Volleyball:Jenseits der Komfortzone

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Der lange verletzte Blocker Thomas Ranner hat in Herrsching Anschluss gefunden

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone. Sicherlich ist das kein bequemes Motto, das sich Thomas Ranner da ausgesucht hat. Aber so steht es in seinem Spielerprofil beim Volleyball-Bundesligisten TSV Herrsching- und es passt zum Werdegang des 27-Jährigen.

Ranner hat immer geschuftet, gekämpft und sich nie ausgeruht. Auch in den schweren Momenten seiner sportlichen Karriere. Im Sommer 2012 war so ein Moment. Dem Münchner, damals in Diensten des TV Rottenburg, riss bei einem Spiel in Friedrichshafen die Patellasehne. "Ich wusste gar nicht, ob es noch weiter geht", sagt Ranner. 18 Monate Reha folgten. Ranner kämpfte. Sein Verein unterstützte ihn bei der Aufbauarbeit, einen neuen Vertrag bekam er nicht. Ranner kämpfte weiter. Und wechselte zum ASV Dachau in die zweite Liga, zeigte wieder gute Leistungen und heuerte vor dieser Saison in Herrsching an.

An diesem Samstag (19 Uhr, Nikolaushalle) kommt es zum Wiedersehen mit seinem einstigen Klub. "Ich bin damals mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus Rottenburg weggegangen", sagt Ranner. Einerseits fühlte er sich in Schwaben nahe seiner Studienstadt Tübingen vier Jahre lang sehr wohl. Über Rottenburg hat er eigentlich nur Positives zu berichten: ein professionell geführter Verein, finanziell solide mit familiärer Atmosphäre, in gewisser Weise ein Vorbild für Herrsching. Kontakt bestehe nach wie vor. Andererseits war es Zeit für einen sportlichen Neuanfang. Zeit also, die Komfortzone zu verlassen.

In Herrsching kämpft Ranner um einen festen Platz im Team, ist oft nur Einwechselspieler. Überhaupt ist das mit dem Komfort beim TSV so eine Sache: Die Spieler wissen oft erst wenige Stunden vor Trainingsbeginn, wo sie üben werden. Die Arena, in der die Mannschaft ihre Heimspiele bestreitet, ist eine kleine Schulturnhalle, die nicht den Anforderungen der Liga entspricht - Herrsching hat eine Ausnahmegenehmigung. Sportlich tastet sich die Mannschaft aber nach und nach an das Niveau in der ersten Liga heran, zuletzt erfolgreich mit zwei Siegen in Serie.

"Hier ist viel im Aufbau", sagt Ranner. Die Spiele am Ammersee, vor 1000 tobenden Fans und zwischen lärmenden Boxen, sind für den 2,02-Meter-Mann "immer hoch emotional". Der selbst ernannte "Geilste Club der Welt" mache seinem Namen in dieser Hinsicht alle Ehre. "Von der Vermarktung her können sich viele Vereine etwas von uns abschauen. Wir sind präsent, wir polarisieren." Jedes Heimspiel soll ein neuer Höhepunkt werden. "Da gilt für jeden: Vollgas bis zum Schluss", sagt Ranner.

"Vollgas bis zum Schluss": TSV-Mittelblocker Thomas Ranner fällt mit ausladenden Jubelgesten und extrovertierter Körpersprache auf. (Foto: Johannes Simon)

Trainer Max Hauser lobt Ranners professionelle Einstellung und Ehrlichkeit. "Und er geht auch mal auf die Barrikaden", verrät Hauser, zum Beispiel, wenn einer der Kollegen nicht rechtzeitig zum Training kommt. Ranner ist einer dieser Typen, die jedes Team braucht, der auch mal auf den Tisch haut. Auf dem Platz fällt er mit ausladenden Jubelgesten und extrovertierter Körpersprache auf, abseits davon wirkt er selbstsicher, zielstrebig und ist wortgewandt.

Als Jurastudent vor dem ersten Staatsexamen hat sich Ranner mehr als nur eine Alternative gesucht. Auch wenn der Sport nach wie vor an erster Stelle stehe. "Schlafen, essen, trainieren. Schlafen, essen, trainieren", schildert er seinen Alltag. Wenn zwischendrin noch Zeit bleibt, wälzt er dicke Bücher. Ihm falle es manchmal schwer, den Volleyballer in sich runterzufahren, sagt Ranner. "Einfach nur acht, neun Stunden ruhig dazusitzen und zu lernen, das ist das totale Kontrastprogramm." Anzug statt Trikot - so kann man sich den bulligen Mittelblocker ohnehin kaum vorstellen.

Die Entscheidung, in seine Heimatstadt München zurückzukehren, war für Ranner, der vor seinem Engagement in Rottenburg für Generali Haching spielte, auch eine zugunsten des Sports. Er hat nicht aufgegeben, er wollte es nach seiner Verletzung noch einmal wissen. Vielleicht war dieser Weg unbequem. Aber Thomas Ranner möchte ja keinen Komfort. Und anders hätte er die wundersame Herrschinger Volleyballwelt wohl nie kennengelernt.

© SZ vom 20.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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