Volleyball:Krampf und Motzereien

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Die Alpenvolleys unterliegen in Innsbruck abermals Angstgegner Frankfurt - und berauben sich ihrer guten Ausgangsposition für die Playoffs.

Von Sebastian Winter, Innsbruck

Kurioses gab es schon vor dem Anpfiff des Spitzenspiels in der Volleyball-Bundesliga zwischen den Hypo Tirol Alpenvolleys Haching und den United Volleys aus Frankfurt - dem Duell des Tabellendritten gegen den Zweiten aus Hessen - zu sehen. Der Schiedsrichter war nicht da, die Spieler standen daher etwas ratlos auf dem Feld herum. Die Erklärung des Hallensprechers ließ dann auch das Publikum schmunzeln in der Innsbrucker Olympiahalle: "Ein technisches Problem an einem Schloss der Toilette behindert den Schiedsrichter, herauszukommen." Ein paar Minuten später kam der Erdinger Unparteiische Tobias Kilger dann doch noch aufs Feld, lächelnd, aber freilich etwas peinlich berührt. Die Tür hatte aufgebrochen werden müssen. Spieler applaudierten ihm und lächelten, was dem Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky gar nicht so recht war, wie er mit einer energischen Handbewegung verdeutlichte. Er ermahnte sie, sich stärker zu fokussieren auf das so schwere Spiel gegen Angstgegner Frankfurt.

Es ging ja um viel an diesem vorfrühlingshaften Samstagabend in Tirol, beide Gegner wiesen vor der Partie 38 Punkte auf, genauso viele wie der Tabellenvierte Friedrichshafen. Und alle drei eint das Ziel, auf Platz zwei hinter dem weit enteilten deutschen Meister und Pokalsieger Berlin in die Playoffs zu starten. Denn der Zweite hat in der Viertelfinal- und einer möglichen Halbfinalserie den Heimspielbonus. Die Alpenvolleys fanden allerdings ihren Fokus nur im ersten Satz gegen Frankfurt wieder. Und sie haben es nun drei Spieltage vor dem Rückrundenende nicht mehr selbst in der Hand, diesen zweiten Platz zu erreichen. Denn sie verloren das keinesfalls hochklassige Spiel gegen Frankfurt vor 1200 Zuschauern fahrig mit 1:3 (25:20, 20:25, 21:25, 22:25) und fallen damit auf Rang vier zurück - drei Punkte hinter Frankfurt und Friedrichshafen, das sein Spiel in Rottenburg mit 3:1 gewann.

Die "schwierige Phase", die Außenangreifer Niklas Kronthaler diagnostizierte, wird durch weitere Zahlen untermauert: Es war die dritte Liga-Heimniederlage in dieser Saison für die Alpenvolleys, die zuvor Berlin und Friedrichshafen jeweils mit 2:3 unterlegen waren. Es war die dritte Pleite in Serie, nach dem 1:3 in Friedrichshafen und dem sehr hochklassigen 2:3 gegen St. Petersburg. Und es war die fünfte Niederlage im sechsten Duell gegen Frankfurt.

Der Abend hatte schon mit einer denkbar schlechten Nachricht begonnen, womit nicht der komplizierte Toilettengang des Schiedsrichters gemeint ist. Vielmehr hatte sich Alpenvolleys-Hauptangreifer Paulo da Silva vor dem Start schon wieder die Trainingsjacke übergestreift. Der brasilianische Topscorer der Liga war bereits beim CEV-Cup-Hinspiel gegen St. Petersburg wegen Schulterbeschwerden ausgefallen. Nach dem Abschlusstraining gegen Frankfurt traten sie wieder auf - da Silva soll nun für die Playoffs geschont werden. Zugleich fehlte er der Mannschaft im richtungsweisenden Spiel gegen die United Volleys vor allem im Aufschlag und im Angriff in wichtigen Situationen gewaltig.

Sein unerfahrener Ersatzmann Jerome Cross, der gegen St. Petersburg noch so geglänzt hatte, überzeugte auch gegen Frankfurt, aber je länger das Spiel dauerte, desto mehr verließ den Kanadier die Courage. Immer öfter landeten seine Angriffe im Block oder im Aus. Auch im Aufschlag kann Cross dem extrem erfahrenen da Silva noch nicht das Wasser reichen.

An Cross lag es aber nicht nur, dass die Alpenvolleys die Kontrolle über das Spiel verloren. Denn auch die anderen Angreifer, wie der sonst so stabile Niklas Kronthaler, wirkten diesmal seltsam unkonzentriert. Am Ende des dritten Satzes übertrat erst Jérôme Clère bei einem Hinterfeldangriff die Linie, was er nicht darf. Dann wurde Pedro Frances geblockt, danach Kronthaler. Zum Schluss schlug Clère den Ball unbedrängt weit ins Aus. Kronthaler sagte später zerknirscht, "ich muss viel Schuld auf mich nehmen, denn ich bin fast gar nicht durchgekommen". Aber das gesamte Team zeigte eine fatale Körpersprache, viel zu oft wurde über Fehler der Mitspieler gemotzt. "Alles war krampfig, und Frankfurt hat das eiskalt ausgenutzt", sagte Trainer Stefan Chrtiansky.

Hannes Kronthaler, der Alpenvolleys-Manager, war ziemlich sauer, früh verließ er die Halle, während im Vip-Saal noch gespeist und getrunken wurde. "Das war beschissen, eine unreife Leistung. Wenn man sich bei 20:20 über Punkte ärgert, die man nicht macht, ist das ein Anfängerfehler. Ich ärgere mich auch deshalb so, weil ich nicht wieder Vierter werden will." Als Vierter vor den Playoffs würden die Alpenvolleys sehr wahrscheinlich wie im Vorjahr im Halbfinale wieder auf Berlin treffen - was sie unbedingt vermeiden wollten. Immerhin spielen Frankfurt und Friedrichshafen in den nächsten Wochen noch gegen Berlin: "Wir müssen jetzt neun Punkte aus unseren drei Spielen holen", sagte Kronthaler. Es könnte ein Herzschlagfinale werden im Rennen um die beste Ausgangsposition.

Jetzt steht aber erst einmal die Reise nach St. Petersburg an, am Montagmorgen startet der Flieger. Mit dem stark erkälteten Blocker Saso Stalekar, der gegen Frankfurt ausgefallen war, mit Paulo da Silva, der aber geschont wird. Und ohne Außenangreifer Jordan Richards, wegen seiner Knieprobleme. Chancen sehen die Alpenvolleys ohnehin kaum auswärts gegen das Starensemble um Georg Grozer. "Ich habe ihnen nur gesagt: ,Fahrt's hin, tut euch nicht weh und kommt gesund zurück", sagte Kronthaler. Dann verschwand er mit versteinerter Miene in die Nacht.

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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