Volleyball:Gegen die Teufelsachse

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"Wir haben wieder gefighted, das ist das Positive": Auch wenn Herrschings Volleyballer den Ball auch öfter aus dem eigenen Netz fischen mussten. (Foto: Nila Thiel)

Herrschings Volleyballer bringen die Spitzenmannschaft Düren an den Rand einer Niederlage. Beim 2:3 passen Annahme, Angriff und Aggressivität - ganz am Ende agiert der Außenseiter aber unglücklich

Von Sebastian Winter, Herrsching

Dieses Mal hatte der König endlich Konkurrenz. Herrschings DJ und Hallensprecher kam auf imaginären Skiern in die Halle hinein, kurze Zeit später traf er natürlich fünf Mal ins Schwarze beim ebenfalls imaginären Biathlon-Rennen. Doch die Gäste schauten sich die Darbietung von Herrschings Hallensprecher und DJ Alexander Tropschug, der übrigens auch ein versierter Bauerntheater-Schauspieler ist, kurz vor dem Anpfiff nicht einfach nur mit verschränkten Armen an, wie viele andere vor ihnen. Dürens Erstliga-Volleyballer starteten ein Konterprogramm, ließen sich alle zu Boden fallen und machten auf dem Spielfeld Liegestütze. Am Ende, nach 132 Minuten Spielzeit, hatten sie tatsächlich noch etwas mehr Kraftreserven als Herrschings Volleyballer - und sie waren wacher im Kopf. Nur deshalb verließen die favorisierten Dürener den Ammersee als Sieger, die Herrschinger freuten sich nach dem 2:3 (34:32, 23:25, 25:22, 15:25, 14:16) immerhin über einen Punkt im Kampf um Playoff-Platz sechs.

Düren ist ja kein Wald-und-Wiesen-Erstligist, sondern zählt mit Friedrichshafen, Frankfurt und Berlin zur enteilten Spitzengruppe der Liga. Die baumlangen deutschen Nationalspieler Michael Andrei und Tim Broshog sind Teil des Teams, beide WM-Dritte von 2014, vor allem aber die Olympiafünften von Rio, Jay Blankenau und Rudy Verhoeff: Zuspieler Blankenau und Diagonalangreifer Verhoeff bildeten auch am Samstag vor 1000 Zuschauern in der Nikolaushalle eine kanadische "Teufelsachse", wie Herrschings Trainer Max Hauser anerkannte. In den Griff bekam der TSV Verhoeff kaum, er machte alleine 28 Punkte. "Er hat sich immer etwas einfallen lassen. Überhaupt ist das eine unheimlich starke Mannschaft", sagte Hauser.

Eine Mannschaft, die eigentlich nicht zur Kragenweite Herrschings passt, zu dominant spielt sie auch über die Mitte. Doch Herrsching setzte Dürens athletischer Wucht eine großartige Annahmeleistung entgegen. Hausers Taktik, die gegnerischen Aufschläge mit einem Zweierriegel aus Libero Ferdinand Tille und Tom Strohbach zu entschärfen, ging auf. Strohbach hatte auch im Angriff - wie der US-Amerikaner Matt Tarantino - einen guten Tag, oft schlugen beide clever Dürens Block an. So gewann Herrsching den epischen ersten Satz mit 34:32, so verlor der TSV den zweiten knapp, auch weil Blankenau ihn mit einem Zuspieltrick beendete. Im dritten Satz leistete sich Düren seine Schwächephase (auch weil der etwas überspielt wirkende Verhoeff ausgewechselt wurde), im vierten dann die Herrschinger, die nach all der Kraftanstrengung auch mental in ein tiefes Loch fielen. Der fünfte Satz hat immer auch viel mit Psychologie zu tun, Herrsching lag 3:6 hinten, kam zurück, führte 10:8, 13:12, 14:13, hatte Matchball. Düren entschärfte ihn, und dann kamen diese "ein, zwei Bälle am Schluss", wie TSV-Zuspieler Patrick Steuerwald sagte, die den Unterschied ausmachen zwischen Düren und Herrsching: Strohbach schlug einen Angriff ins Aus, danach gab es ein Missverständnis zwischen Steuerwald und Roy Friedrich, der zu spät angelaufen war.

Düren jubelte, und die Herrschinger durften sich nach kurzem Ärger ebenfalls freuen, nicht nur über den einen Punkt. Sie hatten den Favoriten nach ihrem überraschenden Sieg im Pokalviertelfinale zum zweiten Mal in den Tiebreak gezwungen. Nach dem schwachen Rückrunden-Auftakt gegen Rottenburg "sind wir vorangekommen", sagte Hauser, Steuerwald fand: "Wir haben wieder gefighted, das ist das Positive." Nach der Pleite gegen Rottenburg waren intern ja deutliche Worte gefallen, auch zum Thema Einstellung.

Die Einstellung stimmte gegen Düren, und nach der Ankündigung der Volleyball-Bundesliga vom Donnerstag, die Ausnahmegenehmigung für Herrschings Spielstätte um drei Jahre bis 2020 verlängern zu wollen, durften sie sich am Ammersee über ein sehr gelungenes Wochenende freuen. Und auf das nächste große Spiel in knapp zwei Wochen in Friedrichshafen, einem Gegner, der im Dezember wie jetzt Düren am Ammersee fast verloren hätte.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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