genug sein, zumal sie auswärts antreten müssen. Wo genau gespielt wird, ist noch nicht sicher, die Netzhoppers erwägen fürs Pokal-Halbfinale wegen eines möglichen TV-Spiels einen Umzug in die MBS-Arena nach Potsdam. Die Tendenz ist aber eher, dass sie in ihrer engen, kleinen Halle bleiben.

Auch in Herrsching, das seit Jahren mit einer Ausnahmegenehmigung der Volleyball-Bundesliga (VBL) in der Nikolaushalle spielt, schwelt das Hallenthema. Jedenfalls ist der Klub extrem enttäuscht darüber, dass die Volleyball-Bundesliga ein mögliches Ligaspiel gegen Berlin im Münchner Audi Dome kurz vor Weihnachten nicht als Livespiel bei Sport 1 untergebracht hat. Herrsching hat die Partie, wie auch weitere im Audi Dome geplante Spiele gegen Giesen (27. Dezember) und Frankfurt (16. Januar) inzwischen in Absprache mit dem Hauptmieter, den FC-Bayern-Basketballern, wegen der zu hohen Kosten storniert. Diese Spiele finden nun in der Nikolaushalle statt. Wären sie im Audi Dome als TV-Livespiel gezeigt worden, hätten die Herrschinger den Schritt gewagt. "Ich bin inzwischen so abgestumpft, dass ich mich über nichts mehr aufrege", sagt Herrschings Geschäftsführer Fritz Frömming Richtung VBL.

Die Liga verweist hingegen auf laufende Verträge mit Sport 1 und einem Produktionsdienstleister, denen zufolge die Spiele bereits im Juli festgezurrt wurden. "Damals war nie die Rede von einem TV-Spiel im Audi Dome, ich kann mich deshalb nur wundern", sagt VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung. Zumal nur drei Männer-Standorte - Berlin, Friedrichshafen und Frankfurt - mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet seien. "Wir begrüßen sehr, dass Herrsching in den Audi Dome strebt, aber können kein Wunschkonzert veranstalten", sagt Jung.

© SZ vom 28.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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