Volleyball:Frust-Muffin

Lesezeit: 3 min

Blick ins Leere: Bei der 1:3-Niederlage in Berlin spielte Georgi Topalov (re. neben Bartosz Pietruczuk) noch. Tags darauf war er nicht mehr im Team. (Foto: Silas Stein/dpa)

In Georgi Topalov muss der einzige Hachinger die Alpenvolleys verlassen. Die Trennung hat vor allem symbolische Bedeutung.

Von Max Ferstl, Unterhaching

Seit acht Monaten hat Georgi Topalov keinen Muffin angerührt. Ein Profi-Volleyballer muss sich im Griff haben, sagt er. Das ist ihm immer leicht gefallen, er hatte ein klares Ziel: Volleyball in der Bundesliga zu spielen. Dafür lebte er gerne wie ein Asket. Doch nun steht da dieser Muffin vor ihm auf dem Tisch, glänzend und fett.

Topalov war seinem Ziel zuletzt sehr nahe gekommen. Im Sommer hatte er sich den Hypo Tirol Alpenvolleys Haching angeschlossen, diesem skurrilen Projekt, bei dem Innsbruck und Unterhaching eine gemeinsame Mannschaft bilden. Topalov, 24, spielte zwar kaum, war aber zufrieden, hoffte auf den Durchbruch. Diese Hoffnung ist vergangene Woche geplatzt. Am Donnerstag nach dem Spiel in Berlin warf Trainer Stefan Chrtiansky den Zuspieler aus der Mannschaft. "Ich war so überrascht", sagt Topalov, "ich konnte nicht einmal reagieren." Bis zu diesem Moment hatte er geglaubt, einen passablen Eindruck hinterlassen zu haben. "Niemand hat angedeutet, dass ich etwas anders machen müsste." In Innsbruck halten sie jedoch sein Abwehrverhalten für ausbaufähig, ebenso die Zuspiele überkopf. Sogar mancher Kollege hätte auf eine Neubesetzung gedrängt. Das erfuhr Topalov bei einem Abschlussgespräch mit General Manager Hannes Kronthaler und Trainer Chrtiansky am Dienstag. "Es hat einfach nicht gereicht", sagt Kronthaler: "Er hat sich entwickelt, aber nicht schnell genug."

Später, am Abend, sitzt Topalov in einem Café am Odeonsplatz. Er wohnt vorerst wieder in München. Der Klub brauchte sein Innsbrucker Appartement für Daniel Koncal, Topalovs Nachfolger. "Sport kann hart sein", sagt er. Formal gesehen gehört er weiterhin zu den Alpenvolleys, der Vertrag läuft weiter. Doch gefühlt ist er arbeitslos. Deshalb auch der Muffin: ein kleiner Trost gegen den großen Frust. Topalov versichert, nicht wütend zu sein. "Traurig und enttäuscht" treffe es besser.

Er ist einer, der seine Emotionen nicht einsperrt. Auf dem Spielfeld brechen sie ständig aus ihm hervor, reißen ihn selbst und andere mit. Dass Unterhaching in der vergangenen Saison in der dritten Liga Meister wurde, hatte maßgeblich mit Topalov zu tun. Trainer Dejan Stankovic nannte ihn "unseren Kopf". Topalov dachte schon damals an eine größere Zukunft. Bundesliga, Meisterschaft. Man war sich zwar nie ganz sicher, ob er das wirklich ernst meinte. Doch der Plan schien aufzugehen. Als sich im Sommer die Alpenvolleys formierten, schaffte er es als einziger Hachinger in den Kader. Er war sich sicher: "Es wird eine große Saison." Doch als es losging, dominierten andere die Bühne. Der etatmäßige Zuspieler Danilo Gelinski gilt als exzellenter Könner. An ihm war kein Vorbeikommen. Topalov spielte in sechs Ligaspielen nur für zwei Wechsel - das ist sehr wenig, selbst für einen Ersatzmann. Die Verantwortlichen loben zwar seinen hohen Einsatz im Training, wünschen sich aber im Spiel mehr Flexibilität. Das Team liegt mit Platz acht hinter den eigenen Zielen. Die Leistungen schwanken. Koncal, 35, soll das Team mit seiner Erfahrung stabilisieren. Aus dem großen Schatten Gelinskis wird auch er kaum treten.

Sportlich mag die Frage, wer hinter dem Brasilianer auf der Bank sitzt, eine untergeordnete Rolle spielen. Eine symbolische Bedeutung hat sie allemal. Topalov hat der Mannschaft eine Art Hachinger Gesicht gegeben. Deshalb konnten die Verantwortlichen beider Klubs die schöne Geschichte von der gemeinsamen Zusammenarbeit erzählen. Durch Topalovs Aus hat die Geschichte eine neue Note bekommen. "Es ist nicht mehr viel Unterhaching übrig", findet Topalov. Zumal die Personalie erahnen lässt, wie in dieser Zweckehe Entscheidungen getroffen werden. Mihai Paduretu, Alpenvolleys-Sportdirektor und Hachings Geschäftsführer, erfuhr eher kurzfristig von Topalovs Ausbootung.

Kronthaler weiß um die Symbolik, sagt aber auch: "Wir sind ein Verein, bei dem nur Leistung zählt." Man könne niemanden mitschleifen, nur weil er aus Haching komme. Stattdessen möchte er Topalov helfen, einen neuen Verein zu finden. Das Problem: In Deutschland ist der 24-Jährige für die nächsten Monate gesperrt, ins Ausland will er nicht. Seine Saison, die groß werden sollte, ist sehr wahrscheinlich gelaufen. Wie es weiter geht? "Gute Frage."

Am liebsten würde Topalov in München etwas aufbauen, wie vor einem Jahr in Unterhaching. Er mag die Stadt, hier wohnt seine Freundin, hier hat er Freunde. In den kommenden Wochen will er sich mit Leuten aus dem Münchner Volleyball zusammensetzen, Optionen ausloten, Ambitionen abstecken. "Wenn jemand große Ziele hat, werde ich bereit sein", sagt er. Dann nimmt er den Muffin und verschwindet in der Münchner Nacht. Fürs Erste muss er kein Asket mehr sein.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: