Volleyball:Hachinger Tauwetter

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Nach zwei Niederlagen gewinnen die Alpenvolleys ein hochdramatisches Derby gegen Herrsching im Tiebreak des fünften Satzes - und knüpfen zarte Bande zum heimischen Publikum.

Von Katrin Freiburghaus, Unterhaching

Filmemacher wissen, wie man sich ein Publikum zurechtlegen muss, damit der Funke überspringt. Ginge es nicht um Volleyball, einen eher schlecht planbaren Sport, man müsste annehmen, dass vergangenen Sonntag in Unterhaching ein sehr ambitionierter Regisseur am Werk war. Verletzung, Rückkehr des Verletzten, zweimaliger Satzrückstand, Tiebreak, Rote Karte, Derbysieg: So lauteten die Zutaten für das dramaturgisch äußerst wertvolle 3:2 (30:32, 25:22, 18:25, 25:21, 15:12) der Hypo Tirol Alpenvolleys Haching gegen Herrsching, das sich für die Gastgeber in doppelter Hinsicht auszahlte.

Von "zwei ganz wichtigen Punkten" sprach Stefan Chrtiansky nach dem geglückten Sprung auf den fünften Platz der Bundesliga-Tabelle und dem ersten Sieg gegen Herrsching im dritten Versuch. Der für gewöhnlich so kontrollierte Trainer der Alpenvolleys war im Tiebreak wegen einer Entscheidung der Linienrichter erbost aufs Spielfeld gesprungen und dafür mit der Roten Karte und einem daraus resultierenden Punkt für Herrsching bestraft worden. Noch lange nach dem Spiel war er emotional angefasst und sprach ein Kollektivlob für seine Spieler aus, die sich "heute ein großes Bier verdient" hätten.

Igor Grobelny war zwischenzeitlich der einzige verbliebene Unterhachinger Außenangreifer. (Foto: Claus Schunk)

Bislang waren die Alpenvolleys in dieser für sie neuen deutschen Liga immer dann am besten gewesen, wenn sie ihr Pensum sachlich abgespult hatten; das wirkte mitunter etwas unterkühlt. Ausgerechnet das Derby gegen die emotionalen, aber im Aufschlag völlig indisponierten Herrschinger (30 Fehler) gewannen sie nun nicht aufgrund der größeren Coolness, "sondern weil wir mit Kampfgeist und viel Herz gespielt haben", wie Chrtiansky zusammenfasste. Die Verletzung ihres Angreifers Bartosz Pietruczuk hatte sie zu dieser Transformation gezwungen. Und die mit 1514 Zuschauern erstmals seit Hachings Rückzug aus der Bundesliga wieder ausverkaufte Halle honorierte sie.

Nach mehr als zwei Stunden Netto-Spielzeit wirkte es, als sei eine beachtliche Portion Eis zwischen Fans und dem Fusionsprodukt Alpenvolleys geschmolzen. Der spielerisch spektakuläre erste Satz war weit in die Verlängerung gegangen. Die Herrschinger hatten vier, die Tiroler drei Satzbälle abgewehrt, als Pietruczuk bei 30:30 mit dem Netzpfosten kollidierte, umknickte und liegen blieb. Herrsching nutzte das und ging mit besten Aussichten in den zweiten Durchgang. Denn den Alpenvolleys fehlte Trainersohn Stefan Chrtiansky jr. wegen eines Gripperückfalls und Knieproblemen, so dass aus dem zuletzt sehr effektiven Außenangreifer-Trio nur noch Igor Grobelny übrig blieb, mit 21 Zählern Punktbester seines Teams.

Während sich Pietruczuk mit dick eingewickeltem Knöchel anderthalb Sätze lang vom zaghaften Gehversuch zu leichten Sprüngen vortastete, gewann sein Team den zweiten Durchgang trotz einer Quote von lediglich 26 Prozent positiver Annahmen. Herrschings Fans mühten sich in dieser Phase vergeblich, ihr Team gegen Innsbrucks starken Block zurück ins Spiel zu singen, trugen damit aber viel zur Stimmung bei. Als sie "Haching liegt in Österreich" skandierten, konterte die Hallenregie mit "Immer wieder, immer wieder Österreich". Diese Selbstironie ist ein Import der Tiroler. Dass sie ihnen nicht weht tut, liegt daran, dass Manager Hannes Kronthaler nie abstritt, dass die Alpenvolleys zunächst ein österreichischer Verein in der Bundesliga sind. Das Projekt schlich ja nicht durch die Hintertür in die Liga, sondern stellte sich mit seinem vollständigen, sperrigen Namen vor - und erhofft eine Entwicklung, wie sie sich am Sonntag andeutete.

Stefan Chrtiansky jr. ist verletzt, und auch der Kollege Bartosz Pietruczuk (im Bild) musste wegen einer Knöchelverletzung vom Platz getragen werden. Aber der Pole biss die Zähne zusammen und kam im dritten Satz zurück. (Foto: Claus Schunk)

"Die Unterstützung war schon viel größer, ich habe immer gesagt: Wenn die Mannschaft hier öfter spielt, lernen die Zuschauer das Team besser kennen", sagte Kronthaler zufrieden. Nachdem sich der sichtlich angeschlagene Pietruczuk während des klar verlorenen dritten Satzes ins Spiel zurückgekämpft hatte, waren die finalen beiden Sätze ein Paradebeispiel für wachsende Anteilnahme auf der Tribüne. In der Schlussphase des vierten Durchgangs gab es Szenenapplaus, beim Matchball standen die Zuschauer.

Das Derby war die dritte und letzte Partie der Hauptrunde, die die Innsbrucker in dieser Saison in ihrer bayerischen Dependance austragen, aber die erste, bei der es wirklich menschelte. Auch Hachings Sportdirektor Mihai Paduretu zog trotz der Minikulisse von 500 Zuschauern beim Spiel gegen Solingen vor zwei Wochen ein positives Zwischenfazit: "Wir wussten, dass das erst zusammenwachsen muss", sagte er, "für die erste Saison hat es sich aber schon sehr gut entwickelt." Diagonalangreifer Rudy Verhoeff, der in Stimmungsfragen nach zwei Jahren in Düren als firm gelten darf, lobte die Atmosphäre als "wunderbar". Er habe den Eindruck gehabt, "dass sich die Leute heute daran erinnert haben, was Volleyball hier sein kann".

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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