Volleyball:Früher Knackpunkt

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Die Alpenvolleys haben beim 3:0-Erfolg gegen Herrsching zum Viertelfinal-Auftakt kaum Probleme mit den Gästen, die den verletzten Nicholas West verlieren.

Von Sebastian Winter, Innsbruck

Einige Dutzend Herrschinger hatten sich bei Traumwetter und knapp 20 Grad am Samstag nach Innsbruck aufgemacht. Nicht zum Wandern im Karwendel natürlich, sondern um ihre WWK Volleys im ersten Spiel des Playoff-Viertelfinales bei den Hypo Tirol Alpenvolleys Haching in Innsbruck zu unterstützen. Vor dem Anpfiff zündeten sie eine Konfettikanone in der Halle und entrollten ein Transparent: "Uns zieht koana die Lederhosen aus!" stand darauf. Mit sehr dickem, schwarzen Ausrufezeichen.

Doch aus dem Wunsch der Gästefans wurde nichts, der Traumtag mündete vielmehr in einen schwarzen Abend für die Herrschinger. Die Alpenvolleys gewannen das Spiel mit 3:0 (25:22, 25:18, 25:21) und brauchen in der kurzen Best-of-three-Serie nur noch einen Sieg am Donnerstag in Unterhaching (oder, falls sie verlieren, am Samstag in Innsbruck), um das Halbfinale zu erreichen. Dort wartet wahrscheinlich der wiedererstarkte deutsche Meister Berlin, der sein erstes Spiel gegen Düren mit 3:0 gewann. Der Abend wurde aber auch deshalb so tiefschwarz für den Außenseiter, weil sein Angreifer Nicholas West noch während des Spiels in die Innsbrucker Unfallambulanz abtransportiert wurde - von Sanitätern in einem eilends herbeigeschleppten Rollstuhl.

West, der Stimmungsmacher mit dem Zwirbelbärtchen, hatte sich beim 20:23 im ersten Satz zum Netzduell mit Alpenvolleys-Diagonalangreifer Kirill Klets hochgeschraubt. Bei der Landung trat der 27-jährige US-Amerikaner auf den Fuß des Russen - und knickte um. West ahnte nur Sekunden später, was passiert war, auf dem Rücken liegend brüllte er ein keineswegs jugendfreies Schmerzenswort hinaus, das wohl noch ganz oben auf dem Bergisel zu hören war. Gestützt von Kapitän Lukas Bauer humpelte er vom Feld, wo er lange behandelt wurde. Dann ging es in die Klinik, unterstützt von Herrschings Außenangreifer Humberto Machacón, der wegen seiner Rückenverletzung ohnehin nicht hätte spielen können. Die erste Diagnose teilte Herrschings Trainer Max Hauser tags darauf per Kurznachricht mit: dreifacher Bänderriss. Gleichbedeutend mit dem Saisonende - und einigen Wochen Pause. "Bis dahin waren wir sehr gut", sagte Hauser, 10:7 und 18:17 hatten die Herrschinger vor enttäuschenden 800 Zuschauern in der Olympiahalle immerhin vorne gelegen gegen die anfangs nervösen Alpenvolleys: "Die Verletzung von Nick war der Knackpunkt. Danach ging es nach unten."

Im zweiten Satz zermürbten die starken Alpenvolleys-Aufschläge die Herrschinger Annahme vollends, in dieser Phase wurde besonders deutlich, wer als Tabellenzweiter in die Playoffs gegangen war und wer als Siebter. Während Wests Ersatzmann Griffin Shields und seine Kollegen kaum einen Angriff auf den Boden brachten, fanden die Alpenvolleys auch aus der Defensive heraus immer eine Antwort. Ihr Angriffs-Dreigestirn Pawel Halaba, Hugo da Silva und Klets war an diesem Abend eine Klasse besser. "Was ist denn mit diesem Typen los?", fragte passend dazu der Hallensprecher rhetorisch, als der mit 1,94 Metern vergleichsweise kleine Halaba mal wieder einen seiner spektakulären Angriffe übers Netz zauberte. Klets verwandelte schließlich den Satzball zum 25:18.

In der 10-Minuten-Pause probierten sich einige Herrschinger Fans am Glücksrad aus, das vor dem VIP-Eingang stand, doch Fortuna war auch im dritten Satz nicht auf der Seite des Klubs vom Ammersee. Die Alpenvolleys führten früh mit 4:1, leisteten sich zwar immer wieder kleine Unkonzentriertheiten, aber sie fielen an diesem Abend nicht weiter ins Gewicht. Hugo, später zum wertvollsten Spieler ausgezeichnet, beendete die Partie mit einem pfeffrigen Diagonalschlag nach nicht einmal 80 Minuten reiner Spielzeit - und hatte danach noch viel Energie, seinen kleinen Sohn durch die Halle und den VIP-Raum zu jagen. "Hugo war meine Versicherung", sagte Alpenvolleys-Zuspieler Danilo Gelinski über den so starken Brasilianer.

Danach gab es Serviettenknödel und Spätzle zu Hirschgulasch und Rindergeschnetzeltem, mit großem Applaus trudelten irgendwann auch die Alpenvolleys-Profis im Festsaal ein. Man spürte, dass sie nun sehr siegesgewiss nach Unterhaching fahren werden, um am Donnerstag ihren Halbfinaleinzug zu besiegeln. "Ich habe Herrsching auch mental schon viel besser spielen sehen", sagte ihr Trainer Stefan Chrtiansky, während General Manager Hannes Kronthaler während eines Zigarettenpäuschens frohlockte: "Eine dreiviertel Saison lang hat bei uns jeder für jeden gespielt, das hat zuletzt gefehlt. Jetzt ist es wieder da. Und die Plakate fürs Halbfinale haben wir auch schon alle gemacht."

Die Herrschinger haben in ihrem allerersten TV-Livespiel am Donnerstag nun den Vorteil, nichts mehr verlieren zu können. Ohne West und Machacón stellt sich die Mannschaft in Unterhaching quasi von alleine auf, und beim Quasiheimspiel sollte ihr Kampfgeist wieder erwachen. Aber sie müssen zugleich auf eine gegnerische Schwäche warten. Alpenvolleys-Kapitän Douglas da Silva sprach beim Kurzinterview im Saal noch von einem "richtig heißen Tanz" der seine Mannschaft erwarte. Aber tanzen können sie ja, die Brasilianer.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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