Volleyball:Im Durchhalte-Modus

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Wertvollster Herrschinger: Zuspieler Tobias Neumann, der hier Mittelblocker Roy Friedrich bedient. (Foto: Johannes Simon)

Herrschings Volleyballer bezwingen ohne Zuspieler Steuerwald Coburg mit 3:1 - und haben nur noch zwei Punkte Rückstand auf einen direkten Playoff-Platz

Von Alexander Mühlbach, Herrsching

Im vierten Satz hielt Patrick Steuerwald es nicht mehr aus. Als die Herrschinger Erstliga-Volleyballer beim Stand von 0:4 gegen die VSG Coburg/Grub eine Auszeit nahmen, rannte Steuerwald auf seine Mitspieler zu, gestikulierte, klatschte in die Hände, versuchte so viele Anweisungen wie möglich in der 60 Sekunden langen Pause unterzubringen. Steuerwald, der wegen einer Kapselverletzung am rechten Daumen nicht spielte, war es egal, dass der TSV Herrsching mit 2:1 Sätzen in die Pause gegangen war. Der Kapitän sah plötzlich eine Mannschaft, die einen Fehler nach dem anderen machte. In der Annahme, im Zuspiel, im Angriff. So wie damals, Mitte November, als der TSV zu Gast in Coburg war, 2:0 in Führung lag - und dann doch im Tiebreak mit 2:3 verlor. Die Geschichte durfte sich einfach nicht wiederholen. Nicht in der eigenen Halle, nicht vor 1000 Zuschauern.

"Vermutlich ist das Hinspiel in diesem Moment wirklich jedem meiner Spieler durch den Kopf gegangen", sagte der Herrschinger Trainer Max Hauser ein paar Minuten nach Spielende in einem ernsten Ton, während seine Stirn in Falten lag. Nach Steuerwalds Ansprache drehten die Herrschinger den 0:4-Rückstand tatsächlich noch, gewannen den Satz und damit das Spiel mit 3:1 (25:16, 25:22, 22:25, 25:22). Hauser sagte, dass seine Mannschaft gut gespielt habe. Er lobte auch Tobias Neumann, der Steuerwald als Zuspieler ersetzte, und prompt zum besten Spieler des Tages gewählt wurde. Trotzdem standen die Strapazen des bayerischen Derbys Hauser noch ins Gesicht geschrieben. Auch deswegen saß er für die Spielanalyse auf einer niedrigen Bank in einer der Umkleidekabinen in der Nikolaushalle. "Ich kann nicht mehr stehen", entschuldigte sich Hauser. In diesem Moment war nicht mehr viel übrig von dem Trainer, der im zweiten Satz auf seinen Stuhl gesprungen war und die Fans zum Anfeuern animierte.

Zu intensiv waren die vergangen Tage gewesen, in denen sich Hauser nicht nur einen Plan für den Gegner einfallen lassen musste. Sondern auch immer wieder von vorne überlegen musste, wie er seine ganzen Stammkräfte ersetzen würde. Neben Steuerwald, der bei einem schlechteren Spielstand doch noch eingesetzt worden wäre, waren auch Diagonalspieler Daniel Malescha (Schulterprobleme) und die beiden Außenangreifer Phillip Trenkler (Grippe) und Julius Höfer (ebenfalls krank) angeschlagen. "Wenn so viele Stammkräfte im Training fehlen, dann ist das demotivierend", monierte Hauser. Obwohl Malescha und Höfer gegen Coburg wieder zur Verfügung standen, war Hauser "vor der Partie nicht wirklich optimistisch".

Dabei kann auch bei den Coburgern von Optimismus keine Rede sein. Seit dem 12. Dezember war ihnen in der Liga kein Sieg mehr gelungen. Vom vierten Tabellenplatz waren sie bis auf den achten abgerutscht. Gegen Herrsching verloren sie das achte Spiel in Serie. "Wenn wir wüssten, woran die Niederlagenserie liegt, wären wir jetzt nicht so ratlos", sagte Coburgs Co-Trainer Volker Pohl. Immer wieder würde seine Mannschaft andere Fehler begehen. Nur der Moment ist immer derselbe: Wenn die entscheidende Phase kommt.

Den zweiten Satz verloren sie, obwohl sie zwischendrin einmal fünf Punkte geführt hatten. Im vierten Satz verspielten sie diese wichtige 4:0-Führung. Da half es auch nicht, dass die Coburger Fans an diesem Tag so viele Trommeln dabei hatten, wie 70 000 FC-Bayern-Fußballanhänger am selben Tag gegen Darmstadt nicht. "Vielleicht machen wir uns momentan einfach zu viel Druck", versuchte sich der Coburger Zuspieler Leonhard Tille an einer Erklärung. Eigentlich, sagt Tille, wollten sie unter die ersten Sechs in der Liga kommen, um sich direkt für die Playoffs zu qualifizieren. Dieses Ziel kann nun wohl nur noch sein Bruder Ferdinand erreichen, der bei Herrsching spielt. Denn der TSV, derzeit Siebter, hat nur noch zwei Punkte Rückstand auf den Sechstplatzierten Bühl.

Sollten sie den Rückstand wettmachen, sind die Herrschinger erstmals in der Vereinsgeschichte direkt für die Playoffs qualifiziert - vorige Saison scheiterten sie in den Pre-Playoffs. "Wir haben den Klassenerhalt geschafft und können jetzt ohne Druck spielen", sagte Ferdinand Tille. "Wir dürfen nur nicht die Spannung verlieren." Falls doch, gibt es ja immer noch Patrick Steuerwald.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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