Volleyball:Eskaliert wird später

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"Mit dem Risiko ein bisschen hochgegangen": Als der Rückstand im vierten Satz fast aussichtslos wirkt, schlägt Pawel Halaba drei Asse. (Foto: Amir Beganovic/imago)

Die Alpenvolleys Haching bezwingen Novi Sad im Rückspiel des CEV-Pokals in 3:1 Sätzen und kommen damit weiter - dank einer starken Willensleistung.

Von Katrin Freiburghaus, München

Wer Hannes Kronthalers Mittwochabend nachfühlen möchte, versetze sich in die Zeit ohne Live-Übertragungen zurück. Als man gebannt vor dem Videotext saß und bunte Zahlen dabei beobachtete, wie sie mit leichter Verzögerung das Abschneiden des Lieblingsvereins dokumentierten. Im Fußball ist das längst Geschichte, auch in der Volleyball-Bundesliga gibt es aus allen Hallen bewegte Bilder. Für den CEV-Cup, den zweithöchsten europäischen Volleyball-Wettbewerb, gibt es diesen Service dagegen nur für ausgewählte Spiele. Ausgewählt werden sie vom europäischen Verband, und ausgewählt wurde in der Runde der letzten 32 nicht: Vojvodina Novi Sad gegen die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching.

So blieb dem nicht mit nach Serbien gereisten Alpenvolleys-Manager nur der Ticker. Dort verfolgte er das hart erkämpfte 3:1 (30:28, 25:22, 19:25, 25:23) seines Teams, das diesem in der Addition mit dem 3:2 aus dem Hinspiel die Qualifikation fürs Achtelfinale brachte, wo aller Voraussicht nach der italienische Spitzenclub Trentino warten wird (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) "Es war ein intensives Spiel, ein Sieg des Willens", sagte Kronthaler, und fügte zufrieden hinzu: "Wir bestätigen, dass wir auf hohem Niveau spielen und kämpfen können."

Tatsächlich war die Partie ausgeglichener als das Hinspiel gewesen. In Unterhaching hatten die Alpenvolleys das Geschehen zwei Sätze lang klar bestimmt, ehe sie den Gegner vorübergehend zurück ins Spiel ließen. Vor den eigenen Zuschauern habe Novi Sad nun stärker dagegengehalten, sagte Coach Stefan Chrtiansky. "Wir haben nicht nachgelassen, sondern die anderen haben im dritten Satz unglaublich gespielt." Sein Team habe "eigentlich alles richtig gemacht, aber die haben plötzlich Kopf, Bein oder Fuß dazwischen gehalten - es kam einfach alles zurück".

Den Unterschied machte am Ende die mentale Stärke der Alpenvolleys. Nachdem das transalpine Bündnis aus Unterhaching und Innsbruck zwei Sätze lang vorn lag, brachte es auch der deutlich verlorene dritte Durchgang nicht aus dem Tritt. "Wir mussten gewinnen", sagte Libero Florian Ringseis, "aber wir wussten auch: Wenn wir zwei Sätze haben, ist die Zeit auf unserer Seite." Als Novi Sad im vierten Satz auf 18:13 davonzog, "sind wir mit dem Risiko ein bisschen hochgegangen", so Ringseis. Außenangreifer Pawel Halaba brachte die Alpenvolleys mit drei Assen auf 16:18 heran und versenkte später den Matchball.

Fünf Punkte gegen Ende eines Satzes sind auf dem Niveau, auf dem sich die beiden Tabellenführer ihrer jeweiligen Ligen duellierten, kein Abstand, den man ohne Weiteres aufholt. Dass es den Alpenvolleys gelang, zeugte von einiger Coolness, die Ringseis so erklärte: "Wir waren taktisch gut eingestellt. Darauf haben wir vertraut und auf unsere Chance gewartet." Selbstvertrauen war und ist ein zentrales Thema, für das exemplarisch der junge russische Diagonalmann Kirill Klets steht, der nach einem Holperstart seit ein paar Wochen kaum wiederzuerkennen ist. In den jüngsten beiden Ligaspielen in Giesen und gegen Berlin war er ebenso Topscorer wie nun im Rückspiel in Novi Sad, lediglich im Hinspiel wurde er in der internen Hierarchie nur Zweiter.

"Er bestätigt jetzt, wovon wir gewusst haben, dass es sein Potential ist", sagte Kronthaler, "er braucht als junger Spieler ein bisschen mehr Betreuung. Dem Trainer gebührt ein Riesenkompliment, dass er genau das erkannt hat." Chrtiansky hatte dem 20-Jährigen immer wieder vertraut, zudem erhält Klets seit einer Weile zweimal wöchentlich Englisch-Unterricht, weil laut Kronthaler "schon zu sehen war, dass er ein bisschen isoliert ist, wenn die anderen alle Englisch reden".

Dass die Alpenvolleys die Bodenhaftung verlieren, steht nicht zu befürchten. Im Hotel wurde artig angestoßen, am Samstag steht bereits das Bundesliga-Derby in Herrsching auf dem Programm. "Ganz gefährlich", sagte Ringseis, "wir sind Profis und werden den Körper nicht unnötig noch müder machen - eskaliert wird später." Er verwies darauf, dass die Tabellenführung eine schöne, aber womöglich trügerische Momentaufnahme sei. "Wir haben schon gegen viele Gegner vom Tabellenende gespielt, jetzt kommt ein Brocken nach dem nächsten", sagte er. Immerhin: Dem Selbstvertrauen kann der Platz ganz oben nur nützen.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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