Volleyball:Kinder an die Macht

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Jetzt noch jünger: Der ASV Dachau setzt konsequent auf seinen eigenen Nachwuchs und startet mit seiner U-20-Mannschaft in die 3. Liga. Nur zwei Spieler sind älter als 20 Jahre, und auch der neue Trainer Dominic von Känel ist erst 23.

Von Sebastian Winter, Dachau

Zeit ist relativ, und bei Dominic von Känel hat es manchmal den Anschein, dass seine Tage 48 statt 24 Stunden haben. Wie sonst sollte der 23-Jährige dieses Pensum schaffen: Bislang war von Känel Teammanager von Dachaus Drittliga-Volleyballern, stellvertretender Jugendleiter, Trainer der dritten Herren, der U18 und U20, dazu Leiter des bayerischen Nachwuchs-Stützpunktes beim ASV. Das alles als Nebenjob, denn eigentlich ist er im Hauptberuf seit 1. Januar Beachvolleyball-Landestrainer in Bayern. Außerdem studiert von Känel noch, Wirtschaftspsychologie - wenn er denn Zeit hat. "Nicht, dass mir langweilig wird", sagt von Känel.

Das dürfte nicht passieren, denn von sofort an ist er nicht mehr Teammanager der ersten Mannschaft, sondern ihr Cheftrainer in der dritthöchsten Liga. Von Känel tritt damit die Nachfolge des bisherigen Coaches Martin Carinelli an, der aus beruflichen Gründen mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern auf seine Heimatinsel Mallorca zurückkehrt. Von Känel setzt seine eigene Philosophie künftig radikal um: "Wir werden mit der kompletten U20 in der dritten Liga spielen. "

Am Montag war Trainingsauftakt, und so jung dürfte Dachaus erste Mannschaft noch nie gewesen sein, die von Känel um sich versammelt hat. Die einzigen über 20-Jährigen, die in der Mannschaft bleiben, sind Mittelblocker Thomas Öster und Diagonalangreifer Konstantin Luber. Ansonsten gibt es einen kompletten Umbruch beim langjährigen Zweitligisten, der vor einem Jahr überraschend abgestiegen war - und seither noch konsequenter als zuvor auf den Nachwuchs setzt. Der langjährige ASV-Kapitän Sebastian Wenninger wird von Känels neuer Co-Trainer, ohnehin hatten Hüftprobleme die Leistungssport-Ambitionen des Außenangreifers zunichte gemacht. Im Herbst muss er zum zweiten Mal operiert werden, um eine Fehlstellung zu korrigieren, die lange Zeit auf das Knie ausgestrahlt hatte. Außenangreifer Pablo Karnbaum wechselt zum Zweitligisten TSV Grafing, die Zukunft von Aleksandrs Ziskins, Marko Riedlbeck, Florian Mayrhofer und Michael Weindel ist noch offen, in der ersten ASV-Mannschaft spielen sie aber nicht mehr.

Künftig nehmen Spieler wie Benedikt Sagstetter, Sebastian Hartmann, Simon Pfretzschner oder Vincent Graven Schlüsselpositionen in der Mannschaft ein - Junioren, die mit der U14, U16 und U18 deutscher Meister wurden - und vor wenigen Wochen mit der U20 erst im DM-Finale dem TSV Unterhaching unterlagen. "Wir gehen trotz dieser Erfolge mit einer Kindermannschaft in die dritte Liga", sagt von Känel: "Die kommende Saison wird sauschwer." Auch, weil viele der Talente ihr Abitur machen. Und weil ihnen Führungsspieler Lukas Pfretzschner künftig fehlt. Der 17-Jährige, der kommenden Samstag zur U-20-Weltmeisterschaft der Beachvolleyballer nach China fliegt, zieht Ende August an den Bundesstützpunkt nach Berlin. Dort sieht Pfretzschner mehr Chancen, Schule und Leistungssport sowie Hallen- und Beachvolleyball zu verknüpfen. Jonas Sagstetter, einst auch für Dachau aktiv und zuletzt im Volleyball-Internat Frankfurt, hat offenbar Angebote aus der ersten Liga. Ihre jüngeren Brüder eifern ihnen nun in Dachaus erster Mannschaft nach.

Der ASV hat sich dabei bewusst gegen eine externe Trainervariante entschieden, sondern für von Känel, der die jungen Spieler wie auch den Verein so gut kennt wie kaum jemand sonst. Der Klub wollte auch nicht wieder eine Lösung mit mehreren Coaches, die sich bei der Arbeit abwechseln. "Wir wollten eine komplette Lösung", sagt von Känel, der nun fünfmal Training pro Woche für die jungen Drittliga-Volleyballer anbieten will. Selbst möchte er aber nicht mehr spielen. Zeit ist irgendwann doch endlich.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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