Volleyball:"Einer muss halt auch der Buhmann sein"

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Marketing-Manager André Bugl, 24, über Sprünge ins kalte Wasser, den Streit mit dem Verband und die Gretchenfrage zur Zukunft des Erstligisten Herrsching: Wann und wo steht die neue Arena?

Interview von Sebastian Winter

André Bugl möchte sein Alter zunächst gar nicht verraten. Es soll ja Menschen geben, die einen 24-Jährigen, der als Marketing-Manager des Volleyball-Bundesligisten TSV Herrsching firmiert, nicht ganz ernst nehmen. Der Münchner, der in Gilching das Gymnasium besuchte und in Hechendorf lebt, hat sich früh dem Sport verschrieben. Bei der FT Starnberg war er im Fußballnachwuchs tätig und mit 16 einer der jüngsten Trainer mit DFB-C-Lizenz. Später hospitierte er beim FC Bayern und bei der U19 der TSG Hoffenheim unter Julian Nagelsmann, der heute die Profis trainiert. Mittlerweile ist Bugl selbständig im Marketingbereich tätig und bei den Herrschingern neben Trainer Max Hauser und Teammanager Fritz Frömming einer von drei Teilhabern der GCDW Home of Volleyball GmbH. Mit der SZ spricht Bugl vor dem Rückrunden-Auftakt des Siebten gegen den Achten Rottenburg (Samstag, 19 Uhr) über Markenbildung und die schwierige Hallensuche.

SZ: Herr Bugl, Sie haben, als der TSV noch in der zweiten Liga spielte, Herrschings Marketing-Konzept entwickelt und die Marke GCDW - "Geilster Club der Welt" - - entwickelt. Zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?

André Bugl: Die Idee gab es ja schon vorher, die Umsetzung ist auf meinem Mist gewachsen. Dass es so einschlägt, war mein Traum, konnte man aber natürlich nicht planen. Der Weg war auch nicht einfach.

Inwiefern?

Anfangs hat das keiner ernst genommen. Du bist nur gegen den Strom geschwommen. Auch im Verein war nicht jeder begeistert, aber die Skeptiker wurden Lügen gestraft. Wir sind erst im dritten Jahr Bundesliga und schon einer der bekanntesten Volleyballvereine in Deutschland. Die Marke ist Lifestyle, eine Lebenseinstellung, das ist in dieser Ausprägung absolut einzigartig und gibt es im Volleyball, glaube ich, kein zweites Mal. Als reiner TSV Herrsching hätten wir Schwierigkeiten gehabt.

Gibt es dazu belastbare Zahlen?

Wir haben unfassbare Reichweiten über Social Media, allein über Facebook erreichen wir pro Saison zwischen zwei und fünf Millionen User und haben zusätzlich Hunderttausende Videoabrufe. Das alles generieren wir selbst, ohne vom Fernsehen abhängig zu sein. Bei Facebook liegen wir bei 6500 Abonnenten, angefangen haben wir vor vier Jahren bei 400. Bald sind nur noch Berlin, Friedrichshafen und Frankfurt vor uns. Herrsching geht viral.

Social Media als Lösung für den Randsport, der kaum TV-Präsenz hat?

Das digitale Zeitalter birgt extrem viele Chancen für uns, auch weil ich glaube, dass das Thema Free-TV im Volleyball nie ganz groß kommen wird. Jeder Verein hat doch originelle Ideen, eigene Geschichten, die er erzählen kann. Das Marketing entwickelt sich gerade, weit über Sport hinaus, hin zum Story-Telling. Schauen Sie sich den millionenfach geklickten Edeka-Werbespot zu Weihnachten 2015 an. Da ging es nicht um Lebensmittel, sondern um eine Geschichte. Aldi macht erstmals Fernsehwerbung, wirbt aber nicht plump mit billigen Preisen, sondern über Storys. Das darf man nicht verpennen.

Welche Geschichten bietet Herrsching?

Wir hatten das Feindbild Stelian Moculescu (Ex-Trainer Friedrichshafens), bereiten ihm aber zugleich einen sehr emotionalen Abschied. Wir trampen zum Auswärtsspiel und machen daraus eine Road-Trip-Story. Wir präsentieren unsere Lederhosen-Trikots live auf dem Oktoberfest aus der Wiesn-Box heraus - weil wir einfach viele Bayern im Team haben. Wir werden uns auch weiterhin Leuchttürme wie unsere kultigen Hallensprecher erhalten. Auch beim Thema Video wollen wir unsere Vorreiterrolle in der Liga behalten.

"Home of Volleyball" - aber wie lange noch? Der Bundesliga-Standort Herrsching (hier Roy Friedrich mit Tochter) ist "aktuell gefährdet", sagt André Bugl. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

War der Liga Markenbildung bisher egal?

