Volleyball:Grizzly schlägt Brummbär

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Herrsching erweist sich beim 3:1 einmal mehr als Angstgegner für die Gäste aus Düren.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Immer dann, wenn Herrschings Erstligavolleyballer gegen Düren spielen, wird man dieses Gefühl nicht los: Dass da auf der anderen Seite des Netzes mächtige Brummbären stehen, die manchmal gar nicht so genau wissen, wohin mit ihrer Kraft. Und die, wenn sie nicht gerade Volleyball spielen, vermutlich irgendwo umherstreifen in den Wäldern der Eifel, an deren Nordrand Düren ja liegt. Tim Broshog, 32, hat dabei die eindrücklichste Figur, 2,05 Meter ist er groß und 112 Kilogramm schwer. Michael Andrej, 34, misst gar 2,10 Meter, hat aber nicht ganz so breite Schultern und Waden wie Broshog. Björn Andrae hingegen, 280-maliger deutscher Nationalspieler und Olympiafünfter von London, ist inzwischen eher ein ergrauter Eisbär, wenn man den Haarschopf und die Mimik des inzwischen 38-Jährigen betrachtet. Und dann gibt es noch Sebastian Gevert, 31, den chilenischen Haudrauf der Dürener. Eindeutig ein Zottelbär mit seinem langen Bart, allerdings auch 2,04 Meter groß. Und am Samstagabend am Ammersee eindeutig Dürens schnell ausgewechselter Problembär.

Sie alle wirken immer sehr ernst und grummelig, wenn sie aufs Spielfeld schreiten. Sie alle sind jenseits der 30, manch einer an die 40, das ist ein sehr ehrenwertes Bärenalter. Viel Erfahrung haben sie sowieso. Sie alle sind aber auch schon etwas über ihrem Zenit, im Herbst ihrer sehr eindrucksvollen Karrieren, und daher auch ein wenig unflexibel geworden. Und so sah Dürens Quartett immer grimmiger aus, je länger die Partie in der ausverkauften Herrschinger Nikolaushalle vor 1000 Zuschauern dauerte. Und am Ende, als die WWK Volleys ihr Heimspiel mit 3:1 (25:22, 24:26, 25:21, 25:21) gewonnen hatten, nach einer Aufschlagserie des starken Diagonalmannes Jalen Penrose und einer sehr frechen Finte von Zuspieler Johannes Tille beim Matchball, da verschwand Andrae ganz schnell in seiner Umkleidekabinen-Höhle. Ob er sich zum Spiel äußern wolle? "Neee."

Irgendwie hatte man während des gesamten Spiels nur selten den Eindruck, dass die Herrschinger das Heft des Handelns aus der Hand geben würden, obwohl sie manchmal wankten und das Spiel mitunter knapp war und fast zwei Stunden dauerte. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Düren immerhin am kommenden Sonntag den deutschen Meister Berlin im DVV-Pokalfinale herausfordert. Aber in der Liga steht Düren nach einer bislang sehr durchwachsenen Saison nur auf Rang sieben, und die Statistik weist Herrsching inzwischen sowieso als eine Art Angstgegner aus. Seit dem 27. Dezember 2017 hat Düren keines seiner fünf Spiele mehr gegen Herrsching gewonnnen, das 2:3 im Pokal aus der Saison 2016/17 schmerzt die Dürener immer noch. Wenn es also seit dieser Zeit einen Lieblingsgegner für Herrsching gibt in der Bundesliga, dann ist Düren ganz weit vorne dabei. "Wir hatten auch Durchhänger, aber wir waren heißer heute", sagte Herrschings Trainer Max Hauser.

Seine Mannschaft hatte an diesem Abend die bessere Annahme, das bessere Zuspiel und Jalen Penrose, der mit 25 Punkten doppelt so oft scorte wie Dürens stärkster Mann Egor Bogachev (12). "Er kann das, und wir arbeiten im Training daran, dass er künftig dann auch nicht zweimal an die Netzantenne schlägt", sagte Hauser bezüglich Penroses nach wie vor zu hoher Fehlerquote - viermal wurde der 25-Jährige geblockt, viermal schlug er den Ball ins Aus. Oder eben an die Antenne. Aber er war ein verdienter MVP gegen Düren, dieser US-amerikanische, eher drahtige, dafür großflächig tätowierte Grizzly aus Boston, Massachusetts. Auch wenn Hauser erneut einschränkte: "Unser Libero Ferdinand Tille hätte es auch verdient gehabt."

Oscarreif (so lautete das Motto des Abends) war Herrschings Vorstellung gegen Düren zwar nicht, dafür sind die drei Punkte extrem wichtig fürs Tableau. "Es war eigentlich ein Neun-Punkte-Spiel", sagte neben anderen auch Zuspieler Tille, denn Herrsching hat durch den Sieg nicht nur den unmittelbaren Tabellennachbarn Düren abgehängt, sondern sich zugleich an Lüneburg, das Spitzenreiter Berlin erwartungsgemäß unterlag, vorbei auf Platz fünf geschoben. Diesen Rang zu verteidigen (was schwierig wird) oder zumindest Sechster zu werden, das ist nun das vorrangige Ziel der Herrschinger, die in den jüngsten vier Spielen satte neun Punkte auf ihr Konto übertragen haben.

Die Alpenvolleys Haching, die ihr Sonntagsspiel gegen die Bisons aus Bühl souverän mit 3:0 (25:21, 25:21, 25:15) gewannen, sind als Tabellenzweiter aber schon außer Reichweite.

Zum Schluss umarmten sich Hauser und Penrose, der so viel Potenzial hat, herzlich, bevor sich der Spieler seine goldene MVP-Medaille abholte. Zuspieler Tille grummelte etwas unzufrieden über seine Aufschlagfehler, dabei hatte er fünf Asse geschlagen. "Es war von beiden Seiten kein so gutes Spiel", sagte Tille noch. Dafür hatte er Düren diese letzte, schöne Finte beim Matchball ins Feld gelegt, was ihn doch ein wenig versöhnte. Wäre er ein Bär, so hätte er gerade wohl einen gewaltigen Lachs gefangen.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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