Volleyball:Kanadier mit Deckentrauma

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Herrschings Volleyballer komplettieren ihren Kader mit Bryan Fraser - einem alten Bekannten, von dem sie sich mehr Stabilität für die Annahme und ihren Außenangriff erhoffen.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Bryan Fraser hat nicht unbedingt die besten Erinnerungen an den 21. November 2015. Dieser Tag, den er in Herrsching am Ammersee verbrachte, hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass er den Kanadier noch ein wenig länger verfolgen wird. Aber wer weiß, es schließt sich ja nun auch ein Kreis für den Mann aus North Battleford, Saskatchewan, einem kleinen Ort in der kanadischen Prärie. Denn Fraser, 27 Jahre alt, knapp zwei Meter groß, 94 Kilogramm schwer, wechselt nun ausgerechnet zu den WWK Volleys nach Herrsching, als letzter Außenangreifer für die kommende Saison. Und das erste, was er wohl machen wird in seiner neuen Spielstätte, der Nikolaushalle, ist ein Blick an die Decke zu werfen. Um nachzusehen, ob dieser verfluchte Basketballkorb immer noch dort oben hängt.

Vor fast drei Jahren war Fraser mit dem damaligen Erstliga-Tabellenführer United Volleys zu Gast in der engen Sporthalle, und er wirkte zunehmend beunruhigt, denn eine große Überraschung bahnte sich an. Herrsching hatte den ersten Satz gewonnen, im zweiten Satz stand es auch schon 24:21 für den Außenseiter. Dann kam Fraser für die Gäste zum Aufschlag, wuchtete zwei Asse über das Netz und war im Begriff, das Spiel zu drehen. Er warf den Ball zum dritten Sprungaufschlag an, hoch, sehr hoch. Zu hoch. Der Ball berührte einen an der Decke hängenden Basketballkorb - Punkt für Herrsching. Der irritierte Fraser wäre gerne wie Pumuckl einfach verschwunden in dieser Szene, die ihm ziemlich peinlich war. Weil das natürlich nicht ging, suchte er etwas Trost bei seinen Mitspielern. Die Herrschinger nutzten die gegnerische Konfusion, gewannen den Satz 25:23 und das Spiel mit 3:0. Der Ballwurf an die Decke wurde so auch zum Sinnbild dafür, wie der Favorit, dessen eigene Halle viel moderner und höher ist, im flachen Reich des Außenseiters straucheln kann. "Ja, die Story von damals ist schon echt ein Hammer gewesen. Aber wir haben ihn eher wegen den ersten zwei massiven Aufschlägen geholt", sagt Herrschings Trainer Max Hauser. Und eben nicht wegen seines Anwurfs an die Hallendecke.

Im Sommer hat der 27-Jährige noch geheiratet. Seine Frau nimmt er mit an den Ammersee

Fraser siedelte nach fünf College-Jahren bei der University of Saskatchewan 2015 nach Europa über, um dort mit Volleyball sein Geld zu verdienen. Er landete direkt in der Bundesliga, bei den aufstrebenden United Volleys, die schnell zum drittbesten Bundesligaklub hinter Berlin und Friedrichshafen wurden. Nach einer Saison wechselte er zum holländischen Klub Abiant Lycurgus, mit dem er gleich Landesmeister wurde. Der französische Erstligaverein ASUL Lyon Volley war seine nächste Station. Nun ist Fraser zurück in Deutschland, mit seiner Frau Karin, die er im Sommer noch geheiratet hat. "Herrschings Fans und die Atmosphäre hier haben mich damals schon beeindruckt und es war für alle Gegner immer schwer, hier zu spielen. Das ist hängen geblieben und so freue ich mich jetzt darauf, selber ein Teil von so einer motivierten und erfolgshungrigen Truppe zu sein", wird Fraser in einer Mitteilung des TSV Herrsching zitiert.

Er soll mit seiner inzwischen gesammelten Erfahrung Stabilität in die Annahme und den Außenangriff bringen. "Wir haben da mit Tim Peter und Artem Sushko zwei junge Spieler, daher ist Bryan eine perfekte Ergänzung. Er kennt die Bundesliga und hat international auf Top-Niveau gespielt", sagt Herrschings Teammanager Fritz Frömming. Am Ammersee wissen sie zugleich, dass auch einer wie Fraser den nach Italien abgewanderten Tom Strohbach nicht ersetzen kann. Dessen Annahme- und Angriffsstärke wollen sie nun auf mehrere Schultern verteilen.

Fraser ist nun der letzte von insgesamt acht Zugängen für Herrsching, das sein Gesicht damit komplett verändert hat. In Libero Ferdinand Tille und Angreifer Peter sind nur noch zwei Spieler des Teams aus der vergangenen Saison übrig, einen solchen Umbruch hat es noch nicht gegeben, seit Herrsching in der ersten Liga spielt. Die Quote an deutschen Spielern ist auch weiterhin sehr hoch, sechs von zehn Akteuren kommen aus dem Inland, dazu zwei US-Amerikaner, der Kanadier Fraser und ein Ungar. Auch Christoph Marks ist noch Teil des Teams - auf dem Papier. Im bizarren Streit um seinen Wechsel nach Italien, wo Marks trotz eines bis 2019 gültigen Vertrages in Herrsching offenbar für die kommende Saison ebenfalls einen Kontrakt unterschrieben hat, bleibt sein alter Klub hartnäckig. "Wir geben ihn nicht frei, solange nichts geklärt ist", sagt TSV-Marketingmanager André Bugl. Das heißt im Klartext, dass die geforderte Ablösesumme auch weiterhin nicht auf dem Konto der Herrschinger Volleyballer eingegangen ist.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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