Es gibt Vereine, die sehr verschlafen sind und das Thema komplett ignorieren - oder einfach nicht das Knowhow haben. Wir hatten hingegen nach der Lederhosenaktion innerhalb eines Monats eine Reichweite von einer Million und sind dabei, das 1000. Trikot zu verkaufen. Als ich im Herbst 2015 als kleiner Wurm zu einem Kongress mit Top-Managern aus dem Sport reiste, hat mich zum Beispiel ein Handball-Manager angesprochen, ach, ihr seid doch der "Geilste Club der Welt".

Müssen die Spieler - kleiner Marketing-Gag - bald wieder in den eiskalten Ammersee springen, wie im März 2015?

Der Deal war ja, dass ich auch springe. Da bin ich nicht so scharf drauf, das war nämlich sehr kalt. Ich zwinge die Spieler natürlich zu nichts. Dann macht es den Fans auch keinen Spaß. Aber sie müssen sich auf verrückte Ideen gefasst machen.

Wie zufrieden sind Sie bislang aus Marketingsicht mit der Mannschaft?

Ich bin diese Saison zu 1000 Prozent von der Mannschaft und deren Vermarktungsfähigkeit begeistert. Die pushen sich, reißen das Pokal-Viertelfinale in Düren gemeinsam rum. Wir haben coole Typen wie Ferdl Tille, Patrick Steuerwald oder Tom Strohbach. Da fällt es sehr leicht, Geschichten zu finden.

Leichter offenbar als eine neue Halle: Am Samstag ist Rückrunden-Auftakt gegen Rottenburg in der Nikolaushalle. Ihre Spielstätte ist zu flach und klein für Erstliga-Volleyball. Und sie könnte Herrsching nach der Saison die Lizenz kosten.

Die Halle ist definitiv unser Problem Nummer eins. Nicht, weil es unsere Existenz bedroht, das ist ein Trugschluss. Wir werden weiterexistieren, egal was mit der Halle ist. Aber es geht um die erste Bundesliga, um Spitzenvolleyball in Herrsching, und das ist aktuell gefährdet.

Wie ist der Status Quo?

Wir haben der Volleyball-Bundesliga (VBL) kurz vor Weihnachten einen Vorschlag zur Verlängerung der Ausnahmegenehmigung für die Nikolaushalle eingereicht, wie wir die geplante Eventarena schaffen können. Und wir brauchen von der VBL bis Ende Januar ein Bekenntnis, ob sie uns diese Verlängerung gibt. Wir brauchen Klarheit, nicht zuletzt vor den Sponsorengesprächen. Auch wenn wir natürlich nicht in der Position sind, Ultimaten zu stellen: Ohne dieses Bekenntnis müssen wir überlegen, ob uns das Risiko nicht zu groß ist, für die erste Liga zu planen, weil wir gar nicht wissen, ob wir die Lizenz kriegen. Wenn es dann heißt, Herrsching spielt zweite Liga - auch okay.

Der Masterplan sieht eine nochmalige Ausnahmegenehmigung nach drei Jahren nicht vor. Herrsching muss liefern.

Wir sehen uns da nicht unter großem Zeitdruck, weil wir gewisse Dinge nicht beschleunigen können. Wir können keine Halle aus dem Hut zaubern. Ich habe auch keine Möglichkeit, bis Februar einen fertigen Bauantrag für 2017 vorzulegen. Das ist utopisch und braucht mehr Zeit. Es gibt auch keine Deadline seitens der VBL, die beispielsweise besagt: Am 31. Januar muss der Bebauungsplan stehen. Wir kämpfen für eine multifunktionale Veranstaltungsstätte in der Region Starnberg, in der wir Mieter sein werden. Das ist übrigens ein ganz wichtiger Punkt, der hier im Landkreis politisch oft falsch diskutiert wird: Weil es heißt, die Volleyballer brauchen eine Halle.

Noch ist nicht einmal ein Grundstück für die Arena gefunden. Im Sommer ist Ihr Versuch gescheitert, die Politik davon zu überzeugen, den Neubau der Realschulturnhalle multifunktional zu gestalten.

Wir sondieren gerade Grundstücke im Landkreis Starnberg, da sind wir in Gesprächen mit Kommunen und Verantwortlichen. Parallel haben wir von Investoren positives Feedback bekommen, die die zehn bis zwölf Millionen Euro, die eine solche Arena kostet, aufbringen können. Und Ende Januar werden wir aller Voraussicht nach unser neues Konzept im Gemeinderat vorstellen dürfen.

"Wir bleiben der geilste Club der Welt. Da ändert sich gar nichts": André Bugl, 24, Geschichten-Erzähler, Marketing-Manager beim TSV Herrsching und Optimist. (Foto: oh)

Wann könnte die neue Halle stehen?

