Volleyball:Im Kriechgang

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Die Grafinger Thomas Stretz und Julius Höfer. (Foto: Marcel Lorenz/imago)

Grafings Volleyballer starten mit ihrem neuen Trainer Markus Zymmara und hohen Zielen in die zweite Liga.

Von Sebastian Winter, Grafing

Die Volleyballer des TSV Grafing starten an diesem Samstag in Kriftel in ihre neue Zweitligasaison, und TSV-Manager Johannes Oswald sagt eines gleich vorweg: "Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben froh, dass wir auswärts anfangen." Ein Heimspiel hätte unwägbaren organisatorischen Aufwand bedeutet, und es ist ja auch erst seit Dienstag klar, dass der Spielbetrieb im bayerischen Amateursport wieder aufgenommen werden darf.

Genau darum dreht sich nun aber die noch ungeklärte Schlüsselfrage: Gilt die zweite Volleyball-Bundesliga - laut Ligaverband VBL eine Profiliga, de facto aber voller Amateure - für Söders Staatsregierung in Corona-Zeiten nun als Profi- oder Amateurliga? Wird sie als Profiliga eingestuft, müsste Grafing seine Heimspiele gegen Mimmenhausen (19.9.) und Gotha (26.9.) verschieben. Wird sie als Amateurliga eingestuft, könnten sie stattfinden - nach strengen Hygieneregeln und mit maximal 200 Zuschauern in Grafings Jahnsporthalle. Karten müssten per E-Mail im Vorverkauf reserviert werden.

Vieles ist also auch weiterhin im Fluss, was ziemlich gut zur derzeitigen Situation bei Grafings Volleyballern passt. Denn sie mussten sich in der nun mit Tests gegen Schwaig, Zweitligaaufsteiger Mühldorf und Erstligaaufsteiger TSV Unterhaching beendeten, siebenwöchigen Vorbereitungsphase ja auch an ein ganz neues Trainerteam gewöhnen. Der erst 29 Jahre alte Markus Zymmara folgte auf Grafings langjährigen Trainer Alexander Hezareh und hat ein qualifiziertes Team zum TSV mitgebracht. Bastian Henning und Sven Lehmann, die beide schon Zweitligaerfahrung als Trainer, allerdings bei den Frauen, gesammelt haben, sollen Zymmara assistieren. Marvin Polte, einst deutscher Meister und WM-Vierter im Beachvolleyball und Co-Trainer beim Erstligisten Herrsching, übernimmt künftig das Techniktraining. Zymmara hat Oswald mit seiner Herangehensweise überzeugt: "Ich bin begeistert. Er arbeitet sehr professionell, macht sich viele Gedanken, ist total offen für Kritik, kann sich aber auch gut durchsetzen. Das ist ein Glücksgriff", sagt der Manager.

Zymmara übernimmt zugleich einen erfolgreichen Zweitligisten, der sich längst in der Spitzengruppe etabliert hat - 2018 wurde der TSV erstmals Meister, sah aber wegen des zu großen finanziellen Risikos und der fehlenden professionellen Strukturen vom Erstliga-Aufstieg ab. Dass die Trainer zu viert sind, dürfte in der kommenden Saison ein großer Vorteil sein. Denn Grafing erwartet eine der bisher längsten Spielzeiten überhaupt, auch deshalb, weil die Liga auf 15 Mannschaften gewachsen ist - die drei Aufsteiger Mühldorf, Bliesen und Dresden kommen neu hinzu. Die Saison dauert bis Ende April - wenn alles normal läuft, es also keine Spielverschiebungen wegen der Corona-Krise gibt. Bis Weihnachten hat Grafing ein einziges freies Wochenende, was für die Amateursportler des TSV eine ziemliche Herausforderung ist.

Weniger belastend ist das Trainingspensum unter der Woche. Zwei Einheiten gibt es nur, manch Konkurrent, wie Mühldorf, übt Zymmara zufolge wöchentlich viermal: "Das hat sich bei uns so eingebürgert, auch weil fast alle arbeiten. Und dieses Jahr spielen wegen Corona eh alle für lau. Aber wenn trainiert wird, geht es bei uns richtig rabiat zur Sache. Danach kriecht jeder aus der Halle." Die Spieler kennen sich außerdem seit Jahren sehr gut, und der Kader hat sich kaum verändert. Schlüsselspieler wie Steller Fabian Wagner, der zu den besten der Liga zählt, Julius Höfer oder Benedikt Doranth sind geblieben, Talente wie Felix Broghammer, Florian Krenkel und Korbinian Hess spielen künftig fest im Zweitligateam. Einziger richtiger Neuling ist Jakob Feil, der beim VC Olympia Kempfenhausen ausgebildet wurde und den am Rücken verletzten Außenangreifer Daniel Kirchner ersetzen soll. Auch Universalmann Dominik Stork ist verletzt, diesmal am Knie, nachdem er in der vergangenen Saison wegen Schulterproblemen schon kaum gespielt hatte. Jan Wenke, der eigentlich aufhören wollte, nimmt nun Storks Rolle ein. Gegangen ist Mittelblocker Jan Danielowski, den es beruflich nach Köln zieht - und sportlich zum Nord-Zweitligisten TuS Mondorf. "Wir haben einen der stärksten Kader der zweiten Liga", sagt Trainer Zymmara selbstbewusst, "und wir sehen uns im obersten Drittel der Liga."

Grafings Ansprüche sind also dieselben geblieben, der Klub möchte weiterhin zur Spitze des Feldes gehören. Dabei sieht es wirtschaftlich betrachtet gar nicht so gut aus für den TSV. Zwar sind Oswald zufolge dem Klub viele Sponsoren treu geblieben, aber das Budget ist bislang wesentlich geringer als in der vergangenen Saison: "Wir haben noch keine 50 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht", sagt Oswald, also kaum 50 000 Euro. Der Klub könne den Geldgebern seit einem halben Jahr nichts bieten, die Sponsoren wiederum haben wegen der Corona-Krise kaum Geld zur Verfügung. Grafing ist finanziell gesehen außerdem abhängig von den Zuschauereinnahmen, Oswald spricht von einem Einnahmenanteil von 20 Prozent. Sollten die Beschränkungen für Fans also noch länger andauern, würde Grafing auch darunter massiv leiden. Der Klub hat deswegen eine "Solidaritätskarte" eingeführt. Der Mindestpreis beträgt 60 Euro, dafür bekommen Spender freien Eintritt zu den Heimspielen - womöglich schon in einer Woche gegen Mimmenhausen.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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