Volleyball:Fünf Zentimeter fehlen

Lesezeit: 3 min

Die Alpenvolleys gewinnen ihren Saisonauftakt gegen Rottenburg glanzlos mit 3:1. Vor dem Derby in Herrsching zeigt der neue Diagonalmann Paulo da Silva aber schon mal sein großes Potenzial.

Von Katrin Freiburghaus, Innsbruck/München

Paulo Victor Costa da Silva tat zum Bundesliga-Auftakt der Hypo Tirol Alpenvolleys Haching am vergangenen Sonntag das, wofür Diagonalangreifer in Volleyball-Teams zuständig sind: Er war in den entscheidenden Situationen beim 3:1 (25:18, 25:22, 23:25, 25:18)-Erfolg da - physisch und mental. Erst blockte er zum Gewinn des ersten Satzes, dann drosch er den Ball im zweiten Durchgang ohne künstlerischen Anspruch, dafür mit Wucht und Selbstvertrauen zum 25:22 ins gegnerische Feld und rüttelte sein Team schließlich gemeinsam mit Zuspieler Danilo Gelinski nach dem verschlafenen dritten Satz wieder wach.

"Mit dem haben wir Freude", sagte General Manager Hannes Kronthaler hörbar angetan über den 33-jährigen Brasilianer, der im Sommer zum zweiten Mal nach 2008 zu den Tirolern gewechselt war. Die Antrittsvorstellung von da Silva für das transnationale Bündnis der Hachinger und Innsbrucker Volleyballer war damit so ziemlich das komplette Gegenteil von der seines Vorgängers zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Kirill Klets, der junge "Rohdiamant" aus Sibirien, hatte damals etliche Wochen und einen Englischkurs gebraucht, um sich an die Bundesliga-Atmosphäre zu gewöhnen und sich ein gewisses Ansehen im Team zu erarbeiten. Gemeinsam hatte der erfahrene da Silva mit ihm im Grunde lediglich den anfänglichen Rückstand im athletischen Bereich, der nahezu, aber noch nicht ganz aufgeholt ist. "Dem fehlen sicher noch fünf Zentimeter in der Sprunghöhe, dann spielt der noch besser", sagte Kronthaler.

Doch auch mit fünf Zentimetern unter Normalform war da Silva gegen Rottenburg mit Abstand Topscorer der Alpenvolleys (22 Punkte) und wurde zum wertvollsten Spieler der Partie gewählt. Sonderlich viele Zuschauer sahen das allerdings nicht - offiziell waren es 500 -, was Kronthaler aber nicht weiter anfocht. "Ich habe damit gerechnet, dass das ein Spiel wird, zu dem eher die Leute kommen, die die Spieler kennenlernen wollen", sagte er. Die Partie sei vorrangig "eine wichtige organisatorische Generalprobe" für die Begegnung mit Meister Berlin in gut einer Woche gewesen. "Da haben wir das erste Highlight, und ich bin optimistisch, dass wir einen guten Besuch haben werden", sagte er.

Gegen Berlin soll dann auch der Kader vollständig sein. Gegen Rottenburg fehlten die beiden australischen Außenangreifer Jordan Richards und Max Staples, die noch beim Nationalteam sind und erst an diesem Donnerstag in Innsbruck landen, wenn ihre Team-Kollegen gerade in Herrsching zum Derby gastieren (20 Uhr, Nikolaushalle). Doch womöglich ist der Auftakt in dezimierter Besetzung für die Alpenvolleys langfristig gar kein Nachteil auf ihrem Weg zum ehrgeizigen Saisonziel, mindestens im Finale um die deutsche Meisterschaft stehen zu wollen. Denn gegen Rottenburg lag es weniger an der individuellen Leistung der beiden Außenangreifer Niklas Kronthaler und Jérôme Clère, dass die Gäste im dritten Satz plötzlich die Oberhand gewannen, als am gegnerischen Zuspieler Leon Dervisaj.

Der ehemalige Herrschinger hatte nach zwei Sätzen übernommen, und die Alpenvolleys taten sich mit dem deutlich schnelleren Spiel in der Feldabwehr lange schwer. "Da hatten alle Probleme", sagte Kronthaler, "wenn wir das schneller überrissen hätten, wäre es 3:0 ausgegangen." Dass sein Sohn Niklas und Clère sowohl im Training als auch in der Startsechs erst einmal konkurrenzlos waren, wertete Kronthaler für Spieler und Team als Chance. In der vergangenen Saison hatten lange ausschließlich die beiden Stammangreifer Pawel Halaba und Hugo gespielt, "weil wir von Anfang an Tabellenführer waren und ein bisschen auf die Punkte geschaut haben", wie Kronthaler sagte. Es habe auch kaum Argumente gegeben, die gut eingespielte Formation zu verändern, "aber wir haben zum Schluss gesehen, dass die anderen dann nicht so weit waren, als wir sie gebraucht haben - das war sicher ein Nachteil."

Was er bisher im Training und gegen Rottenburg sah, veranlasste ihn nun zu der Einschätzung, "dass wir heuer vier Außenangreifer haben, die man alle ohne Leistungsabfall reintun kann". Sofern sich die beiden letzten Zugänge gut integrierten, sei die Stammformation "ungefähr gleichstark wie in der vergangenen Saison - aber in der Breite sind wird besser". Und dazu dürften bald ja noch die fünf Zentimeter von Paulo Victor Costa da Silva kommen.

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: