Volleyball:Halle, Halle, Halle

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Solange wir zusammenhalten, kann uns nichts passieren: Herrschings Volleyballer stimmen sich auf die Partie in Berlin ein. (Foto: Arlet Ulfers)

Das ist Wahnsinn: Anstatt das "Spiel des Jahres" in eigener Arena auszurichten, fährt der TSV Herrsching ohne Mittelblock und quasi chancenlos zum Pokal-Halbfinale nach Berlin. In der Gretchenfrage wirkt der Klub zunehmend isoliert

Von Sebastian Winter, Herrsching

Mit dem Zug fahren sie am Donnerstag nach Berlin, sechs Stunden Anreise, am Abend das Pokal-Halbfinale, voraussichtlich ohne den gesamten Mittelblock: Nicolai Grabmüller leidet an einem Magen-Darm-Infekt, Peter Ondrovic schmerzt weiterhin sein gebrochener Finger, Roy Friedrich und Michael Wehl hat das Veto ihres jeweiligen Arbeitgebers ereilt. So ist das, wenn Herrschings Volleyballer vor ihrem Spiel des Jahres stehen, zum ersten Mal unter den ersten Vier, dem größten Erfolg der Klubgeschichte. Immerhin: Trampen werden sie nicht nach Berlin, so etwas sollen die Herrschinger ja einst auch schon erwogen haben in ihrer Premierensaison im Oberhaus. Wenn auch nur, um damit zu kokettieren, dass der Verein nicht eben auf Rosen gebettet ist.

Aber irgendwie ist es schon seltsam, was sich seit dem furios gedrehten Pokal-Viertelfinale in Düren so alles abspielt am Ammersee. Die Volleyball-Bundesliga (VBL) hat dem Klub das Heimrecht für das Pokal-Halbfinale entzogen, weil die Nikolaushalle nicht die Anforderungen erfüllt. Dies entspricht den im Juni 2015 verabschiedeten VBL-Regularien, laut derer Herrsching auch im Falle des Playoff-Einzugs in der Meisterschaft in eine regelkonforme Halle umziehen muss. "Wir sollten nicht an diesen Regularien rütteln, um sie nicht aufzuweichen", sagt VBL-Sprecher Frank Bleydorn, der die Hallensituation in Herrsching "kritisch" sieht: "Sie machen gute Arbeit dort, spielen aber gerade mit einer Ausnahmegenehmigung der Ausnahmegenehmigung und sind unter Zugzwang, bis Saisonende eine regelkonforme Halle nachzuweisen. Spätestens jetzt sollte allen klar sein, dass das kein Spaß ist."

Der Spaß ist auch den Herrschingern seit dem überraschenden Erfolg in Düren vergangen, die Entscheidung der Liga bezeichneten sie gar als "völlig unprofessionell" und schickten noch ein paar andere Nettigkeiten in die VBL-Zentrale nach Berlin. Klar ist, dass der Heimspiel-Entzug neben nun fehlenden Zuschauereinnahmen nicht förderlich ist fürs Image - just in einer Zeit, da der Klub dringend zumindest mal ein 12 000 Quadratmeter großes Grundstück für einen etwaigen Hallenneubau braucht. Allerdings hat der TSV Herrsching es - apropos unprofessionell - offenbar im Gegensatz zu allen anderen betroffenen Erstligisten versäumt, frühzeitig eine Ausweichhalle für das Pokal-Halbfinale zu benennen, die es durchaus geben würde - nicht nur im weit entfernten Coburg, sondern beispielsweise auch in Unterhaching. Doch der Klub fürchtet den Identifikationsverlust. Kürzlich hatte Herrschings Trainer Max Hauser Unterhaching, das sich 2013 aus der ersten Liga zurückzog, gar als "verbrannte Erde" bezeichnet. Auf der immerhin eine einigermaßen prächtige Arena steht. Die Herrschinger haben sich diesen Ausflug - bewusst oder unbewusst - erspart und reisen nun also lieber ohne Mittelblock nach Berlin. Die Reaktion des Klubs vom Ammersee auf die Entscheidung der Liga findet auch der dem TSV sonst gewogene Gegner verwunderlich: "Ich fand es schade, dass Herrsching so auf die Emotionalisierungstube gedrückt hat", sagt Berlins Manager Kaweh Niroomand, einer, der ein Lied zu singen weiß von der mühsamen, in Berlin letztlich erfolgreichen Arbeit in einem Profi-Volleyballklub. "Mich wundert es, dass Herrsching davon so überrascht worden ist. Sie sollten sich an die eigene Nase fassen. Für mich ist das vor allem ein Schlag ins Gesicht der Spieler, die sich in Düren so aufgeopfert haben." Er hoffe, dass "diese innovativen Leute das Hallenproblem lösen".

Die Fronten sind verhärtet, Herrsching wirkt isoliert, und Hauser muss nun schauen, mit seiner Rumpftruppe nach zehrender Zugfahrt in Berlin nicht unterzugehen. Er blickt jedenfalls mit seiner ganz eigenen Logik auf eine Partie, die eigentlich zum Spiel des Jahres hätte werden sollen: "Wir werden uns künftig dreimal überlegen, den Matchball in Düren zu verwandeln." Kleiner Vorteil: In Berlin muss er solche Überlegungen wohl nicht anstellen.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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