Volleyball:Hundstage

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Herrschings Volleyballer scheitern bei der Verpflichtung des Angreifers Ryan Jay Owens. Der als Ersatz für den verletzten Slawomir Zemlik eingeplante Amerikaner will nicht auf seinen Terrier verzichten.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Wer Ryan Jay Owens in den Weiten des Internets sucht, der wird fündig - und zwar massiv. Owens, 37, geboren in den Rocky Mountains, aufgewachsen als Einzelkind in Evanston bei Chicago, ist dort allgegenwärtig, wenn man nur mal seinen Namen per Mausklick suchen lässt. Er hat eine eigene, schicke Homepage, teilt mit Interessierten sein Leben in Podcasts und seinem Blog, twittert, zeigt Fotos und Videos auf Pinterest, Facebook und Instagram. Bilder mit seiner Familie, mit Freunden und als Model, Owens sieht halt auch noch unverschämt gut aus. Er posiert mit Babys. Mit Kindern. Mit Pancakes.

Es sind Schnappschüsse aus aller Welt, die Owens von sich macht und machen lässt. Seit 16 Jahren bereist er den Globus als Volleyballprofi, ein 1,98 Meter großer Wandervogel, der nach seiner US-Collegekarriere in Belgien, beim deutschen Zweitligisten Markranstädt, in Dänemark, Katar, Südkorea, Puerto Rico, Brasilien, Griechenland und zuletzt in Finnland spielte. Seine Abschlaghöhe: beeindruckende 3,65 Meter, die er auch schon im US-Nationalteam einsetzte - wirklich durchsetzen konnte er sich dort aber nicht. Wie überall.

Sein Social-Media-Profil hätte er nun mit ein paar Bildern vom Ammersee schmücken können. Denn Owens sollte von sofort an neuer Außenangreifer des Volleyball-Erstligisten TSV Herrsching werden, als Ersatz für den am Kreuzband verletzten Polen Slawomir Zemlik, der die komplette Saison ausfällt. Die Verträge waren fertig, Probetraining und Medizincheck klappten am Montag und Dienstag reibungslos, die künftigen Partner hätten nur noch unterschreiben müssen. "Doch dann hat er wie aus dem Nichts seinen Hund hervorgezaubert", sagt Herrschings Marketingmanager André Bugl. Und die Sache wurde tierisch kompliziert.

Am Ende platzte der Deal tatsächlich, auch wegen des vierbeinigen Freundes, den Owens zur Überraschung der TSV-Verantwortlichen mitgebracht hatte.

Sie hatten für den US-Amerikaner neben Gehalt und Auto ein 500 Meter vom See entferntes Appartement organisiert - in dem Haustiere allerdings verboten sind. Genauso wie in der Sporthalle. Owens aber wollte nicht ohne "The Boston Buddy", wie er seinen Hund nennt - angelehnt an die Rasse Boston Terrier - in Herrsching zusagen. "Er wollte ihn überall dabei haben. Im Training und bei Spielen hätte er dann im Körbchen gelegen", sagt TSV-Teammanager Fritz Frömming. Sie machten Owens ein zweites Angebot, in eine WG mit einem anderen Spieler zu ziehen - samt Terrier. Doch auch diese Aussicht fand Owens nicht akzeptabel, er wollte ein Zuhause nur für sich und sein Tier. "Wir haben hier aber kaum Appartements, geschweige denn für Haustiere, und auch keine zehn Immobilienmakler, die sagen: ,Komm, such dir was Schönes aus'", sagt Bugl, der ohnehin Mühe hat, die Spieler im überhitzten Wohnungsmarkt im Großraum München einigermaßen erschwinglich unterzubringen.

Der Klub hätte darüber hinaus einen großen Kompromiss eingehen müssen: Zwar wäre Owens wohl schon am Samstag in Königs Wusterhausen spielberechtigt gewesen, unmittelbar danach wäre er aber für sechs Wochen wieder in die USA zurückgeflogen, weil er dort noch einige Verpflichtungen hat - Owens ist Mitgründer einer Spieleragentur für Volleyballprofis. Erst nach Weihnachten wäre er wieder zurückgeflogen und hätte zwischenzeitlich drei Ligaspiele und das Pokalviertelfinale in Berlin verpasst. "Das alles war dann schwieriger als gedacht und auch kein gutes Zeichen für die Mannschaft", sagt Bugl. Es gibt kaum etwas, das sie am Ammersee weniger schätzen als Spieler, die Allüren haben und ständig Extrawürste brauchen. Und ob es ein gutes Zeichen ist, während 16 Profijahren in 30 Ländern gespielt zu haben, sei mal dahingestellt.

Der TSV hat Erfahrung mit Tierstorys: Der Slowene Jan Pokersnik war ein ähnlicher Fall

Owens scheint seinen Hund wirklich zu lieben, auf Fotos schmust er jedenfalls mit ihm im Kraftraum, hält Pfötchen, platziert Geschenke neben ihm. Der auf so skurrile Art und Weise geplatzte Transfer zeigt zugleich, an welch profanen Befindlichkeiten manche Spielerwechsel scheitern können.

Die Herrschinger haben ja Erfahrung mit solchen Tierstorys. Im vergangenen Jahr erschien der mit dem üblichen Vorvertrag ausgestattete Slowene Jan Pokersnik am Ammersee. Im Gepäck: Freundin und Hund. Und einen längst nicht ausgeheilten Fingerbruch, von all dem hatte er den TSV-Verantwortlichen nichts erzählt. Der Vertrag wurde "in beiderseitigem Einvernehmen" aufgelöst. Dass es auch anders gehen kann, zeigte damals sein Nachfolger Aleksandar Milovancevic. Mittwochs hatten sich die Herrschinger erstmals bei dem Serben gemeldet, donnerstags war seine Hochzeit terminiert, zwischen Trauung und Feier skypte Milovancevic noch wegen organisatorischer Dinge mit dem TSV. Und freitags saß er im Flieger nach München, gefeiert wurde dann halt nicht ganz so lang.

"Ein kleines Damoklesschwert hängt über uns", sagt Bugl. Ein junger Russe wäre die Lösung

Herrschings Volleyballer haben nun aber vor ihrer Fahrt an den Berliner Stadtrand weiterhin keinen Zemlik-Ersatz. Immerhin stehen sie in Kontakt mit einem jungen Russen, der die deutsche Liga als Sprungbrett nutzen möchte. Er muss erst noch ins Probetraining kommen, und überstürzen wollen sie nach der Erfahrung mit Owens ohnehin nichts. "Auch wenn ein kleines Damoklesschwert über uns hängt", wie Bugl sagt. Wenn sich einer der verblieben Außenangreifer Tom Strohbach oder Tim Peter verletzt - "was dann?"

Ryan Jay Owens, Vermarktungsname RJO, und sein Boston Buddy haben sich am Dienstagabend artig vom Team verabschiedet. Am Mittwoch schrieb Owens seinem Nun-doch-nicht-Arbeitgeber noch eine nette Abschiedsmail. "So ist halt das Business, da brauchst du nicht groß traurig sein", sagt Bugl. Auch wenn ein Terrier als zweites TSV-Maskottchen neben ihrem Killerwal durchaus amüsant gewesen wäre.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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