Eine neue Halle zu bauen, dauert ein bis eineinhalb Jahre. Wenn wir den entscheidenden Schritt gehen, ein Grundstück zu haben, glaube ich, dass in zwei Jahren die Halle stehen könnte. Vieles braucht ja auch rein bürokratisch einfach Zeit, da kann man nicht zaubern.

Glauben Sie, dass die Liga das mitmacht?

Die Liga muss sich eine Grundsatzfrage stellen: Ob sie Vereine haben will, die sich gesund und kontinuierlich entwickeln. Oder ob sie die Hürden weiter so hoch hängt, dass es 90 Prozent der ambitionierten Zweitligisten gar nicht schaffen können. Die Entwicklung dort ist hervorragend, doch die Hürden des Masterplans sind zu hoch. Und dann macht sich die erste Liga unattraktiv. Wenn die Entscheidung negativ ausfällt, ist das eine Ansage an alle ambitionierten Klubs: Ihr habt keine Chance! Weil es dann, ohne Mäzen oder die Möglichkeit, sofort in eine große Arena zu gehen, wie sie Frankfurt hat, nicht machbar ist, dauerhaft in der ersten Bundesliga zu spielen. Am Ende liegt das aber nicht allein in unserer Hand.

Im November, als die VBL Ihnen wegen der zu niedrigen Halle und der fehlenden Ersatzarena das Heimrecht für das Pokalhalbfinale entzog, warfen Sie ihr "das blinde Verfolgen von Statuten, die mehr als fragwürdig sind" vor und ernteten dafür auch Kritik. Proben Sie den Aufstand der Kleinen gegen den Masterplan?

Ach, die Schlagzeilen haben uns eher gut getan. Und Ersatzarena haben wir schlicht keine gefunden. Die VBL ist für uns kein Feindbild. Ich unterstreiche dennoch, dass wir zu all dem, was wir in unserer Stellungnahme gesagt haben, auch jetzt noch zu 100 Prozent stehen. Ich sehe das auch gar nicht als Revolte gegen die VBL, dass wir den Masterplan kippen wollen. Aber wir haben eine Diskussion angefacht und mahnen Punkte an, die gemeinsam zu überdenken sind. Und einer muss sich halt auch mal hinstellen und der Buhmann sein.

Welche Punkte sind das?

Die Liga sollte Vorreiter bei der Digitalisierung sein, über diese Plattform kann ich Millionen erreichen. Das ist für mich viel wichtiger, als in einer 2500-Mann-Arena zu spielen. Und wenn ich sehe, dass viele Vereine zwar geeignete Spielstätten haben, die aber nur zu zehn Prozent voll sind, dann muss ich sagen: Setzt doch bitte daran an. Das sind auch Einnahmen, bares Geld. Der Masterplan läuft im Sommer 2017 aus, er wird hinterfragt werden. Und wir sind nicht die, die hinterherhecheln.

Waren Sie blauäugig beim Hallenthema?

Wir hatten ja nie das Ziel, in die erste Bundesliga aufzusteigen, daher haben wir uns auch mit diesem Thema nie befasst. Erst im Dezember 2013, als wir Zweitliga-Zweiter waren und es hieß, wenn ihr in die erste Liga wollt, müsst ihr jetzt den Antrag stellen. Direkt nach dem Aufstieg haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Hallenbau beschäftigt hat, und allem, was dazugehört. Ist das blauäugig? Wir haben nichts falsch gemacht.

Herrschings Ziel ist Platz sechs und der direkte Einzug ins Playoff-Viertelfinale, dort würde dem Klub aller Voraussicht nach wieder das Heimrecht entzogen. Wurden Maßnahmen getroffen?

Wir haben wie vor dem Pokal-Halbfinale mit Ausweichstandorten telefoniert, fragen in Unterhaching an, beim Ballhaus-Forum Unterschleißheim, in Vilsbiburg, vielleicht auch mal in Innsbruck (lacht). Es bringt aber nichts, in Stuttgart zu spielen, nur um Heimrecht zu haben.

Audi Dome oder Olympiahalle?

In der Olympiahalle hatten wir gefragt, was der Preis ist. Danach hatte sich die Diskussion erledigt. 40 000 Euro, und das ist ja nur die Miete. Und ob die Bayern-Basketballer Bock darauf haben, ihren Boden herauszunehmen, zwei Tage lang kein Training dort zu haben, für, sagen wir mal, 15 000 Euro Miete? Ich weiß nicht.

Ist Herrsching 2018 noch Erstligist?

Wir waren im Pokal-Halbfinale, werden allmählich zu den besseren Teams gezählt. Unser Anspruch ist es, in der ersten Liga voranzukommen. Plan B ist die zweite Liga. Egal was passiert: Wir werden nicht abmelden! Wir sind ja nicht insolvenzbedroht, haben gut gewirtschaftet. Wir bleiben der geilste Club der Welt. Da ändert sich gar nichts.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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