Volleyball:Duell der Welten

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Der deutsche Meister SCC Berlin ist beim TSV Herrsching zu Gast

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

So unterschiedlich kann der Mittwochabend zweier Volleyball-Bundesligisten sein: Während die Berlin Recycling Volleys vor 4260 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle Champions League spielten, trainierten die Herrschinger in einer kleinen Schulturnhalle in Gilching. Dort, wo Trainer Max Hauser tagsüber als Lehrer sein Geld verdient. Publikum? Fehlanzeige.

Immerhin für das Ligaspiel an diesem Samstag (19 Uhr) rechnen die Herrschinger mit einer ausverkauften Nikolaushalle, also mit knapp 1000 Zuschauern. Der Gegner: Berlin. Der Abstand ist nicht nur auf der Landkarte, wo die hippe 3,5 Millionen Einwohner zählende Metropole vom beschaulichen Urlaubsstädtchen am Ammersee (10 000 Einwohner) ein gut 500 Kilometer langer Tagestrip quer durch Deutschland trennt. Auch wirtschaftlich und sportlich sind Berlin und Herrsching zwei Welten. Berlins Etat ist mit 1,7 Millionen Euro fast sechs Mal so hoch, wie die 300 000 Euro der Gastgeber. Während Herrsching fast ausschließlich mit Spielern aus der Region aufläuft, von denen einige nur im Nebenberuf Volleyballer sind, ist der Berliner Kader mit internationalen Spitzenspielern aus aller Welt bestückt. Berlin ist sechsmaliger Meister, Herrsching hat vor vier Jahren in der Bayernliga gespielt. Und während die Hauptstädter im europäischen Wettbewerb zwischen Ungarn, Polen und Slowenien hin und herfliegen, wissen die Herrschinger oft noch nicht einmal, in welcher Turnhalle in der Umgebung sie am nächsten Tag einen freien Platz zum Training finden.

Dementsprechend sind die Erwartungen, TSV-Coach Hauser hofft darauf, dass sich sein Team "wehrt, kämpft und gut verkauft", einen Satzgewinn, wie im Hinspiel, will er dagegen nicht versprechen. Obwohl sich Herrsching gegen die Spitzenmannschaften Berlin und Friedrichshafen in dieser Saison sogar besser präsentiert als gegen solide Verfolgerteams wie Düren, Bühl oder Lüneburg, ist ein Punktgewinn sehr unwahrscheinlich. Mental indes sind diese Spiele, in denen es nichts zu verlieren gibt, die leichtere Aufgabe, meinen die Spieler. Auch Hauser sagt: "Die mentale Umstellung ist für Berlin sicherlich schwieriger."

Die deutliche Konstellation aber ist auch nur bedingt im Interesse des Favoriten. Nach dem Spitzenduell vor einer Woche zwischen Meister Berlin und Spitzenreiter Friedrichshafen (3:2 für Berlin) sagte SCC-Manager Kaweh Niroomand: "Ich wünschte, wir hätten fünf, sechs solcher Spiele in der Bundesliga-Saison." Partien vor großem Publikum, gegen einen gleichwertigen Kontrahenten also. Nicht in Herrsching, mag er gedacht haben. Formulierte hat er es so: "Wir brauchen eine größere Reichweite. Man muss jetzt etwas riskieren und investieren." Hauser sieht solche kritischen Worte in erster Linie an Verband und Liga adressiert. "Die DVL muss sich für mehr Medienpräsenz und Fernsehübertragungen einsetzen." Dann käme auch mehr Geld bei kleinen Vereinen an.

Gemeinsam stark: Ob es für Herrsching gegen den Meister reichen kann, ist dennoch sehr fraglich. (Foto: Georgine Treybal)

Mit der Professionalisierung der Bundesliga geht es nur langsam voran. Volleyball soll attraktiver, populärer und massentauglicher werden - so der Plan. Doch wie es tatsächlich bestellt ist, zeigt der Fall Dresden. Dem Verein wurde vor gut einem Monate die Lizenz entzogen, schon zu Saisonbeginn musste Unterhaching Insolvenz anmelden. Umso bemerkenswerter ist der Erfolg der Herrschinger, die trotz zuletzt drei Niederlagen in Serie auf Platz acht liegen. Der Aufsteiger macht kontinuierlich Fortschritte und hat sich dem Niveau der Bundesliga, zumindest dem der zweiten Hälfte, angepasst. Und so auch den Respekt der Konkurrenz verdient.

Ein Ärgernis ist und bleibt aber die Spielstätte: "Mich nervt das Thema", sagt Hauser offen. "Und ich verstehe nicht, warum es nicht möglich ist, hier in der Region eine Halle zu bauen." Die Verantwortlichen suchen schon lange ein offenes Ohr bei der Politik. Bisher ohne Erfolg. "Ich kann die Halle ja nicht selber bauen", ärgert sich Hauser. Auch München sei derzeit keine Alternative. Der Audi Dome wäre ein möglicher Spielort, man sei auch in Gesprächen. "Aber momentan müssten wir da pro Spiel mindestens 10000 Euro draufzahlen", erklärt Hauser. Das sei einfach nicht drin, das Thema bleibt offen.

Die Stimmung in der Nikolaushalle wird auch so am Samstag gewohnt gut sein, schließlich hat Herrsching als einer der wenigen Klubs einen eigenen, wenn auch kleinen, Fanblock samt adäquater Fankultur. Dort wird auch gerne mal oberkörperfrei, mit Sonnenbrille und lauten Schlachtrufen angefeuert. So etwas kennt man in Berlin eher nicht. Zwei Welten eben.

© SZ vom 24.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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