Volleyball:Ein Mann für gewisse Rückstände

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Herrschings "Game-Changer": Benedikt Doranth, Geheimwaffe und Bewegungsökonom. (Foto: Johannes Simon)

Herrsching dreht in Rottenburg ein schon verloren geglaubtes Match - auch dank Einwechselspieler Benedikt Doranth

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Max Hauser hüpfte am höchsten. Zumindest nach dem Spiel, im Kreis seiner Spieler. Wer gesehen hatte, wie lange die Bundesliga-Volleyballer des TSV Herrsching in Rottenburg gebraucht hatten, um sich in die Partie zu quälen, den wunderte das nicht. 3:1 (13:25, 31:29, 25:20, 25:21) gewann Hausers Team am Samstagabend nach knapp zwei Stunden und verbuchte damit erstmals in der Saison drei Punkte. "Das war brutal wichtig", sagte Hauser, "obwohl man ein Spiel nach so einem ersten Satz eigentlich verliert."

Die ersten 21 Spielminuten waren aus Sicht der Herrschinger ein Totalausfall. 7:21 lagen sie zwischenzeitlich hinten und retteten sich nur mit Mühe in den zweistelligen Punktebereich. Vor allem aber wirkten sie merkwürdig ängstlich und bildeten so einen scharfen Kontrast zu ihrer sonstigen Exaltiertheit. "Die ersten anderthalb Sätze waren überhaupt nichts, erst danach haben wir angefangen, Volleyball zu spielen", resümierte Zuspieler Patrick Steuerwald.

Obwohl der 29-Jährige zum wertvollsten Spieler des Abends gekürt wurde, war der Aufschwung auch einem anderen zu verdanken: Benedikt Doranth, Herrschinger Urgestein, Außen-Annahme-Spezialist und Geheimwaffe, wenn es nicht läuft. "Er spielt bei mir selten von Anfang an, aber ich nehme ihn gerne als Game-Changer", sagt Hauser über seinen langjährigen Beachvolleyball-Partner. Julius Höfer musste Doranth ab dem zweiten Durchgang weichen. Nicht, weil er schlecht gewesen wäre, sondern weil Hauser aufgefallen war, "dass es manchmal reicht, keine eigenen Fehler mehr zu machen, weil sich der Gegner selbst besiegt".

Mit Doranths Einwechslung sank das Aktivitätsniveau in Herrschings Außenangriff zwar sogleich beträchtlich - die Fehlerquote in der Abwehr aber auch. Über 50 Prozent perfekte Annahmen spuckte die Statistik für den 27-Jährigen aus. Steuerwald hatte damit die Möglichkeit, öfter kurz über die Mitte zu spielen. Doch Hauser hatte Doranth nicht nur wegen seiner Qualitäten in der Annahme eingewechselt. Doranth sei generell "ein positiver Typ", der sich hinstelle und sage: "Wir müssen ja nicht überragend spielen, sondern nur gewinnen." Allerdings ist Doranth niemand, der solche Botschaften verbreitet, indem er fleißig klatschend herumflitzen würde. Seinen teils spektakulären Rettungstaten geht oft erstaunlich wenig Bewegung voraus, weil er meist schon vorher dort steht, wo er dann gleich hin muss. "Bewegungsökonomie" nennt Hauser das, was den Anschein erweckt, als hätte Doranth mit der Zeit einen Deal ausgehandelt, der ihm pro Annahme ein paar Zehntelsekunden mehr zugesteht als allen anderen. "Er hat Ruhe ins Spiel gebracht. Und obwohl wir über Außen eigentlich nicht mehr angegriffen haben, ist der Gegner in Panik verfallen", bestätigte Hauser.

Doranth ist einer der wenigen im Team, die Herrschings Aufstiege bis in die Eliteklasse miterlebten, und war auch beim bunten Rahmenprogramm stets einer der Ersten: 2013 ließ er für die erste Folge des Vereins-Fernsehens mit Kochmütze auf dem Kopf ein Stück Entenbrust anbrennen, im vergangenen März sprang er in modisch fragwürdiger Aufmachung in den eisigen Ammersee. Derzeit lässt er sich im Wettstreit mit seinem Kapitäns-Kollegen Steuerwald und Angreifer Philip Trenkler bei allerlei absurden Disziplinen filmen; etwa dem Baggern auf Basketballkörbe mit einer in Frischhaltefolie gewickelten Skibrille auf der Nase.

Ohne Skibrille war er deutlich erfolgreicher, was Herrsching ein Fünf-Punkte-Polster auf den noch punktlosen Letzten KW-Bestensee einbrachte. Dieses Polster könnte sich für die mentale Verfassung der Mannschaft als nützlich erweisen, denn das Restprogramm bis zum Jahreswechsel ist anspruchsvoll: Gegen Frankfurt, Friedrichshafen und Berlin dürften kaum Punkte eingeplant sein. Für die Partie in Coburg in zwei Wochen betonte Steuerwald dagegen, "dass wir uns auf dem Sieg nicht ausruhen dürfen".

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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