Volleyball:Hauser allein zu Haus

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Ernste Gesichter: Daniel Malescha (re.) und Roy Friedrich nach einem Herrschinger Punktgewinn - doch Jubel sieht eigentlich anders aus. (Foto: Johannes Simon)

Vom Krankenbett aus muss Herrschings Trainer hilflos mitansehen, wie sich seine Volleyballer mit 0:3 beim Erstligaletzten in Leuna blamieren

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Beim selbsternannten "Geilsten Club der Welt" können sie nach diesem Wochenende - ausnahmsweise ganz ironiefrei - behaupten: Trainer Max Hauser hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das ist wörtlich zu verstehen. Am Samstagabend ging eine zu Bruch. Der TSV Herrsching verlor sein Auswärtsspiel in der Volleyball-Bundesliga beim CV Mitteldeutschland aus Leuna überraschend 0:3 (18:25, 15:25, 23:25), Hauser war krankheitsbedingt (Magen-Darm-Infekt) daheim geblieben. Er verfolgte die Partie über das Internet. Was er sah, brachte ihn so in Rage, dass eine Tasse vom Krankentisch flog. Scherben statt Tee.

Hauser sprach von einer "Katastrophe" - und meinte nicht sein Missgeschick, sondern die Leistung des Teams. Herrsching zeigte das wohl schwächste Spiel dieser Saison, ausgerechnet beim Tabellenletzten, wo die Oberbayern mal als Favorit an den Start gingen. "Die ganze Mannschaft war von der Rolle", meinte Co-Trainer Marvin Polte, der Hauser als Teamchef vertrat. Selbst die Führungsspieler, Kapitän Patrick Steuerwald und Angreifer Daniel Malescha, brachten weder Sicherheit noch Struktur ins Spiel. Zuspieler Steuerwald hadert gedanklich noch mit der verpassten Olympia-Qualifikation vor einer Woche im Nationalteam, für den 29-Jährigen ein geplatzter Lebenstraum. Anders als noch beim Sieg am Mittwoch gegen Königs Wusterhausen (3:0) war ihm die Enttäuschung diesmal auf dem Feld anzumerken. Angreifer Malescha hatte sich beim Training vor dem Spiel an der Schulter verletzt, als er gegen einen Netzpfosten prallte. Er blieb anfangs auf der Bank, wollte aber unbedingt aufs Feld, wo er allerdings nicht seine normale Durchschlagskraft erreichte und seltener angespielt wurde als sonst. Dazu leistete sich Außen Phillip Trenkler ungewohnte Fehler in der Annahme, was der Gegner ausnutzte. Zuspiel, Angriff, Annahme - bei Herrsching haperte es in jedem Mannschaftsteil. Als die Oberbayern nach gut einer Stunde mal vorne lagen und beim Stand von 23:22 kurz vor einem Satzgewinn standen, gaben sie die Chance und gleich das ganze Match mit drei leichten Fehlern in Serie ab.

Hauser musste daheim mitansehen, wie sein Team chancenlos war, zu allem Überfluss konnte er sich nicht mal übers Telefon bemerkbar machen. "Leuna liegt mitten im Nirgendwo, wir hatten in der Halle kein Handynetz", erklärte Assistent Polte. Keine Kommunikation, kein Kontakt. Er habe sich als Trainer noch nie so hilflos gefühlt, sagte Hauser. Als er kurz nach Spielbeginn die Übertragung einschaltete, standen weder Steuerwald noch Malescha auf dem Feld. "Ich habe mich gefragt, was da los ist", sagt er. Ob er irgendwas hätte ändern können, wenn er dabei gewesen wäre? "Wer weiß das schon? Man denkt sich hinterher ja viele Sachen."

So wird der Coach, der am Montag wieder das Training leitet, in dieser Woche "viele Einzelgespräche führen und mit den Spielern mal wieder an den Grundlagen arbeiten", wie er sagt. Die fehlende Konstanz ist nach wie vor das große Problem. Die Mannschaft hat im Vergleich zur Vorsaison zwar an Qualität und Erfahrung gewonnen, aber die sportlichen Ergebnisse sind weiterhin extrem wechselhaft: Auf einen klaren Sieg folgt allzu oft eine klare Niederlage, die Heimeuphorie weicht dem Auswärtsfrust. Herrsching hat nach wie vor mit komplizierten Trainingsbedingungen an unterschiedlichen Orten und mit wechselndem Personal zu kämpfen. Man profitiert in Ligaspielen zwar einerseits von den besonderen Umständen in der kleinen Nikolaushalle am Ammersee, tut sich dagegen andererseits in fremden Hallen schwer.

Immerhin: Platz acht ist nach der Hälfte der Hauptrunde gefestigt, damit liegt der TSV auf Kurs der (Pre-)Playoffs. An den nächsten Gegner Lüneburg haben die Herrschinger gute Erinnerungen, beim 3:2-Überraschungssieg zum Saisonstart inszenierte der Verein gewohnt selbstironisch eine größenwahnsinnige Show. Auch zu dieser Niederlage werden sich die "Könige vom Ammersee" etwas einfallen lassen. Ein Trainer allein zu Hause und eine zerbrochene Tasse - daraus sollte sich etwas machen lassen.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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